Am 28. September 2023 empfing das SECO unter der Leitung von Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit in Bern, eine Delegation des chinesischen Ministeriums für Humanressourcen und soziale Sicherheit (MoHRSS) und der chinesischen Sozialpartner für den fünften tripartiten Arbeitsdialog zwischen der Schweiz und China. Die tripartiten Delegationen trafen sich zum ersten Mal seit der Pandemie wieder in Präsenzform.

Die Schweiz und China tauschten Erfahrungen im Bereich neuer Arbeitsformen aus und gingen insbesondere auf deren Auswirkungen auf Fragen des Arbeitnehmerschutzes und die wachsende Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften aufgrund der Digitalisierung der Arbeitswelt ein. Die Schweiz drückte ihre Besorgnis über Berichte von Diskriminierung in der Arbeitswelt, willkürlichen Internierungen und Zwangsarbeit in Xinjiang und anderen chinesischen Regionen aus und forderte China dazu auf, die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit als Mitgliedstaat der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu respektieren und die ratifizierten Kernübereinkommen Nr. 29 und 105 der IAO zur Zwangsarbeit unverzüglich umzusetzen. Die Vertreter der Schweizer Sozialpartner unterstützten diese Forderung und teilten ihre Bedenken, ganz besonders auch was die Gewerkschaftsfreiheit in Hongkong betrifft.

 

Die Internationale Arbeitsorganisation

Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) wurde 1919 gegründet. Die Schweiz war einer der Gründerstaaten. Gemäss ihrer Verfassung verfolgt die IAO das Ziel, die soziale Gerechtigkeit zu fördern und die Achtung der Menschenrechte in der Arbeitswelt zu gewährleisten.

Sie unterscheidet sich insbesondere durch ihre dreigliedrige Struktur von den anderen internationalen Organisationen: Arbeitgeber, Arbeitnehmende und Regierungen sind gleichermassen vertreten und an den Arbeiten der IAO beteiligt.

Eine der ältesten und bedeutendsten Aufgaben der IAO ist die Ausarbeitung von Übereinkommen, die Mindestnormen festlegen. Diese Übereinkommen werden von Expertenkommissionen erarbeitet, die sich aus Regierungs-, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzen. Sie werden danach von der Internationalen Arbeitskonferenz, der Legislative der ILO, die jedes Jahr im Juni in Genf tagt, verabschiedet. Die Übereinkommen werden durch Empfehlungen ergänzt, welche die Tragweite des Übereinkommens genauer definieren. Obwohl sie keine Rechtsverbindlichkeit haben, dienen die Empfehlungen der IAO als Interpretationshilfe und zeigen wünschenswerte Idealziele auf.

Die meisten Übereinkommen regeln Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitswelt und enthalten zum Teil auch Bestimmungen zum Sozialschutz. Wichtigstes Übereinkommen im Bereich der sozialen Sicherheit ist das Übereinkommen Nr. 102 über die Mindestnormen der sozialen Sicherheit aus dem Jahr 1952, das die Schweiz ratifiziert hat.

2012 wurde eine eigenständige Empfehlung zur sozialen Sicherheit angenommen; die Empfehlung Nr. 202 betreffend den sozialen Basisschutz. Sie bietet den Mitgliedstaaten eine Orientierungshilfe, um Basisniveaus für Sozialschutz einzurichten und aufrechtzuerhalten sowie Strategien zur Ausweitung der Sozialen Sicherheit zu verwirklichen, die möglichst vielen Menschen schrittweise höhere Niveaus der Sozialen Sicherheit gewährleisten.

Die IAO beschäftigt sich auch mit der Umsetzung von internationalen Programmen, welche die Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern sollen, sowie Programmen in den Bereichen technische Unterstützung, Aus- und Weiterbildung, Bildungswesen, Forschung und Publikation.

 

Erklärungen der IAO

 

Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998)

Mit der „Erklärung der ILO über grundlegende Prinzipien und Rechte  bei der Arbeit “  haben die ILO-Kernarbeitsnormen den Status von Menschenrechten erhalten und damit universelle Gültigkeit, unabhängig davon, ob Mitgliedsstaaten die Normen ratifiziert haben. Die ILO-Kernarbeitsnomen sind als Menschenrechte das Rückgrat einer menschenwürdigen Arbeitswelt.

 

Erklärung der ILO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung (2008)

Im Juni 2008 nahm die Konferenz auf ihrer 97. Tagung die Erklärung der ILO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung  an. Die Erklärung verankert „in Anlehnung an die Erklärung der ILO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihre Folgemaßnahmen“ die Einhaltung, Förderung und Verwirklichung der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit als eines der vier gleichermaßen wichtigen strategischen Ziele der ILO. Nach der Erklärung von 2008 gibt es vier gleich wichtige strategische Ziele der Internationalen Arbeitsorganisation:

  • Förderung von Beschäftigung
  • Entwicklung und Stärkung von Maßnahmen des sozialen Schutzes
  • Förderung des sozialen Dialogs und der Dreigliedrigkeit und
  • Achtung, Förderung und Verwirklichung der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit

 

Erklärung zum hundertjährigen Bestehen der ILO für die Zukunft der Arbeit (2019)

Die Arbeitswelt befindet sich in einem transformativen Wandel, der durch technologische Innovationen, demographische Verschiebungen, Klimawandel und Globalisierung vorangetrieben wird. Als Antwort auf diese Herausforderungen und aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der ILO wurde 2019 auf der 108. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz die „Erklärung zum hundertjährigen Bestehen der ILO für die Zukunft der Arbeit“  verabschiedet.

  • Wirksame Realisierung der Chancengleichheit und Gleichbehandlung der Geschlechter
  • Effektives lebenslanges Lernen und qualitativ hochwertige Bildung für alle
  • Universeller Zugang zu umfassendem und nachhaltigem Sozialschutz
  • Achtung der Grundrechte
  • Angemessener, gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegter Mindestlohn
  • Obergrenzen für die Arbeitszeit
  • Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
  • Politikkonzepte für menschenwürdige Arbeit und Produktivitätssteigerung
  • Politikkonzepte, die einen angemessenen Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten gewährleisten und den Herausforderungen und Chancen in der Arbeitswelt im Zusammenhang mit der digitalen Transformation der Arbeit, einschließlich Plattformarbeit, Rechnung tragen.

 

Autor: Nicolas Facincani

 

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