Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, Art. 321 StGB .

 

Schweigepflicht des Vertrauensarztes

In BGE 143 IV 209 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage zu befassen, ob auch ein Vertrauensarzt grundsätzlich der Schweigepflicht unterliegt und ob er sich bei Verletzung der Schweigepflicht nach Art. 321 StGB strafbar macht. Der betreffende Vertrauensarzt hatte nach einer vertrauensärztlichen Untersuchung dem Arbeitgeber die Diagnose mitgeteilt.

 

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer ermächtigte den Vertrauensarzt schriftlich, „zuhanden von Kostenträger (Krankenkasse, Unfallversicherung, IV, Taggeldversicherung, Behörden etc.) sowie Drittpersonen (Arbeitgeber etc.) ärztliche Zeugnisse zu verfassen“. Die Entbindung erfolgte im Rahmen einer vertrauensärztlichen Untersuchung, die von der Arbeitgeberin verlangt worden war. Der Arbeitnehmer ermächtigte den Arzt aber nicht ausdrücklich zur Mitteilung einer Diagnose.

 

Umfang von Art. 328b OR

Das Bundesgericht stellte klar dass eine solche Entbindung, diese Erklärung keine über den Rahmen von Art. 328b OR hinausgehende Information der Arbeitgeberin erlaubt. Aus Art. 328 OR folgt, dass der Arbeitgeber vom Vertrauensarzt nur diejenigen Angaben erheben darf, welche die Eignung des Arbeitnehmers für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Dazu gehören Tatsache, Dauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit sowie die Antwort auf die Frage, ob es sich um eine Krankheit oder einen Unfall handelt.

Die Diagnose dürfe indes nicht erhoben werden. Der Vertrauensarzt dürfe dem Arbeitgeber nur so weit Auskunft erteilen, als er vom Arztgeheimnis befreit ist, was in der Regel durch den Wunsch des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber ein Arztzeugnis zuzustellen, konkludent in dem durch Art. 328b OR abgesteckten Rahmen erfolge. Durch die vorliegende Erklärung des Arbeitnehmers habe dieser den Vertrauensarzt nicht umfassend vom Berufsgeheimnis befreit. Somit hätte die Diagnose nicht weitergegeben werden dürfen.

 

Entscheid

Der Arbeitnehmer habe den Vertrauensarzt nur ermächtigt, der Arbeitgeberin einen üblichen arbeitsrechtlichen Bericht zuzustellen, welcher ausschliesslich Angaben darüber enthalte, ob und in welchem Umfang eine Arbeitsunfähigkeit bestehe, wie lange diese dauern werde und inwiefern die allfällige gesundheitliche Einschränkung einen konkreten Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit habe. Der Beschwerdeführer habe den Tatbestand von Art. 321 StGB objektiv erfüllt, indem er der Arbeitgeberin weitergehende Informationen zukommen gelassen habe.

 

Berufe der Schweigepflicht nach StGB

Die Schweigepflicht nach Strafgesetzbuch (Artikel 321 StGB) gilt nur für die im Strafgesetzbuch aufgezählten Berufe. Es handelt sich um eine abschliessende Aufzählung. Es sind dies:
• Geistliche
• Rechtsanwälte
• Verteidiger
• Notare
• Patentanwälte
• nach Obligationenrecht zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren
• Ärzte
• Zahnärzte
• Chiropraktoren
• Apotheker
• Hebammen
• Psychologen

sowie ihre Hilfspersonen. Als solche kommen z.B. Krankenpfleger, medizinische Praxisassistenten und Ergo- und Physiotherapeuten in Frage. IT-Dienstleister (Unternehmen) stellen grundsätzlich keine Hilfspersonen gemäss Artikel 321 StGB dar.

 

Autor: Nicolas Facincani