Das Schweizerische Strafgesetzbuch sieht die Möglichkeit vor, eine Person, die bestimmte Delikte verübt hat, mit einem Berufsausübungsverbot (Tätigkeitsverbot) zu belegen.
Das Bezirksgericht Uster verurteilte einen Beschuldigten am 13. Januar 2022 wegen mehrfacher Pornografie nach Art. 197 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 StGB (Pornografie, die sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt) zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 90.–, bei einer Probezeit von 2 Jahren und sprach ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot nach Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB aus. Das Obergericht schützte diesen Entscheid. Nun hatte das Bundesgericht diesen Fall zu beurteilen (BGer 7B_479/2023 vom 21. November 2023).
Art. 67 StGB
Die Grundlage des Berufsausübungsverbotes findet sich im Art. 67 StGB. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.
2 Hat jemand gegen einen Minderjährigen oder eine andere besonders schutzbedürftige Person ein Verbrechen oder Vergehen begangen und besteht die Gefahr, dass er in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen oder mit anderen besonders schutzbedürftigen Personen umfasst, weitere Straftaten dieser Art begeht, so kann ihm das Gericht die betreffende Tätigkeit für ein Jahr bis zehn Jahre verbieten.
2bis Das Gericht kann das Verbot nach Absatz 2 lebenslänglich verhängen, wenn zu erwarten ist, dass die Dauer von zehn Jahren nicht ausreicht, damit vom Täter keine Gefahr mehr ausgeht. Es kann ein zeitlich befristetes Verbot nach Absatz 2 auf Antrag der Vollzugsbehörde jeweils um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verbrechen und Vergehen, wie sie Anlass für das Verbot waren, abzuhalten.
3 Wird jemand wegen einer der nachfolgenden Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird deswegen gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59–61, 63 oder 64 angeordnet, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst:
a.
Menschenhandel (Art. 182), sofern er die Straftat zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung an einem minderjährigen Opfer begangen hat;
b.
sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187), sexuelle Handlungen mit Abhängigen (Art. 188) oder sexuelle Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt (Art. 196);
c.
sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Missbrauch einer urteilsunfähigen oder zum Widerstand unfähigen Person (Art. 191), Ausnützung einer Notlage oder Abhängigkeit (Art. 193), Täuschung über den sexuellen Charakter einer Handlung (Art. 193a), Exhibitionismus (Art. 194), Förderung der Prostitution (Art. 195), unbefugtes Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten (Art. 197a) oder sexuelle Belästigungen (Art. 198), sofern er die Straftat an oder vor einem minderjährigen Opfer begangen hat;
d.
Pornografie (Art. 197):
1.
nach Artikel 197 Absatz 1 oder 3,
2.
nach Artikel 197 Absatz 4 oder 5, sofern die Gegenstände oder Vorführungen sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt hatten.
4 Wird jemand wegen einer der nachfolgenden Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird deswegen gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59–61, 63 oder 64 angeordnet, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu volljährigen, besonders schutzbedürftigen Personen umfasst, sowie jede berufliche oder jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt:
a.
Menschenhandel (Art. 182) zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Missbrauch einer urteilsunfähigen oder zum Widerstand unfähigen Person (Art. 191), Ausnützung einer Notlage oder Abhängigkeit (Art. 193), Täuschung über den sexuellen Charakter einer Handlung (Art. 193a), Exhibitionismus (Art. 194), Förderung der Prostitution (Art. 195), unbefugtes Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten (Art. 197a) oder sexuelle Belästigungen (Art. 198), sofern er die Straftat begangen hat an oder vor:
1.
einem volljährigen, besonders schutzbedürftigen Opfer, oder
2.
einem volljährigen nicht besonders schutzbedürftigen Opfer, das zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig war oder sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zu Wehr setzen konnte;
b.
Pornografie (Art. 197 Abs. 2 erster Satz und Abs. 4 oder 5), sofern die Gegenstände oder Vorführungen zum Inhalt hatten:
1.
sexuelle Handlungen mit volljährigen, besonders schutzbedürftigen Opfern, oder
2.
sexuelle Handlungen mit volljährigen, nicht besonders schutzbedürftigen Opfern, die zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig waren oder sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zur Wehr setzen konnten.
4bis Das Gericht kann in besonders leichten Fällen ausnahmsweise von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes nach Absatz 3 oder 4 absehen, wenn ein solches Verbot nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wie sie Anlass für das Verbot sind. Von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes darf jedoch nicht abgesehen werden, wenn der Täter:
a.
verurteilt worden ist wegen Menschenhandel (Art. 182), sexueller Nötigung (Art. 189 Abs. 2 und 3), Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 2 und 3), Missbrauch einer urteilsunfähigen oder zum Widerstand unfähigen Person (Art. 191) oder Förderung der Prostitution (Art. 195); oder
b.
gemäss den international anerkannten Klassifikationskriterien pädophil ist.
