Gemäss Art. 347 Abs. 1 OR „verpflichtet sich der Handelsreisende, auf Rechnung des Inhabers eines Handels-, Fabrikations- oder anderen nach kaufmännischer Art geführten Geschäftes gegen Lohn Geschäfte jeder Art ausserhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers zu vermitteln oder abzuschliessen“.

Charakteristisch für den Handelsreisenden ist daher das Folgende:

  • Verpflichtung zur Vermittlung oder zum Abschluss von Geschäften.
  • Die Vermittlung erfolgt ausserhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers.
  • Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur Entrichtung des Lohnes.

 

Der Handelsreisendenvertrag ist ein besonderer Arbeitsvertrag.

 

Besonderheiten des Vertrages mit Handelsreisenden

Gegenüber dem gewöhnlichen Arbeitsvertrag weist der Handelsreisende folgende Besonderheiten auf:

  • Die Arbeitsleistung eines Handelsreisenden besteht in der Vermittlung oder dem Abschluss von Handelsgeschäften, was insbesondere Absatzgeschäfte mit Kunden, nicht jedoch Einkaufsgeschäfte mit Lieferanten umfasst.
  • Die Tätigkeit des Handelsreisenden muss unmittelbar auf den Geschäftsabschluss gerichtet sein. Ziel der Tätigkeit ist je nach Bevollmächtigung das Bewirken von Bestellungen oder der Abschluss von Verträgen. Der blosse Nachweis von Geschäftstätigkeiten oder lediglich verkaufsfördernde Tätigkeiten wie Demonstration, Beratung, Kundenbetreuung, Schadeninspektion usw. genügen also nicht.
  • Geschäftsvermittlung nach Art. 347 OR liegt nur vor, wenn der Handelsreisende auf fremde Rechnung handelt. Ein Handeln auf eigene Rechnung wird durch Art. 347 Abs. 2 OR beim Handelsreisenden ausdrücklich ausgeschlossen.
  • Anders als beim Agenturvertrag wird beim Handelsreisenden in Art. 347 OR ein Handeln in fremdem Namen nicht vorausgesetzt. Wenn der Arbeitnehmer in eigenem Namen handelt, schliesst dies jedoch auch den Geschäftsabschluss und die Geschäftsabwicklung mit ein, weshalb bei einer solchen Tätigkeit nur ein gewöhnlicher Einzelarbeitsvertrag in Frage kommt.
  • Nach Art. 347 Abs. 1 OR muss der Geschäftsherr des Handelsreisenden der Inhaber eines Handels-, Fabrikations- oder anderen nach kaufmännischer Art geführten Geschäftes sein. Regelmässig wird dieser Geschäftsherr zugleich der Arbeitgeber sein, aber nicht notwendig (z.B. bei gestufter Absatzorganisation). Ob das Unternehmen des Geschäftsherrn tatsächlich im Handelsregister eingetragen ist, ist für die Qualifizierung des Handelsreisenden gleichgültig.
  • 347 OR legt fest, dass die Vermittlungstätigkeit „vorwiegend“ (Art. 347 Abs. 1 OR) „ausserhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers“ (Art. 347 Abs. 2 OR) zu erfolgen hat. Handelsreisender ist also nur, wessen Reisetätigkeit überwiegt. Gleichgültig ist, ob der Reisende die Kunden an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz aufsucht oder diese an einem anderen Ort trifft (z.B. Messen, Wanderausstellungen), sofern die Tätigkeit dort nur nicht stationär wird oder zu Direktverkäufen führt.
  • 347 Abs. 2 OR schliesst gelegentliche und vorübergehende Arbeit aus dem Geltungsbereich der Vorschriften über den Handelsreisenden aus.
  • Der Handelsreisende hat die Kundschaft in der ihm vorgeschriebenen Weise zu besuchen, sofern nicht ein begründeter Anlass eine Änderung notwendig macht; ohne schriftliche Bewilligung des Arbeitgebers darf er weder für eigene Rechnung noch für Rechnung eines Dritten Geschäfte vermitteln oder abschliessen.
  • Ist der Handelsreisende zum Abschluss von Geschäften ermächtigt, so hat er die ihm vorgeschriebenen Preise und anderen Geschäftsbedingungen einzuhalten und muss für Änderungen die Zustimmung des Arbeitgebers vorbehalten.
  • Der Handelsreisende hat über seine Reisetätigkeit regelmässig Bericht zu erstatten, die erhaltenen Bestellungen dem Arbeitgeber sofort zu übermitteln und ihn von erheblichen Tatsachen, die seinen Kundenkreis betreffen, in Kenntnis zu setzen.
  • Ist dem Handelsreisenden ein bestimmtes Reisegebiet oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen und nichts anderes schriftlich verabredet, so gilt er als mit Ausschluss anderer Personen bestellt; jedoch bleibt der Arbeitgeber befugt, mit den Kunden im Gebiet oder Kundenkreis des Handelsreisenden persönlich Geschäfte abzuschliessen. Der Arbeitgeber kann die vertragliche Bestimmung des Reisegebietes oder Kundenkreises einseitig abändern, wenn ein begründeter Anlass eine Änderung vor Ablauf der Kündigungsfrist notwendig macht; jedoch bleiben diesfalls Entschädigungsansprüche und das Recht des Handelsreisenden zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund vorbehalten.
  • Ist der Handelsreisende ohne sein Verschulden an der Ausübung der Reisetätigkeit verhindert und ist ihm auf Grund des Gesetzes oder des Vertrages der Lohn gleichwohl zu entrichten, so bestimmt sich dieser nach dem festen Gehalt und einer angemessenen Entschädigung für den Ausfall der Provision. Beträgt die Provision weniger als einen Fünftel des Lohnes, so kann schriftlich verabredet werden, dass bei unverschuldeter Verhinderung des Handelsreisenden an der Ausübung der Reisetätigkeit eine Entschädigung für die ausfallende Provision nicht zu entrichten ist.

