Lange war unklar, ob eine Kündigung während der Probezeit überhaupt missbräuchlich sein kann und somit der sachliche Kündigungsschutz greift. In Bezug auf den zeitlichen Kündigungsschutz ist sämtlich explizit festgehalten, dass eine Kündigung erst nach Ablauf der Probezeit zur Unzeit erfolgen kann – bei der missbräuchlichen Kündigung fehlt eine explizit gesetzliche Regelung. Im Bundesgerichtsentscheid BGE 134 III 108 hat sich das Bundesgericht erstmals dazu geäussert und die Anwendbarkeit des sachlichen Kündigungsschutzes während der Probezeit bejahrt – eine Kündigung kann also auch während der Probezeit missbräuchlich erfolgen (zur missbräuchlichen Kündigung siehe insbesondere Die missbräuchliche Entlassung.

 

Zweck der Probezeit ist zu berücksichtigen

Es ist gemäss Bundesgericht grundsätzlich davon auszugehen, dass auch eine Kündigung während der Probezeit missbräuchlich sein kann (missbräuchliche Kündigung während der Probezeit). Zu prüfen bleibt aber im Einzelfall, ob die Kündigung, welche einen Tatbestand nach Art. 336 OR (d.h. die missbräuchliche Kündigung) erfüllt oder sonst in einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis als missbräuchlich angesehen würde, mit Blick auf den durch die Probezeit verfolgten Zweck zulässig erscheint (BGE 134 III 108 E.7.1. Nachfolgend werden die entsprechenden Erwägungen wiedergegeben:

Die Probezeit soll den Parteien die Möglichkeit bieten, einander kennenzulernen, was zur Schaffung eines Vertrauensverhältnisses notwendig ist (VISCHER, a.a.O., S. 234). Sie erlaubt den Parteien abzuschätzen, ob sie die gegenseitigen Erwartungen erfüllen (vgl. BGE 120 Ib 134 E. 2a), und sie werden in die Lage versetzt, über die in Aussicht genommene langfristige Bindung in Kenntnis der konkreten Umstände zu urteilen (BGE 129 III 124 E. 3.1 S. 125 f. mit Hinweisen; vgl. auch Urteile des Bundesgerichts RK.2/2005 vom 5. Oktober 2005, E. 4.3; 4C.272/1993 vom 6. Januar 1994, E. 2). Das Recht, während der Probezeit mit verkürzter Frist zu kündigen, ist ein Ausfluss der Vertragsfreiheit (vgl. TROXLER, a.a.O., S. 38). Bei Abschluss des Vertrages liegt es grundsätzlich im Belieben des Arbeitgebers, welchen von mehreren Kandidaten er einstellen will. Ebenso entscheidet der Arbeitnehmer frei, für welche Arbeitsstelle er sich bewirbt. Nach Art. 335b OR wirkt diese Abschlussfreiheit in die Probezeit nach, indem die Parteien grundsätzlich den Entscheid über eine langfristige Bindung aufgrund der in der Probezeit gewonnenen Erkenntnisse frei treffen können. Soweit sich die Kündigung an diesem Zweck der Probezeit orientiert, ist allein darin, dass ihr etwas „Willkürliches“ anhaftet, in der Tat kein Rechtsmissbrauch zu erblicken. Die zulässige „Willkür“ entspricht der Freiheit der Parteien, darüber zu entscheiden, ob sie sich langfristig binden wollen (BGE 134 III 108 E.7.1.1).

 

Einsprache bei missbräuchlicher Probezeitkündigung

Ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses missbräuchlich (Art. 336 OR), hat diejenige Partei, welche die Kündigung ausgesprochen hat, der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten (Art. 336a OR). Wer eine solche Entschädigung geltend machen will, muss gegen die Kündigung längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist beim Kündigenden schriftlich Einsprache erheben (Art. 336b Abs. 1 OR). Ist die Einsprache gültig erfolgt und einigen sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, kann die Partei, der gekündigt worden ist, ihren Anspruch auf Entschädigung geltend machen. Wird nicht innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig gemacht, ist der Anspruch verwirkt (Art. 336b Abs. 2 OR) (siehe hierzu insbesondere Geltendmachung einer missbräuchlichen Kündigung.

Wird die Einsprache nicht gültig erhoben, stimmt die Partei, der gekündigt worden ist, der Kündigung im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung zu. Dem Gekündigten steht nur eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Kündigung zu.

 

Einsprachefrist bei Probezeitkündigung

Massgebend für die Einhaltung der Frist gemäss Art. 336b Abs. 1 OR ist nach herrschender Lehre der Zeitpunkt des Zugangs der Einsprache. Diese hat daher als empfangsbedürftige Willenserklärung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu erfolgen. Ein Teil der Lehre lässt die Postaufgabe am letzten Tag der Kündigungsfrist genügen (BARBEY, a.a.O., S. 114; CHRISTIANE BRUNNER UND ANDERE, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 3. Aufl. 2005, N. 2 zu Art. 336b OR).

In BGE 136 III 96 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage zu befassen, innert welcher Frist die Einsprache zu erfolgen hat, insbesondere wenn die Kündigungsfrist durch die Parteien durch Vereinbarung auf weniger als 7 Tage gekürzt wird. Das Bundesgericht hält fest: Nach Art. 336b Abs. 1 OR müsse die erforderliche Einsprache nämlich „längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist“ erfolgen und zwar dergestalt, dass sie binnen dieser Frist bei der Gegenpartei eintreffe.

Wird die Kündigungsfrist während der Probezeit gekürzt oder wegbedungen, verkürzt sich die Dauer der Einsprachefrist entsprechend. Besteht keine Kündigungsfrist und wird die Kündigung umgehend wirksam, ist es unmöglich, eine schriftliche Einsprache zu erheben, die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beim Kündigenden eintrifft.

Das Bundesgericht hielt fest, dass die für die Einsprache aufgestellten Formvorschriften (Art. 336b OR) den Anspruch auf Entschädigung bei missbräuchlicher Kündigung (Art. 336a OR) nicht vereiteln dürfen, ist aber der Ansicht, es könne in diesem Fall nicht einfach eine 7-tägige Einsprachefrist zu Anwendung gelangen:

Eine schematische Anwendung einer siebentätigen Einsprachefrist bei gegenüber dem dispositiven Gesetzesrecht verkürzten Kündigungsfristen würde aber auch Fälle erfassen, in denen es dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist, innert der verkürzten Kündigungsfrist Einsprache zu erheben. Dies scheint mit Blick auf den vom Gesetz verfolgten Zweck der Rechtssicherheit und der Förderung einer gütlichen Einigung (vgl. E. 2.1) nicht gerechtfertigt. Darf vom Arbeitnehmer nach Treu und Glauben erwartet werden, innerhalb der verkürzten Frist zu reagieren, rechtfertigt es sich nicht, eine Lücke anzunehmen und vom klaren Wortlaut des Gesetzes abzuweichen. Eine Lücke besteht somit nur, wenn die Kündigungsfrist derart verkürzt oder gänzlich wegbedungen ist, dass es dem Arbeitnehmer nicht möglich oder nicht zumutbar ist, fristgerecht Einsprache zu erheben. Die Parteien vereinbarten eine Kündigungsfrist von drei Tagen. Zu prüfen bleibt daher, ob es der Beschwerdegegnerin anhand der gesamten Umstände möglich und zumutbar war, rechtzeitig Einsprache zu erheben.

 

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Autor: Nicolas Facincani