Unter dem geltenden Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist die Nichteinhaltung von Arbeitsbedingungen gemäss Artikel 7 UWG nicht strafrechtlich verfolgbar. Die parlamentarische Initiative 21.470 von Nationalrat Benjamin Roduit verlangt, dies zu ändern und die Nichteinhaltung von Arbeitsbedingungen in die Liste der Verhalten aufzunehmen, die gemäss Artikel 23 UWG auf Antrag strafbar sind.
In Erfüllung der parlamentarischen Initiative 21.470 legt die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates nun einen Vorentwurf zum Erlass eines neuen Artikel 7a VE-UWG vor, der genügend bestimmt ist, um ein konkret bestimmtes Verhalten als strafbar zu erklären. So wird nach Artikel 7a VE-UWG die Nichteinhaltung von Arbeitsbedingungen, von denen nicht zuungunsten der Arbeitnehmenden abgewichen werden darf, sowie die Nichtbezahlung von geldwerten Leistungen zugunsten der Arbeitnehmenden unlauter und auf Antrag strafbar.
Die Vernehmlassung dauert bis am 20. August 2025.
Geltendes Recht
Nach Artikel 7 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 19. Dezember 19864 (UWG) gilt die Nichteinhaltung von Arbeitsbedingungen als unlauterer Wettbewerb. Dabei handelt es sich ausschliesslich um Bedingungen, die die Erbringung von unselbständigen Dienstleistungen für einen Arbeitgebenden betreffen. Die missachteten Bedingungen müssen einen spezifischen Bezug zum Arbeitsverhältnis und seinem Inhalt aufweisen. Erfasst werden können grundsätzlich alle Bedingungen, die die Erbringung, den Modus und die Vergütung unselbständiger Arbeitsleistung betreffen.
Im Sinne von Artikel 7 UWG können bezüglich Erbringung und Modus unselbständiger Arbeitsleistung folgende Bestimmungen erfasst werden (vgl. hierzu den Erläuternden Bericht):
- Zwingende Bestimmungen des OR zum Kündigungs- und Gesundheits-schutz sowie zum Ferienanspruch;
- Zwingende Bestimmungen des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (ArG), vor allem zum Gesundheitsschutz, zur Arbeits- und Ruhezeit sowie zum Schutz besonderer Arbeitnehmergruppen;
- Zwingende Bestimmungen des Heimarbeitsgesetzes vom 20. März 1981 (HArG);
- Zwingende Sicherheits- und Hygienevorschriften (z.B. gewerbepolizeiliche Sicherheitsvorschriften sowie Vorschriften der Verordnung über Unfallverhütung vom 19. Dezember 1983 (VUV));
- Zwingende Vorschriften des Ausländer- und Integrationsgesetzes vom 16. Dezember 2005 (AIG).
Die Strafbestimmungen im Artikel 23 des UWG regeln die strafrechtlich verfolgbaren Tatbestände im Zusammenhang mit unlauterem Wettbewerb. Es handelt sich um die Spezialtatbestände, welche in Art. 3, 4, 5 und 6 UWG geregelt sind. Die Nicht-einhaltung von Arbeitsbedingungen (Art. 7) ist im Artikel 23 nicht erfasst.
In verschiedenen, teilweise zivilrechtlich und teilweise öffentlich-rechtlich ausgerichteten Regelungen sind hingegen bereits Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmenden enthalten, die Strafbestimmungen aufweisen (vgl. hierzu den Erläuternden Bericht):
- Der Verstoss gegen Bestimmungen von Normalarbeitsverträgen (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen gemäss Art. 360a OR kann heute bereits sowohl mit einer Verwaltungssanktion gemäss Art. 9 Abs. 2 Bst. f des Entsendegesetzes vom 8. Oktober 1999 (EntsG) geahndet werden, als auch mit strafrechtlichen Sanktionen gemäss Art. 12 Bst. d EntsG.
- Bei allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (GAV) wird die Nichteinhaltung von Bestimmungen durch die paritätische Kommission (bestehend aus den Sozialpartnern) im Rahmen des GAV-Vollzugs kontrolliert. Die Finanzierung des Vollzugs wird paritätisch getragen. Bei Verstössen können die privatrechtlich vereinbarten Konventionalstrafen ausgesprochen werden.
- Das ArG enthält in Art. 59 Bestimmungen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers.
- Das HArG enthält in Art. 12 Strafbestimmungen.
- Das Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 20. März 1981 (UVG) enthält in Art. 112 Strafbestimmungen.
- Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 194619 (AHVG) enthält in Art. 87 Strafbestimmungen.
