Art. 336 OR sieht verschiedene Tatbestände vor, welche eine Kündigung – egal durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – missbräuchlich machen. Diese Liste ist aber nicht abschliessen. Gemäss Gerichtspraxis fallen auch gegen das Rechtsmissbrauchsverbot fallende Fälle darunter, die eine mit den in Art. 336 OR genannten vergleichbare Schwere aufweisen (BGE 136 III E 2.3) – sie hierzu etwa den Beitrag Die missbräuchliche Entlassung.

 

Nichteinhalten der Bewährungsfrist

Das Arbeitsgericht Zürich hat  im Entscheid AH130109 vom 18. Februar 2014 entschieden, dass auch die Nichteinhaltung einer dem Arbeitnehmer gewährten Bewährungsfrist zur Missbräuchlichkeit einer Kündigung führt.

Dem besagten Entscheid liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Rahmen einer Mitarbeiterbeurteilung wurden verschiedene Massnahmen festgelegt, welche der Kläger bis zum 30. Mai 2012 hätte umsetzen sollen. Noch vor Ablauf dieser Bewährungsfrist wurde dem Kläger aber ordentlich gekündigt.

Das Arbeitsgericht Zürich hielt fest, dass der Kläger davon ausgehen durfte, dass ihm die Beklagte mit der Zielsetzung eine Chance zur Verbesserung und zur Erreichung der Ziele bis 30. Mai 2012 einräume – sonst hätte sie ja gar keine Ziele und keine Frist zur Erreichung ansetzen müssen. Doch offensichtlich wollte die Beklagte dem Kläger diese Chance nicht wirklich geben, denn sie wartete nicht einmal ihre selber angesetzte Frist ab und nahm dem Kläger mit der Kündigung jede Möglichkeit, sich zu bewähren. Ein Anlass dazu war nicht ersichtlich.

Das Verhalten der Beklagten erachtete das Arbeitsgericht Zürich deshalb als krass Treu und Glauben widersprechend. Indem die Beklagte bei der Mitarbeiterbeurteilung nur vorgegeben hat, dem Kläger eine Chance zur Verbesserung innert der Bewährungsfrist zu geben, es dann aber nicht wirklich ernsthaft getan hat, hat sie ein falsches und verdecktes Spiel getrieben. So hielt das Arbeitsgericht Zürich fest, dass „das Verhalten, die Bewährungsfrist nicht abzuwarten, an sich einen Missbrauchstatbestand darstellt“.

 

Autor: Nicolas Facincani / Jacqueline Brunner