Eine fristlose Kündigung darf nur erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (Art. 337 Abs. 1 OR). Ein solcher Grund liegt vor, wenn es für die kündigende Partei nach Treu und Glauben unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin fortzusetzen (Art. 337 Abs. 2 OR). Beweispflichtig für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist die kündigende Partei. Gemäss Rechtsprechung ist eine fristlose Entlassung nur bei besonders schweren Verfehlungen des Vertragspartners gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber bzw. -nehmer die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits müssen die Verfehlungen auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, so rechtfertigt sich dennoch eine fristlose Kündigung, wenn sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sind (BGE 130 III 28 E. 4.1 S. 31). Im Folgenden sollen einige wichtige Bundesgerichtsentscheide, die in den letzten Jahren zu diesem Thema ergangen sind, kurz dargestellt werden.

Gerechtfertigte fristlose Entlassung des Lastwagenchauffeurs nach Verkehrsunfall

In seinem Entscheid vom 9. März 2017 (BGE 4A_625/2016) hatte sich das Bundesgericht mit der Frage zu befassen, ob eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln durch einen Lastwagenfahrer einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne von Art. 337 OR darstellen kann. Im zu beurteilenden Fall hatte der Berufslastwagenfahrer ein Stoppsignal ignoriert, weswegen er mit einem korrekt fahrenden Personenwagen kollidiert war. Der Personenwagen erlitt dadurch einen Totalschaden und dem Unfallfahrer wurde der Führerausweis entzogen. Die Arbeitgeberin kündigte dem Lastwagenfahrer daraufhin – trotz einer kurzen Kündigungsfrist von einem Monat – fristlos. Der Lastwagenfahrer bestritt die Rechtmässigkeit dieser fristlosen Kündigung; er argumentierte, dass der Unfall einen singulären Vorfall in seiner gesamten Karriere als Berufschauffeur darstelle und dass er zudem lediglich als Verwirklichung eines Risikos gesehen werden dürfe, welches seiner Arbeitstätigkeit als Berufschauffeur inhärent sei. Das Bundesgericht folgte dieser Argumentation nicht. Es hielt fest, dass ein Berufschauffeur aufgrund seiner Erfahrung und des klar erhöhten Betriebsrisikos seines schweren Fahrzeuges bei der Verrichtung seiner Arbeitsleistung im Strassenverkehr besonders aufmerksam sein müsse. Sodann könnten von ihm von Berufs wegen überdurchschnittliche Kenntnisse des Strassenverkehrsrechts verlangt werden. Wer sich als Berufschauffeur vorsätzlich über eine so wichtige Verkehrsvorschrift wie ein Stoppsignal hinwegsetzt, begehe in arbeitsrechtlicher Hinsicht eine schwere Sorgfaltspflichtverletzung. Diese Verfehlung sei objektiv geeignet gewesen, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage – und zwar das Vertrauen darauf, dass sich der Chauffeur bei der Arbeit an die Regeln des Strassenverkehrs hält – tiefgreifend zu erschüttern. Aus diesem Grund sei es der Arbeitgeberin vorliegend nicht mehr zuzumuten gewesen, den Arbeitsvertrag bis zum Ablauf der ordentlichen (kurzen) Kündigungsfrist fortzusetzen.

Gerechtfertigte fristlose Entlassung, weil der Arbeitnehmer nicht umgehend über seine krankheitsbedingte Abwesenheit informierte

Gegenstand des bundesgerichtlichen Entscheides vom 1. Dezember 2017 (BGE 4A_521/2016) war die fristlose Entlassung eines Sicherheitswärters einer Gleisbaustelle, der ab dem 7. Juli 2014 unentschuldigt von der Arbeit fernblieb. Nachdem die Arbeitgeberin ihn weder auf seinem Geschäfts- noch auf seinem Privattelefon erreichen konnte, kündigte sie ihm am 9. Juli 2014 und somit am 3. Tag seiner unentschuldigten Abwesenheit. Am 10. Juli 2014 ging der Arbeitgeberin ein Arztzeugnis ein, welches dem Arbeitnehmer einer Arbeitsunfähigkeit von 100% für den Zeitraum vom 7. bis 13. Juli 2014 attestierte.

Strittig war i.c. nicht die Frage, ob die krankheitsbedingte Abwesenheit selbst eine fristlose Entlassung rechtfertigt. Denn Art. 337 Abs. 3 OR hält klar fest, dass eine (etwa krankheitshalber) unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung keinen wichtigen Grund darstellen kann. Uneinig war man sich vorliegend vielmehr darüber, ob der Umstand, dass der Arbeitnehmer ohne Meldung der Arbeit fernblieb, als schwere Verfehlung einzustufen ist.

