Im auf Italienisch ergangenen Entscheid des Bundesgerichts 2C_886/2021 vom 12. Dezember 2022 hatte sich dieses mit dem Beschluss des Tessiner Staatsrats zur Corona-Testpflicht für ungeimpftes Personal in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen auseinanderzusetzen.

 

Corona-Tests für ungeimpftes Personal

Der Staatsrat des Kantons Tessin erliess am 8. September 2021 einen Beschluss zur Einführung einer Pflicht für regelmässige Corona-Tests für ungeimpftes Personal in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen des Kantons (seit 1. April 2022 nicht mehr in Kraft). Von der Verpflichtung waren Mitarbeitende erfasst, die über kein gültiges Covid-Zertifikat verfügten und die in direktem Kontakt standen zu Patienten in Krankenhäusern, Kliniken, Alters- und Pflegeheimen, Behindertenheimen, häuslichen Pflege- und Betreuungsdiensten, therapeutischen und sozialen Tageszentren für ältere Menschen und Behinderte sowie in Wohneinrichtungen für Drogenabhängige.

 

Rechtsauffassungen können ändern

Das Bundesgericht hielt fest, dass für die Beurteilung der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ist zum einen die Legitimität des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels und zum anderen die Verhältnismässigkeit der Massnahme entscheidend sei. Dabei ist zu beachten, dass bei der Beurteilung des konkreten Sachverhalts die verfassungsrechtlich anerkannten Ziele und Grundsätze sowie die zum jeweiligen Zeitpunkt herrschenden Rechtsauffassungen zu berücksichtigen sind, die sich jedoch im Laufe der Zeit ändern können, was insbesondere bei der Beurteilung der Zulässigkeit der von den Behörden durchgeführten Massnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie von Bedeutung sei, wo man sich auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen müsse:

4.3. Nella valutazione della giustificazione di una disparità di trattamento, decisiva è da un lato la legittimità dello scopo perseguito dalla regolamentazione in esame e, d’altro lato, la proporzionalità della misura (DTF 141 I 78 consid. 9.5; 136 I 1 consid. 4.3.2; 136 II 120 consid. 3.3.2 e rispettivi rinvii giurisprudenziali e dottrinali; SCHWEIZER RAINER/ BIGLER-EGGENBERGER MARGRITH/KÄGI-DIENER REGULA, in: St. Galler Kommentar der Bundesverfassung già citato, n. 21 all’art. 8; MARTENET, op. cit., n. 41 segg. all’art. 8). In questo contesto è importante rilevare che nella valutazione normativa delle circostanze concrete, si deve tener conto degli obiettivi e dei principi riconosciuti costituzionalmente, nonché delle opinioni giuridiche prevalenti al momento in questione, che tuttavia possono cambiare nel corso del tempo (SCHWEIZER/BIGLER-EGGENBERGER/KÄGI-DIENER, op. cit., n. 19 all’art. 8), ciò che è particolarmente pertinente nel caso della valutazione dell’ammissibilità delle misure attuate dalle autorità per contrastare la diffusione della pandemia da covid-19, dove occorre basarsi sullo stato attuale delle conoscenze scientifiche in continua evoluzione (DTF 147 I 450 consid. 3.2.4, I 393 consid. 5.3.1).

 

Beurteilung der Testpflicht

Das Bundesgericht hielt fest, dass die Testpflicht für Gesundheitspersonal ohne Covid-Zertifikat eine Ungleichbehandlung gegenüber geimpftem beziehungsweise genesenem Personal bedeute und stelle einen wesentlichen Eingriff in die persönliche Freiheit und das Recht auf Achtung des Privatlebens der Betroffenen dar; diese Grundrechtseingriffe lassen sich indessen gemäss Bundesgericht rechtfertigen. Zunächst könne sich die Massnahme auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage stützen, die ausdrücklich auch strengere Massnahmen zulassen würde. Für die unterschiedliche Behandlung bestehe mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit – insbesondere dem Schutz der besonders verletzlichen Personen in den betroffenen Einrichtungen – ein öffentliches Interesse. Das Bundesgericht habe bereits früher festgehalten, dass die Behörden bei der Anordnung von Massnahmen in gesundheitlichen Krisensituationen über einen relativ bedeutenden Beurteilungsspielraum verfügten, zumal sie auf Grundlage des aktuellen Wissensstandes entscheiden müssen, der oftmals unvollständig und begrenzt sei. Entsprechend sei eine rückwirkende Beurteilung schwierig. Der Tessiner Staatsrat hab beim Erlass des Beschlusses berücksichtigt, dass gemäss damaligem Wissensstand zwar auch geimpfte Personen das Virus übertragen können, von ihnen aber ein geringeres Ansteckungsrisiko ausgehe. Wie das Bundesgericht in diesem Zusammenhang ebenfalls bereits festgehalten habe, sei von Seiten der Behörden mit Blick auf die Verhältnismässigkeit einer Massnahme ein „akzeptables“ Risiko anzustreben und nicht ein „Nullrisiko“. Der Beschluss erweise sich auch als geeignet und erforderlich. Mit der Massnahme konnte die Einführung allgemeiner Pflichten vermieden und stattdessen ein differenziertes Vorgehen gewählt werden. Die Lösung habe es zudem erlaubt, der Solidarität der Geimpften mit den von ihnen betreuten, besonders verletzlichen Personen Rechnung zu tragen, während gleichzeitig eine Alternative für das Personal bestanden habe, das über kein Covid-Zertifikat verfügte. Die Betroffenen seien schliesslich auch nicht am Zugang zu ihrem Arbeitsplatz gehindert worden, sondern einer zusätzlichen Pflicht unterstellt, die insgesamt nicht allzu stark eingreifend und im Übrigen kostenlos gewesen sei. Auch in zeitlicher Hinsicht sei der Beschluss verhältnismässig gewesen.

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

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