Im Entscheid des Bundesgerichts 4A_350/2018 vom 25. Oktober 2018 hatte sich das Bundesgericht mit einem Fall des Betriebsüberganges auseinanderzusetzen. Beim Betriebsübergang werden einzelnen Bestandteile eines Unternehmens (also nicht die Gesellschaft) auf einen neuen Rechtsträger übertragen. Es werden also direkt die zum Unternehmen gehörenden Aktiven und gegebenenfalls Passiven sowie wichtige Verträge übertragen. Der Umfang – also welche Aktiven, Passiven und Verträge übertragen werden sollen – wird (im Falle eines Verkaufs) einzeln zwischen Käufer und Verkäufer bestimmt. Für die Arbeitsverträge geltenden die nachfolgenden Regeln.

 

Grundsätzliche Regeln nach Art. 333 OR

Im Falle eines Betriebsüberganges (Übertragungen eines Betriebes oder eines Betriebsteils) gilt aber das folgende (Art. 333 OR):

  • Automatischer Übergang aller Arbeitsverhältnisse des betreffenden Betriebes bzw. Betriebsteiles auf den Erwerber, ohne weitere Rechtshandlung.
  • Die Zustimmung des Arbeitnehmers zum Übergang des Arbeitsverhältnisses ist nicht notwendig
  • Arbeitnehmer kann während einer Bedenkfrist den Übergang des Arbeitsverhältnisses ablehnen. Die Bedenkfrist beträgt gemäss Bundesgericht einige Wochen (siehe hierzu den Beitrag zur Ablehnung des Betriebsüberganges).
  • Im Falle der Ablehnung wird das entsprechende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen (nicht vertraglichen) Kündigungsfrist automatisch beendet.
  • Übertragene Arbeitsverhältnisse bleiben in ihrem Bestand unverändert. Die Vereinbarung neuer Arbeitsbedingungen ab dem Übergangszeitpunkt ist aber zulässig.
  • Ist auf das übertragene Arbeitsverhältnis ein Gesamtarbeitsvertrag anwendbar, muss der Erwerber diesen während eines Jahres einhalten, sofern er nicht vorher abläuft oder infolge Kündigung endet.
  • Will der Erwerber des Betriebes die Arbeitsverhältnisse nicht übernehmen, so muss er den Arbeitnehmern ordentlich kündigen.
  • Ausnahmen bestehen, wenn der Betriebsübergang im Rahmen eines Sanierungsverfahrens stattfindet. Siehe hierzu 5.1.5. Wird der Betrieb oder der Betriebsteil während einer Nachlassstundung, im Rahmen eines Konkurses oder eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung übertragen, so geht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über, wenn dies mit dem Erwerber so vereinbart wurde und der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Im Übrigen gelten die Art. 333, mit der Ausnahme von Art. 333 Abs. 3 OR und Art. 333a OR sinngemäss.

Wird das Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Betriebsüberganges übertragen, so haften der bisherige Arbeitgeber und der neue Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer solidarisch für die Forderungen, welche vor dem Betriebsübergang fällig geworden sind und nachher bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den das Arbeitsverhältnis ordentlicherweise beendet werden könnte oder bei Ablehnung des Übergangs durch den Arbeitnehmer beendigt wird (Art. 333 Abs. 3 OR). Diese Regelung gilt nicht bei der Betriebsübernahme im Rahmen einer Sanierung (Art. 333b OR).

Im Weiteren bestehen Informations- und Konsultationsrechte. Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer (bzw. ihre Vertretung) über den Grund sowie die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs zu informieren und, sofern Massnahmen wie Kündigungen, Reorganisationen oder Lohnkürzungen vorgesehen sind, zu konsultieren. Kommt der Arbeitgeber diesen Verpflichtungen aber nicht nach, so hat dies keine negativen Folgen für den Betriebsübergang und auch ausgesprochene Kündigungen gelten nicht als missbräuchlich.

