Gemäss Art. 2 des Gleichtstellungsgesetzes (GlG) dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. Das GlG verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben. Das Verbot erstreckt sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis (insbesondere auf die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung) und bezieht sich auf direkte und indirekte Diskriminierungen. Eine – nicht sofort ersichtliche – indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung geschlechtsneutral abgefasst ist, in ihren Wirkungen aber das eine Geschlecht erheblich benachteiligt. Wichtig dabei: Frau und Mann werden gleichermassen geschützt! Der Gesetzestext schützt somit direkt vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Geht man nur vom Gesetzeswortlaut aus, findet das GlG nicht Anwendung bei Diskriminierung aufgrund von Homo- und Bisexualität und Transidentität. Das Bundesgericht stimmt dem in einem neusten Entscheid (BGer 8C/2018 vom 5. April 2019) zu in Bezug auf die Homosexualität. Die bisherige Praxis der Schlichtungsbehörden und die Mehrheit der juristische Lehre gehen aber weiter.

 

Die juristischen Meinungen

In der juristischen Lehre sind die Meinungen diesbezüglich gemacht. Fast einhellig wird die Meinung vertreten, Transidentität sei durch das GlG geschützt. In Bezug auf Homo- und Bisexualität sind die Meinungen etwas differenzierter, wobei sich auch hier die Mehrheit der Autoren für die Anwendbarkeit des GlG ausprechen (vgl. hierzu etwa Karin Lempen/Aner Voloder, Aktuelle Entwicklungen rund um das Gleichstellungsgesetz, in: SJZ 114/2018, S. 86 f.).

 

Die Praxis

Das Bundesgericht

Das Bundesgericht hat in BGer 8C/2018 vom 5. April 2019 festgehalten, dass eine direkte Diskriminierung gemäss Art. 3 Abs. 1 GlG aufgrund der sexuellen Orientierung ausser Betracht fällt. Für eine direkte Diskriminierung fehlt es in solchen Fällen an der erforderlichen Geschlechtsspezifität. Diese Betrachtungsweise steht auch mit dem Zweck des GlG (tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann) sowie dem Wortlaut der Bestimmung (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts) im Einklang. Denn eine Diskriminierung gilt nur dann als direkte, wenn sie sich auf die Geschlechtszugehörigkeit oder auf ein Kriterium stützt, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden kann, und wenn sie sich sachlich nicht rechtfertigen lässt. Erfolgt eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung einer Bewerberin oder eines Bewerbers, stützt sich diese gerade nicht auf die Geschlechtszugehörigkeit oder ein Kriterium, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden kann. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn ausschliesslich oder überwiegend Personen des einen Geschlechts wegen Homosexualität diskriminiert würden.

In Bezug auf Transidentität sind noch keine Entscheide ergangen.

 

Schlichtungsbehörden

Hingegen haben sich die Schlichtungsbehörden für die Anwendbarkeit des Gleichstellungsgesetzes im Zusammenhang mit Transidentität sowie auch Homosexualität ausgesprochen – in Bezug auf Homosexualität dürfte die Praxis aufgrund des zuvor dargelegten Entscheides angepasst werden.

Nachfolgend wird die bisherige Praxis der Schlichtungsbehörden in Bezug auf Homo- und Bisexualität und Transidentität dargelegt:

Fall AG Nr. 39 (Erwägungen zitiert nach www.gleichstellungsgesetz.ch): „Die Schlichtungsstelle kommt zum Schluss, dass, da die Abwesenheiten die Folge einer Geschlechtsanpassung waren, dies gleich zu beurteilen ist, wie wenn die Kündigung wegen der Geschlechtsanpassung selbst erfolgt wäre. Aus diesem Grund liegt für die Schlichtungsstelle eine diskriminierende Kündigung vor.“

Fall AG Nr. 46 (Sachverhalt zitiert nach www.gleichstellungsgesetz.ch): „Der Gesuchsteller gelangt am 27. Januar 2014 an die Schlichtungsbehörde und macht geltend, wegen seiner Homosexualität von einer Personalvermittlungsfirma nicht weitervermittelt worden zu sein und verlangt eine Entschädigung. Die Schlichtungsbehörde stellt die Klagebewilligung aus.“

