Gemäss einer Aussage von Oswald Grübel, dem ehemaligen CEO der UBS AG und der Credit Suisse AG nimmt ein Kundenberater im Durchschnitt einen Drittel der von ihm betreuten Vermögenswerte mit  (Kundenabwerbung), wenn er die Bank als Arbeitnehmer verlässt und zur Konkurrenz wechselt. Somit stellt sich in diesem Zusammenhang insbesondere immer wieder die Frage, ob und in welcher Form sich austretende Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von ihren Kunden verabschieden und bei dieser Gelegenheit auf den Stellenwechsel hinweisen dürfen. Insbesondere aufgrund der starken persönlichen Bindung zur Kundschaft genügt häufig schon die Mitteilung eines Stellenwechsels umd den Kunden ebenfalls zu einem Wechsel zu bewegen. Aus diesem Grund versuchen Arbeitgeber regelmässig, solche Kontakte während der Kündigungsfrist zu unterbinden, sei es mittels Freistellung oder aber einem absoluten Kontaktverbot. Ein solches absolutes Kontaktverbot dürfte sich in der Regel aber in aller Regel als unzulässig erweisen, ist aber in der Praxis relativ oft anzutreffend. Höchstrichterliche Entscheidungen fehlen diesbezüglich allerdings.

Treuepflicht des Arbeitnehmers

In Art. 321a OR ist die Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber verankert. Im Vordergrund der Treuepflicht steht die Pflicht des Arbeitnehmers, alles zu unterlassen, was den Arbeitgeber wirtschaftlich schädigen könnte. Generell zu unterlassen hat er ungebührliches und pflicht- oder rechtswidriges Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Vorgesetzten, Kunden und Lieferanten. Die Treuepflicht ist also in erster Linie eine Unterlassungspflicht.

Die Treuepflicht des Arbeitnehmers ist bei alle dem nicht schrankenlos. Grenze der Treuepflicht sind die berechtigten eigenen Interessen des Arbeitnehmers an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit. Es geht also um eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denjenigen des Arbeitnehmers. Die Treuepflicht gilt nicht nur während der Arbeitszeit, sondern, wenn auch eingeschränkt, in der Freizeit des Arbeitnehmers.

Sodann statuiert Art. 321a Abs. 3 OR das Verbot der entgeltlichen Arbeit für einen Dritten, wenn dadurch die Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt wird. Der wichtigste Anwendungsfall der Verletzung der Treuepflicht wird explizit im Gesetz erwähnt, nämlich die entgeltliche Konkurrenzierung des Arbeitgebers (sog. Schwarzarbeit).

Bei den Regelungen gemäss Art. 321a Abs. 1 und Abs. 3 OR handelt es sich dispositive Bestimmungen. Den Parteien eines Arbeitsvertrages steht es demnach frei davon abweichende Regelungen zu vereinbaren.

Es sei bereits hier festgehalten, dass Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oder Anstellung bei einem anderen konkurrenzierenden Arbeitgeber grundsätzlich zulässig sind. So ist beispielsweise die die Gründung einer eigenen Firma oder die Vornahme damit zusammenhängender Vorbereitungshandlungen arbeitsrechtlich unbedenklich.

Treuepflicht während der Kündigungsfrist

Aufgrund der Treuepflicht sind während dem laufenden Arbeitsverhältnis im Rahmen von Kundenkontakten Abwerbe- und Konkurrenzierungshandlungen nicht zulässig und stellen einen Treubruch dar, dies ungeachtet der Tatsache, dass reine Vorbereitungshandlungen, wie hiervor ausgeführt,  während der Kündigungsfrist für die neue Tätigkeit grundsätzlich zulässig sind. Dabei ist es grundsätzlich nicht massgebend, ob der Arbeitnehmer in gekündigtem oder ungekündigtem Verhältnis zum Arbeitgeber steht.