 

Entscheid des Bundesgerichts 4A_350/2018 vom 25. Oktober 2018

Das Bundesgericht hatte sich im vorgenannten Entscheid mit verschiedenen Fragen auseinanderzusetzen. Die Erwägungen hierfür (welche auf französisch erschienen) sollen nachfolgend wiedergegeben werden:

  • Überträgt der Arbeitgeber den Betrieb oder einen Teil davon auf einen Dritten, geht das Arbeitsverhältnis gemäss Art. 333 Abs. 1 OR am Tag der Betriebsnachfolge mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über, sofern der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Für die Übertragung eines Unternehmens im Sinne von Art. 333 Abs. 1 OR genügt es, dass der Betrieb oder ein Teil davon vom neuen Unternehmer tatsächlich weitergeführt wird. Der Betrieb gilt als ganz oder teilweise fortgesetzt, wenn seine Identität, d.h. seine Organisation und sein Zweck bewahrt wird. Die Beurteilung erfolgt auf der Grundlage aller Fakten und Umstände des Geschäfts. Entscheidend ist dabei, ob der Erwerber tatsächlich die gleiche oder eine ähnliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder übernimmt.
  • Der Betriebsübergang ist eine echte Übernahmeverpflichtung, da das zum Zeitpunkt der Übertragung bestehende Arbeitsverhältnis sofort auf den Käufer übergeht, auch gegen dessen Willen. Zwischen dem Arbeitgeber, der das Unternehmen überträgt, und demjenigen, der es übernimmt, kann keine abweichende Vereinbarung getroffen werden; im Gegenteil, die Übertragung von Arbeitsverhältnissen hängt allein vom Willen des Arbeitnehmers aufgrund des ihm eingeräumten Widerspruchsrechts ab. Um von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen, hat der Bedenkzeit von einigen Wochen ab dem Zeitpunkt, an dem er Kenntnis von Unternehmensübertragung erlangt hat. Reagiert er nicht innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem er von der Übertragung Kenntnis erlangt hat, so wird vermutet, dass er den Übergang des Arbeitsverhältnisses stillschweigend akzeptiert hat.
  • Wünschen die Parteien des Arbeitsvertrages, dass das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortgesetzt wird, so darf sich der Arbeitnehmer der Übertragung nicht wiedersetzen, da das Arbeitsverhältnis sonst gesetzlich erlischt (Art. 333 Abs. 2 OR), er muss aber nach der Übertragung das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Käufer kündigen und einen neuen Arbeitsvertrag mit dem ehemaligen Arbeitgeber abschließen (Erinnerung an die Rechtsprechung, E. 3).
  • Im vorliegenden Fall steht die Tatsache, dass das Unternehmen (nach der Übernahme) sein Angebot geändert hat (Weine, statt brasilianische Cocktails), nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass es sich immer noch um eine Bar handelt (E. 4.1).
  • Aufgrund der Erkenntnisse über das Verhalten des Mitarbeiters konnten die kantonalen Richter ohne Willkür feststellen, dass es keinen Widerspruch im Sinne von Art. 333 Abs. 1 OR gegeben hat. Die Mitarbeiterin, die über die Übertragung des Unternehmens informiert wurde, hatte den Wunsch geäußert, für den Käufer zu arbeiten, und erklärte, dass sie schwanger sei und befürchtete, dass sie unter diesen Bedingungen keinen anderen Arbeitsplatz finden würde. Die Tatsache, dass sie sich bereit erklärt hat, zu einem Zeitpunkt, als sich die Einrichtung des Käufers im Aufbau befand und ohne ein Gehalt zu verlangen, am Stand ihres ehemaligen Arbeitgebers zu arbeiten und für diesen eine Tätigkeit auszuüben, ändert nichts daran. Wollte die Arbeitnehmerin wirklich weiter für ihren ehemaligen Arbeitgeber arbeiten, musste sie sich jedenfalls nicht gegen die Versetzung aussprechen, sondern den Arbeitsvertrag mit dem Käufer kündigen und einen neuen Vertrag mit dem ehemaligen Arbeitgeber abschließen (E. 5.3).

 

Autoren: Nicolas Facincani / Aline C. Camin