In der Politik wird immer wieder diskutiert, ob den Unternehmen vorgeschrieben werden soll, Frauenquoten im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung einzuführen. Anders als im Ausland, war man in der Schweiz diesbezüglich eher zurückhaltend, doch der Entwurf des neuen Aktienrechts sieht nun erstmals Geschlechterrichtwerte für grosse börsenkotierte Unternehmen vor.

Bereits die Verfassung sieht in Artikel 8 vor, dass der Gesetzgeber für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau sorgt, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Es wird dadurch zur Verpflichtung des Gesetzgebers, für die tatsächliche Gleichheit im Sinne einer Ergebnisgleichheit zu sorgen. Dies umfasst auch sogenannte „positive“ Massnahmen, d. h. Massnahmen, die eine besondere Behandlung von Frauen oder Männern beinhalten können wie Unterstützungsmassnahmen und Vorzugsbehandlungen. In diesem Zusammenhang wurde vor 20 Jahren das Gleichstellungsgesetz (GlG) erlassen. Das GlG verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben. Das Verbot erstreckt sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis (insbesondere auf die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung) und bezieht sich auf direkte und indirekte Diskriminierungen. Eine – nicht sofort ersichtliche – indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung geschlechtsneutral abgefasst ist, in ihren Wirkungen aber das eine Geschlecht erheblich benachteiligt. Wichtig dabei: Frau und Mann werden gleichermassen geschützt.

 

Frauen im Verwaltungsrat

Gemäss dem am 8. März 2016 veröffentlichten Schillingreport – er vergleicht jeweils die grössten Schweizer Unternehmen beträgt der Frauenanteil in den 100 grössten Schweizer Unternehmen 16%, der Frauenanteil unter den neuen Mitgliedern der Verwaltungsräte beträgt 23%. Auf Geschäftsleitungsebene Auf Geschäftsleitungsebene sind 4% aller neu gewählten Geschäftsleitungsmitglieder Frauen. Damit stagniert der Frauenanteil und beträgt bei diesen Unternehmen 6%.

 

Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates

Im Obligationenrecht regeln gerade 22 Artikel den Verwaltungsrat. Mit Blick auf die Konstituierung des Verwaltungsrats sind z.B. nur einige wenige gesetzlich vorgesehene Minimalvorschriften zu beachten. So bezeichnet etwa der Verwaltungsrat gemäss Art. 712 Abs. 1 OR seinen Präsidenten und den Sekretär. Weitere Vorschriften über den Bestand des Verwaltungsrats gibt es im OR nicht. Dies wird mit dem gesetzgeberischen Willen begründet, dass man der Organisation des Verwaltungsrates einen möglichst grossen Spielraum einräumen will.

Theoretisch kann der Verwaltungsrat, unabhängig von der Grösse des Unternehmens, aus einer einzigen Person bestehen, welche die gesamte Funktion der Geschäftsführung alleine ausübt. Für börsenkotierte Gesellschaften gibt es immerhin weitere Vorschriften, welche die Wahl und Amtsdauer der Mitglieder des Verwaltungsrates betreffen. Die Statuten können zudem weitere Bestimmungen aufstellen, so wird zum Beispiel nicht selten die Mindestzahl der Verwaltungsräte statutarisch festgehalten. Auch Geschlechterquoten wären unter gewissen Voraussetzungen denkbar.

 

Neuer Regelungsvorschlag

Der Vorschlag des Bundesrates zur Revision des Aktienrechts liegt nun vor. Dieser sieht nun vor, dass bei börsenkotierten Gesellschaften, welche gewisse Schwellenwerte überschreiten, im Vergütungsbericht Angaben zur Zusammensetzung des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung zu machen haben, sofern nicht jedes Geschlecht mindestens zu 30 % im Verwaltungsrat bzw. zu 20 % in der Geschäftsleitung vertreten ist. Anzugeben sind in einem solchen Fall die Gründe, weshalb die Geschlechter nicht entsprechend den Richtwerten vertreten sind. Sodann sind die geplanten oder bereits umgesetzten Massnahmen zur Förderung des weniger stark vertretenen Geschlechts («Comply or explain»-Ansatz) anzugeben.

Der Vorschlag des Bundesrates knüpft an relativ hohe Schwellenwerte an: Bilanzsumme von 20 Mio. Fr.; Umsatzerlös von 40 Mio. Fr.; 250 Vollzeitstellen. Damit soll verhindert werden, dass kleinere börsenkotierte Gesellschaften, insbesondere solche die nicht am Main Standard der SIX Swiss Exchange kotiert sind, in den Anwendungsbereich fallen. Für private Gesellschaften wird sich nichts ändern. Es wird sich zeigen, ob dieser Vorschlag im Parlament eine Mehrheit finden wird.

 

Autor: Nicolas Facincani