Per 1. Januar 2011 wurden die 26 kantonale Zivilprozessordnungen durch die eidgenössische Zivilprozessordnung (ZPO) ersetzt und die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des OR gestrichen und in die ZPO übernommen. Mit der ZPO wurde erstmals in der Schweiz das Zivilprozessrecht vereinheitlicht d.h. einheitliche Prozessregeln eingeführt.

Hingegen bleibt es Sache der Kantone, die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte, abgesehen von gewissen Sonderregelungen, zu regeln. So können z.B. die Kantone selbst bestimmen, ob sie spezialisierte Arbeitsgerichte vorsehen wollen oder nicht. Hingegen ist die örtliche Zuständigkeit in der ZPO geregelt.

 

Gerichtstand

Grundsätzlich gilt der Grundsatz, dass eine Klage am Sitz der beklagten Partei zu erheben ist, sofern die ZPO für eine Streitigkeit nicht einen besonderen Gerichtsstand vorsieht.

Solche besonderen Gerichtstände sieht die ZPO für das Arbeitsrecht wie folgt vor:

  • Für arbeitsrechtliche Streitigkeit sind die Gerichte am Sitz der beklagten Partei oder am Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, zuständig (Art. 34 Abs. 1 ZPO).
  • Ist ein Arbeitnehmer für eine Zweigniederlassung tätig, kann eine Klage durch den Arbeitnehmer zusätzlich am Sitz der Zweigniederlassung erhoben werden.
  • Im Falle einer Klage durch eine stellensuchende Person oder eines Arbeitnehmers, die sich auf das Arbeitsvermittlungsgesetz (AVG) stützt, ist zusätzlich zu den vorgenannten Gerichtsständen das Gericht am Ort der Geschäftsniederlassung der vermittelnden oder verleihenden Person, mit der der Vertrag abgeschlossen wurde, zuständig (Art. 34 Abs. 2 ZPO).

Arbeitnehmer oder Stellensuchende können nicht zum Voraus auf einen Gerichtstand verzichten (Art. 35 Abs. 1 ZPO). Auch der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung ist erst nach Entstehen der Streitigkeit möglich. Es ist also nicht möglich, im Rahmen eines Arbeitsvertrages von den vorgenannten Gerichtständen zulasten des Arbeitnehmers abzuweichen.

 

Wo arbeitet der Aussendienstmitarbeiter?

Im Entscheid 4A_527/2018 vom 14. Januar 2019 des Bundesgericht hatte sich dieses mit dem zuständigen Gericht bei der Klage eines Aussendienstmitarbeiters auseinanderzusetzen.

Der Arbeitgeber hatte seinen Sitz in Opfikon im Kanton Zürich und hatte eingetragene Zweigniederlassungen in den Kantonen Luzern, Freiburg und St. Gallen. Der Arbeitnehmer war als Aussendienstmitarbeiter (“représentant” bzw. “account manager”) angestellt und wohnte in Conthey im Kanton Wallis. Er war für die dortigen Kundenbeziehungen verantwortlich. Im Rahmen einer Streitigkeit aus missbräuchlicher Kündigung leitete der Mitarbeiter Klage im Wallis ein, an seinem Wohnsitz. Der Arbeitgeber bestritt die Zuständigkeit. Das Bundesgericht schützte den Gerichtsort im Wallis.

Das Bundesgericht hielt das Folgende fest:

  • dass der Gerichtsstand am Ort, wo der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, keine festen Betriebseinrichtungen des Arbeitgebers voraussetzt;
  • der Arbeitsort ist dort, wo der Arbeitnehmer grösstenteils seine Arbeitszeit leistet bzw. dort, wo sich effektiv das Zentrum der Arbeitsaktivitäten befindet;
  • es ist auf die qualitative Wichtigkeit des Arbeitsortes im Hinblick auf die Arbeitsleistung abzustellen.

Aufgrund dieser Überlegung hat es das Bundesgericht als zulässig erachtet, dass der Arbeitnehmer in konkreten Fall an seinem Wohnort klagte.

 

Gerichtsstandsvereinbarbarungen

Nach der ZPO kann die stellensuchende oder arbeitnehmende Partei nicht zum Voraus oder durch Einlassung auf die Gerichtsstände nach Art. 34 ZPO (Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder gewöhnlicher Arbeitsort) verzichten (siehe auch oben). Einseitig begünstigende Gerichtsstandsvereinbarungen, die der sozial schwächeren Partei einen zusätzlichen Gerichtsstand zur Verfügung stellen, sind unter dem Gesichtswinkel des Sozialschutzes aber unbedenklich und daher analog  als zulässig zu erachten, obwohl die ZPO keine entsprechende explizite Regelung kennt. Im Voraus getroffene Gerichtstandsabreden erweisen sich daher in einem solchen Fall zugunsten des sozial Schwächeren nicht als nichtig, sondern als für den Arbeitnehmer einseitig unverbindlich.
Im Entscheid BGE 4A_291/2018 vom 10. Januar 2019 hatte sich das Bundesgericht mit der folgenden Gerichtsstandsklausel auseinanderzusetzen:
„Bei allfälligen Streitigkeiten sind die ordentlichen Gerichte am Sitz des Arbeitgebers und/oder am Wohnsitz des Arbeitnehmers zuständig“.
Der Arbeitnehmer klagte an seinem Wohnort, was gemäss Bundesgericht in Übereinstimmung der vorgenannten Regel als zulässig erachtet wurde, obwohl die Vereinbarung Art. 34 ZPO (Klage am Sitz der Gegenpartei oder am Arbeitsort) widersprach. Dies weil zugunsten des Arbeitnehmers von Art. 34 ZPO abgewichen wurde und dieser sich deshalb darauf berufen durfte.

 

Nicolas Facincani