5 Wird der Täter im selben Verfahren wegen mehrerer Straftaten zu einer Strafe verurteilt oder wird gegen ihn deswegen eine Massnahme angeordnet, so legt das Gericht fest, welcher Anteil der Strafe oder welche Massnahme auf eine Straftat entfällt, die ein Tätigkeitsverbot nach sich zieht. Dieser Strafanteil, die Massnahme sowie die Straftat sind massgebend dafür, ob ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1, 2, 2bis, 3 oder 4 verhängt wird. Die Strafanteile für mehrere einschlägige Straftaten werden addiert. Es können mehrere Tätigkeitsverbote verhängt werden.
6 Das Gericht kann für die Dauer der Verbote Bewährungshilfe anordnen
Verurteilung wegen Kinderpornographie
Wird jemand nach Art. 197 Abs. 4 StGB wegen Pornografie, die sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt hatte, zu einer Strafe verurteilt, so verbietet ihm das Gericht lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst (Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB). Gemäss Art. 67 Abs. 4bis StGB kann das Gericht in besonders leichten Fällen ausnahmsweise von der Anordnung eines Tätigkeitsverbots nach Abs. 3 oder 4 absehen, wenn ein solches Verbot nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wie sie Anlass für das Verbot sind. Von der Anordnung eines Tätigkeitsverbots darf jedoch nicht abgesehen werden, wenn der Täter (lit. a) verurteilt worden ist wegen Menschenhandels (Art. 182), sexueller Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191) oder Förderung der Prostitution (Art. 195), oder (lit. b) gemäss den international anerkannten Klassifikationskriterien pädophil ist. Nach Art. 67c Abs. 6bis StGB können Verbote nach Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB nicht aufgehoben werden.
Ein Absehen von der Anordnung eines Tätigkeitsverbots nach Art. 67 Abs. 3 StGB ist gemäss Wortlaut von Art. 67 Abs. 4bis StGB unter zwei kumulativen Voraussetzungen zulässig: Einerseits muss es sich um einen „besonders leichten Fall“ handeln, andererseits darf das Verbot nicht notwendig sein, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wie sie Anlass für das Verbot sind. Aus dem Wort „ausnahmsweise“ ergibt sich, dass die Bestimmung restriktiv anzuwenden ist und nur bei gewissen Anlasstaten zur Anwendung gelangt. Das zwingende lebenslängliche Tätigkeitsverbot soll die Regel sein (BGE 149 IV 161 E. 2.3-2.6; Urteile 6B_1027/2021 vom 5. Juni 2023 E. 2.3.2; 6B_852/2022 vom 26. April 2023 E. 2.2; je mit Hinweisen). Ist keine besonders leichte Anlasstat gegeben, darf somit auch bei guter Legalprognose nicht auf das Tätigkeitsverbot verzichtet werden (Urteil 7B_143/2022 vom 18. Juli 2023 E. 2.5.1 mit Hinweisen).
Umfang des Tätigkeitsverbots
Der Umfang des Tätigkeitsverbotes ist in Art. 67a StGB geregelt:
1 Als berufliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 67 gelten Tätigkeiten in Ausübung eines Haupt- oder Nebenberufs oder -gewerbes oder eines Handelsgeschäfts. Als organisierte ausserberufliche Tätigkeiten gelten Tätigkeiten, die nicht oder nicht primär zu Erwerbszwecken und die im Rahmen eines Vereins oder einer anderen Organisation ausgeübt werden.
2 Das Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 umfasst die Tätigkeiten, die der Täter selbstständig, als Organ einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft oder in einer anderen Funktion, die im Handelsregister einzutragen ist, als Beauftragter oder als Vertreter einer anderen Person ausübt oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person ausüben lässt.
3 Besteht die Gefahr, dass der Täter seine Tätigkeit auch zur Begehung von Straftaten missbraucht, wenn er sie nach Weisung und unter Kontrolle eines Vorgesetzten oder einer Aufsichtsperson ausübt, so ist ihm die Tätigkeit ganz zu untersagen.
4 Die Verbote nach Artikel 67 Absätze 3 und 4 umfassen immer die ganze Tätigkeit.
5 Als Tätigkeiten mit regelmässigem Kontakt zu Minderjährigen oder zu anderen besonders schutzbedürftigen Personen gelten:
a.
Tätigkeiten, die direkt und spezifisch gegenüber Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen ausgeübt werden, namentlich:
1.
Lehren oder Unterrichten,
2.
Erziehung oder Beratung,
3.
Betreuung oder Aufsicht,
4.
Pflege,
5.
körperliche Untersuchung oder Behandlung,
6.
psychologische Untersuchung oder Behandlung,
7.
Verpflegung,
8.
Transport,
9.
direkter Verkauf oder Verleih oder direkte Vermittlung von spezifisch für die Bedürfnisse von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen bestimmten Objekten, sofern dies die Haupttätigkeit der betreffenden Person darstellt;
b.
andere Tätigkeiten, die vor allem oder wiederholt in Einrichtungen ausgeübt werden, die Dienstleistungen nach Buchstabe a anbieten; ausgenommen sind Tätigkeiten, bei denen örtlich oder zeitlich sichergestellt ist, dass kein Kontakt zu Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürften Personen stattfinden kann.
