Am 1. Januar 2020 tritt die Revision des privatrechtlichen Verjährungsrechts in Kraft. Dieses Gesetzgebungsprojekt nahm mehr als zehn Jahre in Anspruch und wurde im Parlament und in der Öffentlichkeit breit und teilweise auch sehr emotional diskutiert. Verabschiedet wurde ein Paket mit vielen in der Praxis sehr relevanten Änderungen, namentlich bei Personenschäden oder bezüglich der Form und Gültigkeit von Verzichtserklärungen.

Hintergrund für die umfassende Revision des zivilrechtlichen Verfahrensrechts waren Schwierigkeiten bei der Interpretation bzw. praktischen Umsetzung des aktuellen Gesetzestextes (z.B. beim Verjährungsverzicht), unterschiedliche Verjährungsfristen im Obligationenrecht und in Spezialerlassen (z.B. Verjährung bzw. Verwirkung der Staatshaftung in fünf Jahren statt zehn Jahren) sowie das Thema der Langzeitschäden bzw. erst spät auftretenden Personenschäden (z.B. bei asbestbedingten Krankheiten). Die Diskussionen und das Differenzbereinigungsverfahren zwischen National- und Ständerat waren langwierig und so wurde der Gesetzesentwurf des Bundesrats vom 29. November 2013 im Parlament ausführlichst debattiert und wäre fast gar nicht zustande gekommen. Erst am 15. Juni 2018 hat das Parlament das neue Verjährungsrecht, das in verschiedenen Punkten vom Entwurf abweicht, verabschiedet. Die wichtigsten Änderungen zu den Verjährungsbestimmungen im Obligationenrecht werden nachstehend erläutert.

 

Verjährung der Haftung für unerlaubte Handlung

Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung bei unerlaubter Handlung (Deliktshaftung) verjährte bis anhin innert einem Jahr ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (relative Frist), jedenfalls aber innert zehn Jahren ab dem schädigenden Ereignis (absolute Frist). Art. 60 OR wird nun dahingehend angepasst, dass die relative Frist generell drei Jahre beträgt und die absolute Frist (unverändert zehn Jahre) mit Ablauf des Tages beginnt, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte. Ein Verhalten kann sowohl ein Tun, aber auch ein Unterlassen sein.

Bei Personenschäden, d.h. Tötung eines Menschen oder Körperverletzung, beträgt die relative Verjährungsfrist ebenfalls drei Jahre, doch wurde die absolute Verjährungsfrist auf zwanzig Jahre verdoppelt, die mit Vornahme bzw. Beendigung der schädigenden Handlung zu laufen beginnen. Wenn beispielsweise in widerrechtlicher Weise der Schutz von Arbeitnehmern vernachlässigt wurde und diese dadurch erkranken, gilt eine absolute Verjährungsfrist von zwanzig Jahren ab Installation der notwendigen Schutzvorkehrungen (d.h. ab Beendigung der Unterlassung).

Nach wie vor gilt aber, dass die Verjährungsfrist länger ist bei Schädigungen infolge strafbarer Handlungen, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorschreibt. Die strafrechtliche Verfolgungsverjährungsfrist ist dann auch auf den zivilrechtlichen Anspruch aus derselben Handlung anwendbar. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der zivilrechtliche Anspruch frühestens nach drei Jahren ab Urteilseröffnung.

 

Verjährung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung

Auch der Bereicherungsanspruch nach Art. 67 Abs. 1 OR verjährt neu mit Ablauf von drei Jahren (statt bisher einem Jahr) ab Kenntnis des Anspruchs durch den Berechtigten (relative Verjährungsfrist). Die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren seit Entstehung des Anspruchs bleibt unverändert.

 

Allgemeine Verjährungsfristen bei Vertragshaftung

Gemäss Art. 127 OR verjähren alle zivilrechtlichen Forderungen nach zehn Jahren, sofern das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt. Zudem enthält Art. 128 OR eine Liste von Forderungen, die bereits nach fünf Jahren (statt nach zehn Jahren) verjähren, so beispielsweise Forderungen für Mietzinse, Handwerksarbeit, Arbeiten von Anwälten oder aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern. Die Verjährung beginnt mit der Fälligkeit der Forderung (Art. 130 Abs. 1 OR). Diese Bestimmungen bestehen alle so weiter und werden durch die Revision nicht verändert.