Damit dem Arbeitnehmer ein Treubruch vorgeworfen werden kann, muss also eine Abwerbehandlung durch diesen gegangen worden sein und diese muss auch vom Arbeitgeber bewiesen werden. Unter einer Abwerbehandlung wird im Wesentlichen die Einflussnahme auf einen vertraglich gebundenen Dritten verstanden, mit dem Ziel, den bestehenden Vertrag zu beenden und einen neuen Vertrag abzuschliessen.

Sofern es sich aber nicht eine klare Vorgehensweise des Arbeitnehmers handelt, wird es für einen Arbeitgeber in aller Regel schwierig sein, eine Abwerbehandlung nachzuweisen. Insbesondere in Fällen, wo sich zwischen den Kunden und dem Arbeitnehmer aufgrund der jahrelang dauernden Zusammenarbeit auch eine private Bindung oder gar Freundschaft entwickelt hat, hat der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse am Kundenkontakt, auch nach einer Kündigung. So reicht ein Kundenkontakt während der Kündigungsfrist noch lange nicht aus, um auch eine unzulässige Abwerbehandlung erstellen zu können.

Mitteilung des Stellenwechsels

Es stellt sich mithin die Frage, ob auch bereits die Mitteilung des Stellenwechsels eine Verletzung der Treuepflicht darstellt. Diese Frage wird in der Praxis von den Gerichten uneinheitlich beantwortet. Wie bereits einleitend dargelegt, kann eine Kontaktnahme mit den Kunden nicht per se verboten werden und die Kontaktnahme an sich stellt auch keine Verletzung der Treuepflicht dar. Allerdings hat sich der Arbeitnehmer sowohl im Inhalt wie in de Vorgehensweise zurückzuhalten und Weisungen des Arbeitgebers in Bezug auf die konkreten Modalitäten zu befolgen. Der Arbeitgeber hat seinerseits bei dieser Ausübung des diesbezüglichen Weisungsrecht den berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rechnung zu tragen, so ist bspw. das schikanöse Festlegen eines Informationszeitpunkts, bei welchem die Kunden gar nicht mehr erreicht werden können, unzulässig.

Die Mitteilung des Arbeitnehmers hat aber grundsätzlich wertungsfrei zu erfolgen und ist auf die vom Arbeitnehmer persönlich betreuten Kunden zu beschränken. Jede über die Information des Ausscheides hinausgehende Information oder Aktivität während noch laufendem Arbeitsverhältnis ist unzulässig, auch während einer Freistellung und würde einen Treubruch darstellen.

Uneinheitlich wird die Frage beantwortet, ob es im Rahmen der Treuepflicht zulässig ist, den Namen des neuen Arbeitgebers zu nennen. Das Arbeitsgericht Zürich hat dies in einem Entscheid im Jahre 2017 verneint und ausgeführt, eine Ausnahme sei einzig für den Fall anzuerkennen, wo sich der Kunde von sich aus erkundige. In diesem Fall dürfe der Name des neuen Arbeitgebers mitgeteilt werden. Zu beachten ist, dass das gleiche Gericht aber auch schon entschieden hat, es sei zulässig, den Namen des neuen Arbeitgebers zu nennen. Die Praxis ist somit uneinheitlich.

Möglichkeiten des Arbeitgebers

Werden gekündigte Mitarbeiter umgehend freigestellt und gelingt es dem Arbeitgeber zu verhindern, dass der Mitarbeiter die Kundenlisten mitnimmt, kann der Arbeitgeber den Kontakt mit den Kunden mitsteuern und unter Umständen Abwerbehandlungen verbieten. Auf der anderen Seite tun Arbeitgeber gut daran, rechtzeitig einen Nachfolger aufzubauen, der ebenfalls das Vertrauen der Kunden geniesst.

Kundenkontakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Treuepflicht endet in der Regel mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Unter Vorbehalt der schriftlichen Vereinbarung eines gültigen Konkurrenzverbotes nach Art. 340 ff. OR (bei Vermögensverwaltern bzw. Berufen mit grosser Kundenbindung sind Konkurrenzverbote in der Regel nicht zulässig) oder eines gültigen Abwerbeverbotes (die Zulässigkeit des Abwerbeverbotes richtet sich nach der Meinung des Bundesgerichts nach den Bestimmungen über das Konkurrenzverbot (BGE 130 II 360))  sind Kundenkontakte grundsätzlich möglich). So hat das Arbeitsgericht Zürich entschieden, dass es nicht verboten ist, dass sich der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an Kunden seines bisherigen Arbeitgebers wendet, weil er deren Namen und Daten noch in Erinnerung hat (ArG ZH in Entscheid 2007 Nr. 3).

