Auf finews.ch ist am 27. September 2018 zu erfahren, dass Marco Illy, ehemaliger Chef des Investmentbanking Schweiz, offenbar fristlos durch die Credit Suisse gekündigt wurde. War die Credit Suisse dazu berechtigt? Welches sind die Rechtsfolgen?

Fristlose Entlassung

Eine fristlose Kündigung darf nur erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (Art. 337 Abs. 1 OR). Dies ist dann der Fall, wenn es für die kündigende Partei nach Treu und Glauben unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin fortzusetzen (Art. 337 Abs. 2 OR). Beweispflichtig für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist die kündigende Partei. Gemäss Rechtsprechung ist eine fristlose Entlassung nur bei besonders schweren Verfehlungen des Vertragspartners gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber bzw. -nehmer die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und andererseits müssen die Verfehlungen auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, so rechtfertigt sich dennoch eine fristlose Kündigung, wenn sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sind (BGE 130 III 28 E. 4.1, S. 31).

Konkreter Vorwurf

Gemäss finews.ch wird Illy durch die Credit Suisse nun vorgeworfen, er habe während der Kündigungsfrist versucht, der UBS einen seiner ehemaligen Kunden zuzuhalten. Ob dies zutreffend ist, ist nicht bekannt. Somit kann im Resultat auch nicht abschliessend beurteilt werden, ob die fristlose Kündigung gerechtfertigt war bzw. ist.

Verhalten während der Kündigungsfrist

Auch während der Kündigungsfrist ist ein Arbeitnehmer an die Treuepflichten und an das Konkurrenzverbot gebunden (Art. 321a Abs. 1 und 3 OR). Im Vordergrund der Treuepflicht steht die Pflicht des Arbeitnehmers, alles zu unterlassen, was den Arbeitgeber wirtschaftlich schädigen könnte. Generell zu unterlassen hat er ungebührliches und pflicht- oder rechtswidriges Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Vorgesetzten, Kunden und Lieferanten. So darf er etwa dem Arbeitgeber nicht Mitarbeiter oder Kunden abwerben und ihn konkurrenzieren. Zudem hat er Mitteilungen an Dritte zu unterlassen, die das Ansehen des Arbeitgebers schädigen können (sogenannte Rufschädigungen), selbst wenn entsprechende Äusserungen wahr sind. Die Treuepflicht ist also in erster Linie eine Unterlassungspflicht.

Aufgrund der Treuepflicht sind während dem laufenden Arbeitsverhältnis im Rahmen von Kundenkontakten Abwerbe- und Konkurrenzierungshandlungen nicht zulässig und stellen einen Treubruch dar. Dabei ist es grundsätzlich nicht massgebend, ob der Arbeitnehmer in gekündigtem oder ungekündigtem Verhältnis zum Arbeitgeber steht.

Unter einer Abwerbehandlung wird im Wesentlichen die Einflussnahme auf einen vertraglich gebundenen Dritten verstanden, mit dem Ziel, den bestehenden Vertrag zu beenden und einen neuen Vertrag abzuschliessen.

Sofern es sich aber nicht eine klare Vorgehensweise des Arbeitnehmers handelt, wird es für einen Arbeitgeber in aller Regel schwierig sein, eine Abwerbehandlung nachzuweisen. Insbesondere in Fällen, wo sich zwischen den Kunden und dem Arbeitnehmer aufgrund der jahrelang dauernden Zusammenarbeit auch eine private Bindung oder gar Freundschaft entwickelt hat, hat der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse am Kundenkontakt, auch nach einer Kündigung. So reicht ein Kundenkontakt während der Kündigungsfrist noch lange nicht aus, um auch eine unzulässige Abwerbehandlung erstellen zu können (zur Kundenabwerbung siehe weiter hier).

Die Entsprechenden Regeln des Obligationenrechts sind dispositiv, d.h. sie können zugunsten des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers abgeändert werden.

Faktoren

Folgende Faktoren sind bzw. wären etwa für die Beurteilung, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, relevant (nicht abschliessend):

  • Existenz und schwere des Verschuldens
  • Länge der Kündigungsfrist bzw. des befristeten Arbeitsverhältnisses
  • bisherige Dauer und Verlauf des Arbeitsverhältnisses
  • frühere Duldung eines gleichartigen Verhaltens
  • Intensität des Vertrauensverhältnisses
  • Provokationen und Verwarnungen
  • Betriebsklima
  • erteilte Weisungen
  • Art des Betriebs
  • Stellung und Verantwortung des Arbeitnehmers
  • Möglichkeit anderer Massnahmen

Folgen der fristlosen Kündigung

Ist die fristlose Kündigung durch die Credit Suisse gerechtfertigt, liegt also ein Grund vor, der die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht, treten die folgenden Rechtsfolgen ein:

  • Sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Der Lohnanspruch endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Nicht bezogene Ferien, Ansprüche aus Überstunden und andere Ansprüche der Parteien sind zu entschädigen.
  • Schadenersatz des Kündigenden für alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis (Art. 337b Abs. 1 OR), die dadurch entstehen, dass das Arbeitsverhältnis fristlos beendet wurde.

Ist die fristlose Kündigung durch die Credit Suisse nicht gerechtfertigt, treten die folgenden Rechtsfolgen ein:

  • Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers nach Art. 337c Abs. 1 OR.
  • Entschädigung (Art. 337c Abs. 3 OR) bis 6 Monatslöhne, wobei die Entschädigung nach freiem Ermessen und unter Würdigung aller Umstände bestimmt wird.

Der Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers (Art. 337c Abs. 1 OR) wird wie folgt bestimmt:

  • Entgangener Lohn (inklusive Bonusanteil, Abgeltung von Ferien etc.) bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. bis zum Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses.
  • Der Arbeitnehmer unterliegt dabei einer Anrechnungspflicht für Einsparungen und für anderweitig erworbenen oder absichtlich unterlassenen Verdienst im Zusammenhang mit der erfolgten fristlosen Kündigung (Art. 337c Abs. 2 OR).

Autor: Nicolas Facincani