Dafür wird ein neuer Art. 128a OR ins Gesetz eingefügt. Dieser sieht vor, dass Forderungen auf Schadenersatz oder Genugtuung aus vertragswidriger Körperverletzung oder Tötung eines Menschen nach drei Jahren ab Kenntnis des Geschädigten vom Schaden (relative Verjährungsfrist), spätestens jedoch nach zwanzig Jahren ab dem Tag, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte, (absolute Verjährungsfrist) verjährt. Auch bei der Vertragshaftung besteht somit eine doppelt so lange absolute Verjährungsfrist bei Personenschäden. Neu ist zudem das System einer relativen Frist bei vertraglichen Ansprüchen. Diese gilt jedoch nur bei den Personenschäden, so dass es sein kann, dass die Forderung aus Vertrag bezüglich eines Sachschadens zehn Jahre beträgt, aber der Anspruch wegen eines Personenschadens aufgrund des gleichen Vorfalls innert dreier Jahre ab Kenntnis vom Schaden schon verjährt ist.

 

Verjährungshemmung und Verjährungsunterbrechung

Art. 134 OR regelt die Gründe für eine Verjährungshemmung, d.h. bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen beginnt die Verjährung nicht bzw. steht still, falls sie begonnen hat. Dies ist unter anderem schon jetzt der Fall, wenn die Forderung aus objektiven Gründen nicht vor Gericht geltend gemacht werden kann. Bis anhin musste dies ein schweizerisches Gericht sein. Neu ist zu beachten, dass die Geltendmachung vor allen schweizerischen und ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten unmöglich sein muss. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die Geltendmachung einer Forderung im Ausland schwieriger und kostspieliger sein kann. Zudem wurden zwei neue Gründe für eine Verjährungshemmung eingefügt: bezüglich Forderungen des Erblassers oder gegen diesen während der Dauer des öffentlichen Inventars (zuvor in Art. 586 Abs. 2 ZGB geregelt) und während der Dauer von Vergleichsgesprächen, eines Mediationsverfahrens oder anderer Verfahren zur aussergerichtlichen Streitbeilegung, sofern die Parteien dies schriftlich vereinbaren. Diese neue Bestimmung ist in der Praxis sehr relevant und soll helfen, dass nicht vorsorglich Gerichtsverfahren begonnen werden. Die Parteien sollen genügend Zeit für eine aussergerichtliche Einigung haben. Allerdings sind praktische Probleme bei der Umsetzung dieses Verjährungshemmungsgrundes absehbar. Namentlich wird es schwierig sein, zu ermitteln, wann genau die Vergleichsgespräche endeten und die Verjährung wieder zu laufen beginnt. Es ist daher in Zukunft besonders wichtig, dass nicht nur der Beginn der Vergleichs­gespräche und der Stillstand der Verjährung während dieser Zeit in Schriftform vereinbart werden, sondern auch deren Beendigung schriftlich, oder zumindest in beweisbarer Form, mit Datum festgehalten und der Gegenseite kommuniziert wird.

Während die Gründe der Verjährungsunterbrechung (Art. 135 OR) unverändert bleiben, werden die Wirkungen der Verjährungsunterbrechung unter Mitverpflichteten (Art. 136 OR) konkretisiert bzw. klarer formuliert und wird klargestellt, dass die Unterbrechung gegenüber dem Versicherer auch gegenüber dem Haftpflichtigen gilt und umgekehrt.

 

Verjährungsverzicht

Art. 141 OR wird praktisch komplett neu formuliert und wird auch in der Marginale neu korrekt mit «Verzicht auf die Verjährungseinrede» bezeichnet.

Zu beachten ist hierbei, dass gemäss dem neuen Abs. 1bis von Art. 141 OR der Verjährungsverzicht schriftlich zu erfolgen hat. Das heisst, dass eine eigenhändige Unterschrift des Verzichtenden notwendig ist. Unzulässig ist ferner die Verzichtserklärung in AGBs durch die Gegenpartei des AGB-Verwenders.