Das Bundesgericht bejahte diese Frage. Es nahm eine detaillierte Einzelfallbetrachtung vor und führte aus, dass der Sicherheitswärter einer Gleisbaustelle eine besonders verantwortungsvolle Funktion ausübe, insofern er für die Sicherheit der Gleisarbeiter zuständig sei. Zudem sei eine ganze Arbeitsgruppe von seinem Erscheinen abhängig, da die Arbeiten der übrigen Gleisarbeiter ohne seine vorgeschriebene Anwesenheit stillstünden. Sodann ergebe sich bereits aus der Treuepflicht gemäss Art. 321a Abs. 1 OR, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitgeberin umgehend über Absenzen zu informieren hat. I.c. wurde diese Pflicht im Mitarbeiterhandbuch noch präzisiert, insofern dort festgehalten wurde, dass sich der Arbeitnehmer am ersten Tag der Verhinderung sofort bei seinem Vorgesetzten bis 8 Uhr abzumelden hat. Angesichts dieser Umstände stelle die ausgebliebene Meldung eine schwerwiegende Verfehlung dar und der Arbeitgeberin war es vorliegend nicht mehr zuzumuten, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Ungerechtfertigte fristlose Entlassung, weil die Arbeitgeberin ihre Obliegenheit, bei Unklarheiten nachzufragen, verletzt hat

In seinem Entscheid vom 20. Mai 2016 (BGE 4A_702/2015) hatte sich das Bundesgericht mit einem Fall auseinanderzusetzen, in welchem der Arbeitnehmer die Ausführung eines dringlichen Auftrags an einem Freitagmorgen verweigert hatte. Die Arbeitgeberin versandte daraufhin noch am Freitagnachmittag eine Verwarnung und forderte den Arbeitnehmer am Montagvormittag auf, sich zu einem Gespräch mit ihr am Nachmittag einzufinden. Der Arbeitnehmer liess die Arbeitgeberin am Montagvormittag sowohl mündlich als auch per SMS wissen, dass er am Nachmittag zum Arzt gehen müsse und stellte ein Arztzeugnis in Aussicht (welches er später auch tatsächlich einreichte). Seinen Krankheitszustand beschrieb er aber nicht. Die Arbeitgeberin teilte ihm daraufhin mit einer E-Mail die fristlose Kündigung mit.

Das Bundesgericht urteilte hier, dass die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung nicht genug schwer wiege, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Gemäss dem Bundesgericht stellte zwar die grundlose Verweigerung eines dringenden Serviceauftrages isoliert betrachtet bereits eine derartig schwere Pflichtverletzung dar, dass dieses Verhalten auch ohne Verwarnung eine fristlose Entlassung rechtfertigt hätte. I.c. habe die Arbeitgeberin nach der Auftragsverweigerung aber eben keine fristlose Kündigung ausgesprochen, sondern dem Arbeitnehmer mit dem Aussprechen der Verwarnung nochmals ausdrücklich eine Chance erteilt. Zu beurteilen sei vorliegend deshalb allein, ob das Verhalten des Arbeitnehmers am fraglichen Montag eine fristlose Entlassung rechtfertige. Das Bundesgericht verneint dies. Es argumentiert, dass der Arbeitnehmer nicht grundlos oder ohne Mitteilung seiner Gründe das Gespräch verweigerte, zu dem ihn die Arbeitgeberin aufbot. Vielmehr war der Arbeitnehmer krank, hatte einen Arzttermin und teilte der Arbeitgeberin diesen Grund für seine Gesprächsverweigerung auch hinreichend deutlich mit. Die fristlose Kündigung durch die Arbeitgeberin war deshalb nicht gerechtfertigt.

Nachschieben von Kündigungsgründen

Im seinem Entscheid vom 11. August 2016 (BGE 4A_109/2016) hielt das Bundesgericht fest, dass als wichtiger Grund nur ein Ereignis in Frage kommt, welches sich vor der fristlosen Kündigung abgespielt hat. Zudem müsse sich der Kündigende grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Kündigung auf den Kündigungsgrund berufen. Nachträglich könne sich der Kündigende nur dann auf einen wichtigen Grund berufen, wenn ihm dieser im Zeitpunkt der Kündigung weder bekannt war noch bekannt sein konnte. Ein Nachschieben ist somit nur bei Unkenntnis des Grundes im Zeitpunkt der Kündigung zulässig. Sodann ist gemäss Bundesgericht bei einem nachgeschobenen Grund zu fragen, ob dieser derart ist, dass er – wenn der Kündigende ihn gekannt hätte – zu einem Vertrauensbruch hätte führen können und damit zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte.

Autoren: Nicolas Facincani / Juliane Jendis