Als Treuepflicht gilt: Ein Arbeitnehmer ist gegenüber dem Arbeitgeber zur Interessenwahrung verpflichtet. Er hat grundsätzlich alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber schaden könnte. Er ist zur Solidarität und Loyalität verpflichtet. Generell zu unterlassen hat er ungebührliches und pflicht- oder rechtswidriges Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Vorgesetzten, Kunden und Lieferanten.

 

Treuepflicht als Unterlassungspflicht

Die Treuepflicht ist also in erster Linie eine Unterlassungspflicht.

Folgende Verbote werden etwa mit der allgemeinen Treuepflicht begründet:

  • Verbot der privaten Nutzung von Firmeneigentum
  • Verbot der Anstiftung von Mitarbeitenden zu illegalem Verhalten
  • Verbot der Weiterleitung von vertraulichen Informationen
  • Verbot der Annahme von Schmiergeldern

 

Treuepflicht zum Tätigkeitwerden

Die Treuepflicht kann aber auch zu einem aktiven Tun verpflichten. U.U. muss der Arbeitnehmer sich dafür einsetzen, dass der Arbeitgeber keinen Schaden erleidet.

So muss der Mitarbeiter im Rahmen einer positiven Verpflichtung etwa

  • Unregelmässigkeiten sowie illegale Praktiken umgehend melden.
  • in Notsituationen andere als die vertraglich vereinbarte Arbeit erbringen. Die Treuepflicht kann also zur vorübergehenden Änderung der Arbeitspflicht führen, sofern dies notwendig ist.
  • mithelfen, die Unternehmensziele zu fördern.

 

Schranken der Treuepflicht

Schranken der Treuepflicht bilden das Prinzip von Treu und Glauben sowie die berechtigten eigenen Interessen des Arbeitnehmers an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit. Es geht also um eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denjenigen des Arbeitnehmers. Die Treuepflicht gilt nicht nur während der Arbeitszeit, sondern – wenn auch eingeschränkt – in der Freizeit des Arbeitnehmers. So stellt sich verschiedentlich die Frage, wie weit ein Arbeitnehmer private Meinungen äussern darf, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen – siehe hierzu den Beitrag betreffend die Kündigungen im Zusammenhang mit Meinungsäusserungen.

 

Dispositives Recht

Da die Bestimmungen für die allgemeine Treuepflicht dispositives Recht darstellen, können die Parteien im Arbeitsvertrag oder in den Reglementen davon abweichende Regelungen treffend und so z.B. erlauben, dass das Firmenfahrzeug auch privat genutzt werden kann.

 

Beispiele

Aufgrund der Rechtsprechung wurden insbesondere die folgenden Sachverhalte als Verletzung der Treuepflicht angesehen:

  • Delikte und ungebührliches Verhalten gegenüber Arbeitgeber
  • Annahme von Schmiergeldern oder ähnlichen Vorteilen/private Vorteile
  • Abwerben von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten
  • Herabsetzen des Ansehens des Arbeitgebers, auch aufgrund von Meinungsäusserungen
  • Stören des Betriebsfriedens
  • Arbeit für einen Dritten während der Arbeitszeit (auch unentgeltlich) oder den Ferien (entgeltlich)
  • Nutzen der Betriebsinfrastruktur für private Zwecke
  • Verletzung von Mitteilungs-, Auskunfts- und Herausgabepflichten
  • Verletzung von Unterstützungspflichten im Notfall
  • Verletzung ausserdienstlicher Pflichten (v.a. bei leitenden Angestellten)

 

Nebentätigkeiten

Grundsätzlich darf ein Arbeitnehmer parallel zu den Verpflichtungen im Arbeitsvertrag eine Nebentätigkeit, auch bezahlte, ausüben. Ein Verbot der entgeltlichen Arbeit ausserhalb des Arbeitsverhältnisses besteht nur, wenn dadurch die Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt wird (Art. 321a Abs. 1 und Abs. 3). Der wichtigste und im Gesetz explizite Anwendungsfall hiervon ist die entgeltliche Konkurrenzierung des Arbeitgebers (sog. Schwarzarbeit). Zur Möglichkeit von (konkurrenzierenden) Nebentätigkeiten: siehe den Beitrag Nebenbeschäftigungen.

 

Geheimhaltungspflicht und Verwertungsverbot

Ein besonderer Teil der Treuepflicht ist die Geheimhaltungspflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a Abs. 4 OR). Dabei trifft den Arbeitnehmer eine Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf alle geheim zu haltenden Tatsachen, die ihm während des Arbeitsverhältnisses bekannt werden, so insbesondere Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse. Zusätzlich zur Verschwiegenheitspflicht beinhaltet die in Art. 321a Abs. 4 OR enthaltene Geheimhaltungspflicht das Verbot, die Tatsachen bzw. die Geheimnisse zu verwerten. Diese Regelung ist ebenfalls dispositiv.

 

Dauer der Treuepflichten

Zur Dauer der Treuepflichten des Arbeitnehmers sei auf den Beitrag Semper fidelis? verwiesen.

 

Weitere Beiträge zur Treuepflicht:

 

Autor: Nicolas Facincani