Auf die Verjährungseinrede kann frühestens ab Beginn der Verjährung verzichtet werden. Dies entspricht jedoch nicht der bisherigen bundesgerichtlichen Praxis, welche einen Verjährungsverzicht ab dem Zeitpunkt der Entstehung der Forderung zuliess. Neu muss die Verjährung begonnen haben, was nicht immer einfach zu eruieren ist (z.B. bei den relativen Verjährungsfristen, die Kenntnis des Schadens voraussetzen, was bspw. bei Folgen eines Unfalls nicht immer ganz klar ist).

Die Maximaldauer des Verzichts beträgt zehn Jahre. Dies Dauer bezieht sich auf eine konkrete Verzichtserklärung, d.h. vor Ablauf der Frist kann eine neue Verzichtserklärung über eine weitere Periode von maximal zehn Jahren eingeholt werden. Wichtig wird in der Praxis sein, die Frist in der Verzichtserklärung klar festzuhalten.

Wie die Verjährungsunterbrechung gilt der Verjährungsverzicht gegenüber dem Versicherer auch gegenüber dem versicherten Schuldner und umgekehrt.

 

Verantwortlichkeitsklagen

Zusätzlich zu den verjährungsrechtlichen Bestimmungen im Allgemeinen Teil des Obligationenrechts, wie sie oben beschrieben sind, wurden die Bestimmungen zur Verjährung bei Verantwortlichkeitsklagen gegen Organe (Art. 760 OR bei der AG und Art. 919 OR bei der Genossenschaft) bzw. Regressforderungen gegen Genossenschafter (Art. 878 OR) leicht abgeändert. Es bestehen nach wie vor eine relative Verjährungsfrist von fünf Jahren und eine absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren, doch wurde auch hier klargestellt, dass diese im Zeitpunkt beginnen, in welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte und dass sich bei einem strafrechtlich relevanten Verhalten die Frist eventuell verlängert, wie bei Art. 60 OR (s. oben). Zu beachten ist hierbei, dass über die entsprechenden Verweise in Art. 827 OR und Art. 764 Abs. 2 OR diese Regelung auch für die GmbH und die Kommandit-AG gilt.

 

Weitere Änderungen

Hinzu kommen die Änderungen ausserhalb des Obligationenrechts, so beispielsweise im  Zivilgesetzbuch, im Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz oder im Verantwortlichkeitsgesetz. Insgesamt erfahren nicht weniger als dreissig Bundesgesetze Anpassungen der Verjährungsbestimmungen.

 

Übergangsfristen

Die Übergangsregeln sind im neuen Art. 49 SchlT ZGB festgehalten. Sofern das neue Recht eine längere Frist vorsieht als das bisherige Recht, so gilt das neue Recht – allerdings nur, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens, d.h. am 1. Januar 2020, die Verjährung nach dem alten Recht noch nicht eingetreten ist. Es ändert sich aber nur die Dauer, nicht jedoch der Zeitpunkt, in welchem die Frist zu laufen begonnen hat. Wenn das neue Recht eine kürzere Frist bestimmt, so gilt das bisherige Recht weiter. Sind also beispielweise bei einer Forderung aus unerlaubter Handlung wegen Körperverletzung die zehn Jahre der absoluten Verjährungsfrist am 1. Januar 2020 noch nicht abgelaufen, so verlängert sich diese auf zwanzig Jahre, wobei die Dauer, die schon verstrichen ist, an diese zwanzig Jahre angerechnet wird.

Die Änderungen und Ergänzungen betreffend Verjährungshemmung, Verjährungsunterbrechung und Verjährungsverzicht gelten ab 1. Januar 2020. Für Tatsachen, die vor diesem Datum eingetreten sind, gilt jedoch das bisherige Recht weiter. Insbesondere bleiben Verjährungsverzichtserklärungen nach altem Recht auch nach neuem Recht gültig.

 

Weitere Beiträge zum Verjährungsrecht:

 

Autor: Maja Baumann