 

Der Lohn

In der Regel ist der Hauptbestandteil des Entgelts des Handelsreisenden ein festes Gehalt. Durch schriftliche Abrede kann jedoch vereinbart werden, dass die Provision die Mehrheit des Entgelts ausmacht oder dass ausschliesslich Provisionen bezahlt werden. In diesem Fall muss die Provision jedoch ein „angemessenes Entgelt für die Tätigkeit des Handelsreisenden“ ergeben (Art. 349a Abs. 2 OR). Davon macht Art. 349a Abs. 3 OR für die Probezeit eine Ausnahme. Diese Regelung gilt auch für „gewöhnliche Arbeitsverträge„, bei welchen der Lohn ausschliesslich aus Provisionen besteht.

Die Angemessenheit des Entgelts des Handelsreisenden ist aufgrund des Einzelfalles zu ermitteln. Eine Provision ist angemessen, wenn sie dem Handelsreisenden einen Verdienst garantiert, mit dem er sein Leben gemäss seinem Arbeitseinsatz, seiner Ausbildung, seiner Dienstjahre, seinem Alter und seinen sozialen Aufgaben auf eine zufrieden stellende Weise finanzieren kann (Adrian Staehelin, Zürcher Kommentar zu Art. 319-362 OR, N 4 zu Art. 349a OR).

Abreden, wonach der Auslagenersatz ganz oder teilweise im festen Gehalt oder in der Provision eingeschlossen sein soll, sind nichtig.

 

Vertragsabschluss

Der Arbeitsvertrag mit einem Handelsreisenden muss schriftlich abgeschlossen sein und insbesondere Dauer, Vollmachten, Entgelt und Auslagenersatz regeln (Art. 347a Abs. 1 OR). Wird diese Bestimmung nicht eingehalten, ist der Vertrag aber nicht ungültig. Es handelt sich dabei nur um eine Ordnungsvorschrift. Soweit das Arbeitsverhältnis nicht durch schriftlichen Vertrag geregelt ist, wird der Inhalt durch die gesetzlichen Vorschriften und durch die üblichen Arbeitsbedingungen bestimmt (Art. 347a Abs. 2 OR).

 

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Autor: Nicolas Facincani