Semper fidelis,  immer treu – wie sieht es eigentlich mit der Treuepflicht nach Beendigung des Arbeitsvertrages aus?

 

Die Treuepflicht

Die Treuepflichten des Arbeitnehmers sind primär in Art. 321a OR geregelt. Art. 321a OR lautet wie folgt:

1 Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren.

2 Er hat Maschinen, Arbeitsgeräte, technische Einrichtungen und Anlagen sowie Fahrzeuge des Arbeitgebers fachgerecht zu bedienen und diese sowie Material, die ihm zur Ausführung der Arbeit zur Verfügung gestellt werden, sorgfältig zu behandeln.

3 Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses darf der Arbeitnehmer keine Arbeit gegen Entgelt für einen Dritten leisten, soweit er dadurch seine Treuepflicht verletzt, insbesondere den Arbeitgeber konkurrenziert.

4 Der Arbeitnehmer darf geheim zu haltende Tatsachen, wie namentlich Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse, von denen er im Dienst des Arbeitgebers Kenntnis erlangt, während des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen; auch nach dessen Beendigung bleibt er zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist.

Daneben wir auch die Pflicht zur Leistung von Überstunden sowie die Pflicht zur Befolgung von Weisungen teilweise unter die Treuepflicht subsumiert (hierauf soll hier nicht detailliert eingegangen werden.

 

Allgemeine Treuepflicht

Abs. 1 der vorgenannten Bestimmung setzt sich neben der Pflicht zur sorgfältigen Ausführung der Arbeit mit der sogenannten allgemeinen Treuepflicht auseinander.

Ein Arbeitnehmer ist gegenüber dem Arbeitgeber zur Interessenwahrung verpflichtet. Er hat grundsätzlich alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber schaden könnte. Er ist zur Solidarität und Loyalität verpflichtet. Generell zu unterlassen hat er ungebührliches und pflicht- oder rechtswidriges Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Vorgesetzten, Kunden und Lieferanten. Die Treuepflicht ist also in erster Linie eine Unterlassungspflicht. Die Treuepflicht kann aber auch zu einem aktiven Tun verpflichten. U.U. muss der Arbeitnehmer sich dafür einsetzen, dass der Arbeitgeber keinen Schaden erleidet.

Da die Bestimmungen für die allgemeine Treuepflicht dispositives Recht darstellen, können die Parteien im Arbeitsvertrag oder in den Reglementen davon abweichende Regelungen (unter Vorbehalt von Art. 27 ZGB und Art. 20 OR).

 

Nebentätigkeiten

Ein Arbeitnehmer darf parallel zu den Verpflichtungen im Arbeitsvertrag eine Nebentätigkeit, sogar wenn sie bezahlt wird, ausüben. Ein Verbot der entgeltlichen Arbeit für einen Dritten besteht nur, wenn dadurch die Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt wird. Der wichtigste Anwendungsfall der Verletzung der Treuepflicht wird explizit im Gesetz erwähnt (Art. 321a Abs. 3 OR), nämlich die entgeltliche Konkurrenzierung des Arbeitgebers (sog. Schwarzarbeit). Die Einschränkung gilt selbstverständlich auch im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit.

Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ist aber nicht nur die entgeltliche konkurrenzierende Tätigkeit untersagt. Aus der allgemeine Treuepflicht der Arbeitnehmenden nach Art. 321a Abs. 1 OR wird abgeleitet, dass selbst die unentgeltliche konkurrenzierende Tätigkeit u. U. nicht zulässig ist. Bei voller Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann z.B. regelmässig nicht davon ausgegangen werden, dass der Mitarbeiter zulässigerweise eine konkurrenzierende Tätigkeit ausübt, selbst wenn sie unentgeltlich erfolgen sollte. Bei Teilzeitverhältnissen die Gerichtspraxis in der Regel grosszügiger, wobei der Einzelfall zu beurteilen ist.

Aus der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers nach Art. 321a Abs. 1 OR wird weiter abgeleitet, dass unter Umständen nicht nur die konkurrenzierende (oder entgeltliche) Tätigkeit nicht zulässig ist, sondern dass weitere Nebentätigkeiten gegen die Treuepflichten verstossen können.

Diese Regelung der Nebentätigkeiten ist ebenfalls dispositiv. Die Parteien können im Arbeitsvertrag oder in den Reglementen davon abweichende Regelungen (unter Vorbehalt von Art. 27 ZGB und Art. 20 OR) vereinbaren.

 

Geheimhaltungspflicht und Verwertungsverbot

Ein besonderer Teil der Treuepflicht ist die Geheimhaltungspflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a Abs. 4 OR). Dabei trifft den Arbeitnehmer eine Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf alle geheim zu haltenden Tatsachen, die ihm während des Arbeitsverhältnisses bekannt werden, so insbesondere Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse. Zusätzlich zur Verschwiegenheitspflicht beinhaltet die in Art. 321a Abs. 4 OR enthaltene Geheimhaltungspflicht das Verbot, die Tatsachen bzw. die Geheimnisse zu verwerten. Diese Regelung ist ebenfalls dispositiv.

 

Nachvertragliche Treuepflichten

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlöschen die Treuepflichten mangels gesetzlicher Regelung (BGE 138 III 67) mit Ausnahme der nachfolgenden Regelungen. Semper fidelis gilt somit nur eingeschränkt.

 

Konkurrenzverbot

Nach Art. 340 Abs. 1 OR kann sich ein Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich verpflichten, sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses jeder konkurrenzierenden Tätigkeit zu enthalten, insbesondere weder auf eigene Rechnung ein Geschäft zu betreiben, das mit dem der Arbeitgeberin in Wettbewerb steht, noch in einem solchen Geschäft tätig zu sein oder sich daran zu beteiligen. Das Konkurrenzverbot ist nur verbindlich, wenn das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährt und die Verwendung dieser Kenntnisse die Arbeitgeberin erheblich schädigen könnte (Art. 340 Abs. 2 OR). Damit ein zwischen den Parteien vereinbartes Konkurrenzverbot allerdings gültig ist, sind verschiedene Gültigkeitsvoraussetzungen, wie etwa die Schriftlichkeit zu beachten.

Fehlt eine schriftliche Vereinbarung, ist jede Konkurrenzierung oder Abwerbung von Kunden zulässig.

 

Geheimhaltungspflichten und Verwertungsverbot

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt die Geheimhaltungspflicht nur noch abgeschwächt, soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers in Abwägung gegenüber denjenigen des Arbeitnehmers auf berufliche Entfaltung erforderlich ist (Art. 321a Abs. 4 OR). Weitergehende Vereinbarungen betreffend Geheimhaltung sind aber in der Regel zulässig.

Nach der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer bezüglich Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen lediglich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Es ist ihm aber nicht verboten, seine Kenntnisse zu verwerten. Ob eine nachvertragliche Vereinbarung eines Verwertungsverbotes zulässig ist oder als Umgehung des Konkurrenzverbotes betrachtet wird, ist im Einzelfall zu beurteilen.

 

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Autor: Nicolas Facincani