Fall AG Nr. 53 (Erwägungen zitiert nach www.gleichstellungsgesetz.ch): „Die Schlichtungsstelle kommt zum Schluss, dass die anstehenden Operationen sicher im Zusammenhang mit der Kündigung gesehen werden müssen. Sie würdigt zwar die Tatsache, dass die Mitarbeiterin bereits einige Jahre als Frau im Betrieb tätig gewesen ist, ohne irgendwelche Nachteile erlebt zu haben. Erst bei den anstehenden Operationen erhält sie die Kündigung. Da aber die Operationen im Zusammenhang mit der Geschlechtsanpassung nötig sind, beurteilt die Schlichtungsstelle die Kündigung als missbräuchlich.“

Fall BE Nr. 83 (Sachverhalt zitiert nach www.gleichstellungsgesetz.ch): „Die Apothekerin eines Spitals erhält während ihrer Transition zur Frau die Kündigung. Ihre Vorgesetzte (die Chefapothekerin des Spitals) teilt darauf hin allen Spitalapotheken der ganzen Schweiz per Mail mit, dass sich die Gesuchstellerin in Transition zur Frau befindet. Die Gesuchstellerin gelangt an die Schlichtungsstelle und verlangt eine Entschädigung wegen diskriminierender Kündigung. Die Parteien einigen sich auf einen Vergleich und die Gesuchstellerin erhält eine Genugtuung von 30’000 Franken, ein angemessenes Arbeitszeugnis sowie ein Entschuldigungsschreiben.“

Fall TG Nr. 17 (Sachverhalt zitiert nach www.gleichstellungsgesetz.ch): „Eine Maschinenführerin wird nach ihrem Coming-Out als Transfrau von ihrer Arbeitgeberin diskriminiert. Ihre Transidentität wird nicht anerkannt, so dass sie weder die Damentoilette benutzen darf, noch mit ihrem neuen, weiblichen Vornamen angesprochen wird. Als sie sich über die schwierigen Arbeitsumstände beschwert, erhält sie die Kündigung. Daraufhin macht sie bei der Schlichtungsbehörde diskriminierende Kündigung gemäss Art. 3 Abs. 3 Gleichstellungsgesetz geltend und fordert Entschädigung gemäss Art. 10 Abs. 2 Gleichstellungsgesetz und Genugtuung gemäss Art. 5 Abs. 5 Gleichstellungsgesetz. Die ehemalige Arbeitgeberin bestreitet die Vorwürfe vollumfänglich und gibt an, nicht die Transidentität sei Grund für die Kündigung gewesen, sondern schlechte Arbeitsleistungen. Die Schlichtungsbehörde bestätigt die Anwendbarkeit des Gleichstellungsgesetzes auf den Fall, erzielt aber keine Einigung. Vor dem Bezirksgericht einigen sich die Parteien auf einen Vergleich.“

Fall ZH Nr. 71 (Erwägungen zitiert nach www.gleichstellungsgesetz.ch): „Die Frage nach der sexuellen Ausrichtung im Bewerbungsgespräch war unzulässig und diskriminierend im Sinne des Gleichstellungsgesetzes. In den Augen der Schlichtungsstelle kann der Zusammenhang zwischen der unzulässigen Frage und der Absage nicht zweifelsfrei verneint werden. Also tragen beide Parteien ein gewisses Prozessrisiko.“

Fall ZH Nr. 165 (Sachverhalt zitiert nach www.gleichstellungsgesetz.ch): „Eine Gastrofachfrau bewirbt sich um eine Stelle in einer grösseren Gemeinde. Sie wird bei der Auswahl in die engste Wahl gezogen. Kurz darauf erhält sie eine telefonische Absage, die mit der Geschlechtsangleichung der Bewerberin begründet wird. Als die Bewerberin vom Betrieb eine diskriminierungsfreie Behandlung im Auswahlverfahren verlangt, wird die Absage zurückgezogen. Sie absolviert den zweiten Schnuppertag, erhält aber die Stelle nicht. Die Schlichtungsstelle geht von Anstellungsdiskriminierung aus (Art. 3 Gleichstellungsgesetz), für die eine Entschädigung auszurichten sei (Art. 5 Abs. 3 Gleichstellungsgesetz). Der Umstand, dass der Betrieb sich bei der Klägerin entschuldigt und sie wieder ins Bewerbungsverfahren aufgenommen habe, ändere nichts an der Diskriminierung. Der Vorschlag einer Entschädigung von zwei Monatslöhnen wird von beiden Parteien angenommen.“

Autor: Nicolas Facincani