6 Als besonders schutzbedürftig gelten Personen, die aufgrund ihres Alters, einer Krankheit oder einer langfristigen körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung bei alltäglichen Verrichtungen oder in ihrer Lebensführung auf fremde Hilfe angewiesen sind.
Beurteilung durch die Vorinstanz
Die Vorinstanz leget ihrer Beurteilung die Schuldsprüche und den entsprechenden in Rechtskraft erwachsenen Sachverhalt der ersten Instanz zugrunde. Danach hat der Beschuldigte vor dem 21. Dezember 2020 verschiedene verbotene Dateien auf seine zwei Mobiltelefone heruntergeladen, darunter 4 Bild- und 2 Filmdateien von eindeutig unter 18-jährigen Mädchen in sexuell aufreizender Pose mit Fokus auf deren Geschlechtsteil sowie von einem eindeutig unter 18-jährigen Jungen beim Sexualverkehr mit einem Huhn bzw. einer Ziege. Weiter seien auf den Telefonen eine Bild- und eine Filmdatei mit sexualbezogenen Handlungen mit Tieren gefunden worden. Schliesslich habe der Beschwerdeführer am 21. Dezember 2020 zwei Bilddateien kinderpornografischen Inhalts (eindeutig unter 18-jährige Mädchen in sexuell aufreizenden Posen mit Fokus auf deren Geschlechtsteil) auf sein Dropbox-Konto heruntergeladen. Der Beschuldigte sei am 8. Juni 2021 anlässlich der Hausdurchsuchung im Besitz der genannten Dateien gewesen.
Die Vorinstanz erwog zur Frage der Verhältnismässigkeit eines Tätigkeitsverbots, der Beschuldigte habe bisher weder eine Arbeitsstelle gehabt, welche den Kontakt zu Kindern umfasse, noch habe er eine solche angestrebt. An der Berufungsverhandlung habe er angegeben, dass er sich selbstständig machen und eine Ausbildung zum Lehrmeister absolvieren wolle. Das Tätigkeitsverbot könne sich auf diese Pläne auswirken. Der Beschuldigte sei mit 25 Jahren noch jung, weshalb sich ein Tätigkeitsverbot lange Zeit auswirke. Indessen sei die Argumentation nicht stichhaltig, wonach er weder selbst pornografisches Material produziert, noch Kinder missbraucht habe. Für ein Tätigkeitsverbot sei ein Verstoss gegen Art. 197 Abs. 4 StGB ausreichend. Unter dem Titel des besonders leichten Falls führte die Vorinstanz aus, es handle sich um offenkundig pornografische Darstellungen von ca. acht- bis zehnjährigen Mädchen. Die Angabe, er habe die Bilder gespeichert, um sie bei der Polizei zur Anzeige zu bringen, wertete die Vorinstanz angesichts verschiedener Aussagen des Beschwerdeführers als unglaubhaft. Es sei weder von einem singulären Vorfall aus Dummheit noch aus jugendlichem Leichtsinn auszugehen. Beim Beschuldigten seien sodann nicht bloss die inkriminierten Dateien entdeckt worden. Vielmehr habe der Beschuldigten auch über 64 Bilder mit „Präferenzindikatoren“, d.h. mit Bildern von körperlich noch nicht entwickelten acht- bis zehnjährigen leicht bekleideten Mädchen in sexuell aufreizenden Posen verfügt, welche fraglos für pädosexuelle Zwecke erstellt worden seien. Dies gelte, auch wenn dort die Geschlechtsteile – teils nur knapp – nicht sichtbar gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe zahlreiche Bilder mit pornografischem Inhalt von noch nicht entwickelten Mädchen auf verschiedenen Speichermedien besessen. Es handle sich nicht um einen besonders leichten Fall nach Art. 67 Abs. 4bis StGB.
Beurteilung durch das Bundesgericht
Gemäss Bundesgericht (BGer 7B_479/2023 vom 21. November 2023) erfüllte der Beschuldigte unstreitig die Voraussetzungen für ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot nach Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB, da er wegen eines darin genannten Katalogdelikts verurteilt wurde. Mit der Vorinstanz handelt es sich nicht um einen leichten Fall nach Art. 67 Abs. 4bis StGB. Die Tatumstände (insbesondere das Herunterladen mehrerer Bilder und Filmdateien mit harter Pornografie) sowie die ausgesprochene Strafe, in welcher sich das Verschulden widerspiegelt, sprechen gegen einen eigentlichen Bagatellfall. Dies gelte umso mehr, als dass ein strenger Massstab angezeigt sei. Schliesslich hat die Vorinstanz dem Beschuldigten angesichts der zahlreichen weiteren aufgefundenen Dateien mit „Präferenzindikatoren“ zu Recht keine gute Prognose attestiert. Die kumulativen Voraussetzungen für die Annahme eines leichten Falls liegen nicht vor.
Autor: Nicolas Facincani
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