Art. 320 Abs. 3 OR lautet wie folgt: „Leistet der Arbeitnehmer in gutem Glauben Arbeit im Dienste des Arbeitgebers auf Grund eines Arbeitsvertrages, der sich nachträglich als ungültig erweist, so haben beide Parteien die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in gleicher Weise wie aus gültigem Vertrag zu erfüllen, bis dieses wegen Ungültigkeit des Vertrages vom einen oder andern aufgehoben wird.

Das Bundesgericht hat sich in einem kürzlich publizierten Entscheid zu dieser Bestimmung geäussert (vgl. zum Ganzen auch Dominik Probst, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 320 N 58 ff.).

 

BGer 4A_488/2021 vom 4. März 2021, Sachverhalt

Hintergrund des Entscheides war ein zwischen der Aktiengesellschaft Z. AG und dem Verwaltungsrat A. geschlossener „Arbeits- und Mandatsvertrag“. Bei Vertragsschluss bestand der Verwaltungsrat nur aus den zwei Mitgliedern A. und B., obwohl die Statuten der Gesellschaft mindestens drei Mitglieder vorsahen. A. und B. verfügten über Kollektivunterschrift zu zweien. Die Geschäftsleitung war an den CEO D. delegiert. An der Verwaltungsratssitzung vom 23. Juli 2010, an welcher auch D. anwesend war, wurde D. ein Zeichnungsrecht ausschliesslich in Bezug auf die Unterzeichnung des Arbeits- und Mandatsvertrages zwischen der Z. AG und dem Verwaltungsrat A. gewährt. Der Vertrag wurde in der Folge von Verwaltungsrat A. und für die Gesellschaft von B. und D. unterschrieben. Am 6. September 2001 wurden sieben Verwaltungsratsmitglieder gewählt, so dass der Verwaltungsrat ab dann aus neun Mitgliedern bestand. Am 29. September 2001 kündigte die Z. AG den Vertrag mit A. mit sofortiger Wirkung, sofern er gültig war. In der Folge klagte A. gegen die Aktiengesellschaft Z. und machte diverse geldwerte Forderungen aus dem Arbeits- und Mandatsvertrag geltend.

 

Ungültigkeit des Arbeits- und Mandatsvertrages

 Ein Kernpunkt des Rechtsstreites betraf in der Folge die Frage, ob der abgeschlossene Arbeits- und Mandatsvertrag zwischen der Z. AG und dem Verwaltungsrat A. gültig war.

Das Bundesgericht ging zunächst darauf ein, dass das Schweizer Recht zum Selbstkontrahieren, bei dem ein und dieselbe Person in zweifacher Weise an einem Rechtsgeschäft beteiligt ist, einerseits auf eigene Rechnung, andererseits als Vertreter eines anderen, keine Regelung enthalte. Diese Figur berge wie die Doppelvertretung die Gefahr von Interessenkonflikten. Das Bundesgericht habe diese Art von Verträgen seit langem als unzulässig und damit ungültig beurteilt, mit zwei Ausnahmen, namentlich wenn die Gefahr einer Benachteiligung des Vertretenen nach der Natur des Geschäftes ausgeschlossen sei oder der Vertretene den Vertreter zum Vertragsabschluss mit sich selbst besonders ermächtigt bzw. das Geschäft nachträglich genehmigt habe. Dies gelte auch für die gesetzliche Vertretung juristischer Personen durch ihre Organe.  Auch in diesem Fall bedürfe es einer besonderen Ermächtigung oder einer nachträglichen Genehmigung durch ein über- oder nebengeordnetes Organ, wenn die Gefahr einer Benachteiligung bestehe (Erw. 5.3.2.)