Eine Einschränkung kann sich aber auch aus der Geheimhaltungspflicht des Arbeitgebers ergeben. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt die sogenannte relative Geheimhaltungspflicht (bzw. nachwirkende Geheimhaltungspflicht). Der Arbeitnehmer muss die Geheimhaltungspflicht nur dann beachten, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers dies erfordern, wobei die Interessen des Arbeitgebers mit der Zeit immer mehr abnehmen. Es hat aber in jedem Fall eine Interessenabwägung stattzufinden. Handelt es sich um wichtige Geheimnisse, so wird von einer langen Geheimhaltungspflicht ausgegangen. Ungeachtet der Geheimhaltungspflicht darf das Wissen durch den Arbeitnehmer für das eigene berufliche Fortkommen verwendet werden. So darf er nach Beendigung der Anstellung Kunden des bisherigen Arbeitgebers anschreiben (so das Obergericht des Kantons ZH in ZR 2005 Nr. 18, wie auch der Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich hiervor), darf aber dem neuen Arbeitgeber nicht von sich aus mitteilen, dass es sich hier um bisherige Kundenbeziehungen handelt, es sei denn, es sei zusätzlich zur Geheimhaltungspflicht ein Verwertungsverbot vereinbart worden (die Zulässigkeit ist im Einzelfall zu prüfen).

Weitere Schranken

Schranken im Zusammenhang mit der Abwerbung von Kunden können sich aber auch aus anderen Rechtsgebieten, neben dem Arbeitsrecht ergeben.

Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sieht zwar  kein ausdrückliches Abwerbeverbot vor. Es regelt aber teilweise besondere Tatbestände, die im Zusammenhang mit der Abwerbung stehen. So stellen etwa die Verleitung der Kunden zum Vertragsbruch gegenüber dem alten Arbeitgeber (Art. 4 lit. a UWG), der Einsatz aggressiver Werbemethoden (Art. 3 lit. h UWG) oder die Herabsetzung des alten Arbeitgebers (Konkurrenten) gegenüber dem Kunden (Art. 3 lit. a UWG) Verletzungen des UWG dar. Verletzungen des UWG, ausser der Generalklausel, können auch strafrechtliche relevant sein.

Gemäss Art. 162 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis verrät, das er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte. Bei dieser Tatvariante handelt es sich um ein Sonderdelikt, d.h. Täter kann nur sein, wer gegenüber dem Geheimnisherrn einer Geheimhaltungspflicht, sei es aus besonderer vertraglicher Vereinbarung oder aus Art. 321a Abs. 4 OR, unterliegt. Der objektive Tatbestand von Art. 162 StGB setzt weiter voraus, dass es sich bei den preisgegebenen Informationen um Tatsachen handelt, wobei nur die Vertraulichkeit wahrer Tatsachen geschützt ist. Geheim ist eine Tatsache, wenn sie weder allgemein bekannt noch allgemein zugänglich ist, von der demnach ausser dem Geheimnisherrn nur ein beschränkter Personenkreis weiss (relative Unbekanntheit). Zudem muss der Geheimnisherr an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse (Geheimhaltungsinteresse) sowie den Willen haben, dieses tatsächlich geheim zu halten (Geheimhaltungswille). Werden also geheime Informationen mitgeteilt, kann dies auch strafrechtliche Wirkungen zeitigen.

Ein Einzelfällen könnte auch ein Verstoss gegen Art. 158 StGB (ungetreue Geschäftsbesorgung) vorliegen.

 

Weitere Beiträge zum Konkurrenzverbot und zur Treuepflicht

 

Autor: Nicolas Facincani