- Im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen vom 21. Juni 2019 (BöB) fehlen zwar Strafbestimmungen, indessen kann gemäss Art. 44 BöB eine Anbieterin z.B. von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen oder ein ihr bereits erteilten Zuschlag widerrufen werden, wenn beispielsweise festgestellt wird, dass sie die Arbeitsschutzbestimmungen oder Arbeitsbedingungen missachtet (hat). Es könnte für Widerhandlungen im Sinne von Art. 44 BöB neu eine Strafbestimmung eingefügt werden.
Geplante Regelung
Gemäss Vernehmlassungsentwurf ist die folgende Regelung geplant:
Art. 7a VE-UWG Nichteinhaltung von Arbeitsbedingungen im Besonderen
Unlauter handelt insbesondere, wer den lauteren und unverfälschten Wettbewerb beeinflusst, indem er:
a. gegen Bestimmungen in Gesetzen, Verordnungen, Gesamtarbeitsverträgen oder Normalarbeitsverträgen verstösst, die dem Schutz von Arbeitnehmenden dienen und von denen nicht zuungunsten der Arbeitnehmenden abgewichen werden darf;
b. Löhne, Lohnzuschläge, Sozialversicherungsbeiträge oder andere geldwerte Leistungen zugunsten von Arbeitnehmenden nicht bezahlt.
Artikel 7a VE-UWG bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb davor zu schützen, dass Unternehmen Aufträge gewinnen, weil sie aufgrund einer Verletzung von zwingenden Schutzvorschriften oder der Nichtbezahlung geldwerter Leistungen zugunsten ihrer Arbeitnehmenden tiefere Preise anbieten können als konkurrierende Unternehmen, die sich korrekt verhalten. Es soll verhindert werden, dass Unternehmen benachteiligt werden, die sich an zugunsten von Arbeitnehmenden erlassene zwingende Vorschriften halten, und es somit zu einer Marktverzerrung kommt.
Die Kommission möchte allerdings vermeiden, dass das Nichteinhalten zwingender zivilrechtlicher Bestimmungen des Obligationenrechts in sämtlichen Fällen gleichzeitig einen Strafverstoss mit sich zieht. Um zu verdeutlichen, dass die Verletzung der Arbeitsbedingungen den lauteren und unverfälschten Wettbewerb beeinflussen muss, schlägt die Kommission daher vor, in Artikel 7a VE-UWG diese gemäss dem Zweckartikel von Artikel 1 UWG ohnehin für sämtliche Spezialtatbestände des UWG geltende Prämisse zu wiederholen (wer den lauteren und unverfälschten Wettbewerb beeinflusst).
Betroffene Bestimmungen
Die Verletzung folgender Bestimmungen könnte sich somit künftig als strafrechtlich relevant erweisen, wenn damit der lautere und unverfälschte Wettbewerb beeinflusst wird:
- Bestimmungen des OR, von welchen gemäss Art. 361 und Art. 362 OR nicht zuungunsten von Arbeitnehmenden abgewichen werden darf;
- Bestimmungen eines GAV oder eines allgemeinverbindlich erklärten GAV über die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz;
- Zwingende Bestimmungen des ArG, v.a. zum Gesundheitsschutz, zur Arbeits- und Ruhezeit sowie zum Schutz besonderer Arbeitnehmergruppen;
- Zwingende Bestimmungen des HArG;
- Zwingende Sicherheits- und Hygienevorschriften (z.B. gewerbepolizeiliche Sicherheitsvorschriften sowie Vorschriften der VUV);
- Zwingende Vorschriften des AIG.
- Nichtbezahlen von Löhnen, Lohnzuschlägen, Sozialversicherungsbeiträge oder andere geldwerte Leistungen zugunsten von Arbeitnehmenden.
Sollte die Regelung so wie vorgeschlagen angenommen werden, wäre wohl jedem Arbeitnehmer zu empfehlen, im Rahmen eines Rechtsstreites mit dem Arbeitgeber betreffend einer der vorgenannten Punkte, zusätzlich einen Strafantrag, um den Druck zu erhöhen. So etwas bei einer Lohnklage: Wir der Lohn nicht bezahlt, würde sich empfehlen, neben Betreibung, Friedensrichterbegehren und Klage zusätzlich einen Strafantrag zu stellen. Ob es dann zu einer Verurteilung kommt (und Vorsatz nachgewiesen werden kann), spielt eigentlich keine Rolle, der Arbeitnehmer hat auf jeden Fall ein zusätzliches Druckmittel in der Hand.
Autor: Nicolas Facincani
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