Das Bundesgericht ging auf die vorliegende Konstellation und die Würdigung der Vorinstanz ein, die im Vorgehen, D. ein Zeichnungsrecht für die Unterzeichnung des Arbeits- und Mandatsvertrages zu gewähren, eine Konstruktion erblickte, die das Verbot, einen Vertrag mit sich selbst abzuschliessen, umgehe:

5.4.: In casu, le recourant (A.), nommé président du conseil d’administration par interim, et l’autre administrateur restant (B.) se sont accordés sur un „contrat de travail et de mandat“ conférant au premier une rémunération mensuelle pour son „travail“ ainsi qu’une indemnisation pour son activité d’administrateur. Le recourant était bel et bien pris en tenailles entre ses propres intérêts et ceux de la société: tandis que celle-ci devait veiller à ses finances et opter pour une rémunération raisonnable et appropriée, celui-là avait tout avantage à obtenir un tel contrat et la rémunération la plus élevée possible.

Ce dilemme n’a du reste pas échappé aux différents protagonistes qui se sont attachés à contourner l’écueil: le recourant et B. ont conféré au directeur D. le pouvoir spécial de signer le contrat aux côtés de B. pour le compte de la société, tandis que le recourant se bornait à signer le contrat en son nom propre.

Les juges cantonaux y ont vu un montage éludant l’interdiction de conclure un contrat avec soi-même et ont constaté la nullité du contrat litigieux.

[…]

Sodann bestätigte das Bundesgericht die Nichtigkeit des Arbeits- und Mandatsvertrages:

5.4.: […] il suffit de constater que le directeur n’avait pas le rang et l’indépendance nécessaires pour représenter la société en lieu et place de A. dans l’affaire litigieuse. […]

 

Art. 320 Abs. 3 OR

In der Folge ging das Bundesgericht darauf ein, ob die Vorinstanz die Vereinbarung vom 23. Juli 2010 zu Recht nicht unter Art. 320 Abs. 3 subsumierte.

Das Bundesgericht führte aus, dass Art. 320 Abs. 3 OR nach der Lehre insbesondere auf Fälle anwendbar sei, in welchen beispielsweise der Arbeitnehmer handlungsunfähig sei oder der Vertrag arbeitgeberseitig von einer Person unterzeichnet werde, die über keine entsprechende Bevollmächtigung verfüge. Art. 320 Abs. 3 OR setze den guten Glauben des Arbeitnehmers voraus. Das Bundesgericht sei der Ansicht, dass Art. 3 Abs. 2 ZGB nicht anwendbar sei. Ein Arbeitnehmer könne sich nur dann nicht auf Art. 320 Abs. 3 OR berufen, wenn ihm positiv nachgewiesen werden könne, dass er um die rechtliche Unverbindlichkeit des Vertrages gewusst habe (BGE 132 III 242, E. 4.2.5) (Erw. 6.2.).

Das Bundesgericht führte weiter aus, dass die Vorinstanz ohne Willkür bzw. Verletzung von Bundesrecht zum Schluss habe gelangen können, dass sich der Beschwerdeführer (Arbeitnehmer) der Möglichkeit bewusst war, dass der geschlossene Vertrag ungültig sein könnte und dass er eine solche Annahme für den Fall, dass sie sich bewahrheiten sollte, akzeptiert hatte:

6.3.2.: […] Cela étant, les circonstances entourant le stratagème consistant à donner à un directeur subordonné le pouvoir spécial de signer un contrat de travail au nom de la société permet d’inférer sans arbitraire, respectivement sans violer le droit fédéral, que le recourant avait conscience de la possibilité qu’un tel contrat ne fût pas valable, et avait accepté une telle hypothèse pour le cas où elle serait avérée.  

Das Bundesgericht kam somit zum Schluss, dass Art. 320 Abs. 3 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei:

6.4.: Au vu de ce qui précède, il n’est pas nécessaire de qualifier le contrat litigieux puisqu’un autre motif conduit déjà à écarter l’art. 320 al. 3 CO. Au surplus, les autres prétentions déduites du prétendu contrat de travail présupposent la validité de l’accord, prémisse non réalisée en l’espèce.

 

Autor: Nicolas Facincani / Stephanie Villiger

 

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