Personen, die nach dem 60. Altersjahr von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert werden, erhalten bis zum Bezug einer Altersrente Überbrückungsleistungen (ÜL), wenn sie vorher genügend lang in der Schweiz erwerbstätig waren und nur wenig Vermögen besitzen.

 

Anspruchsvoraussetzungen für die Überbrückungsleistungen

Für den Anspruch auf die Überbrückungsleistungen müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Aussteuerung ab dem 60. Altersjahr.
  • Insgesamt 20 AHV-Beitragsjahre, von welchen mindestens 5 nach dem 50. Altersjahr, mit einem jährlichen Mindesteinkommen in der Höhe der BVG-Eintrittsschwelle (entspricht 75 % der maximalen Altersrente).
  • Es besteht kein Anspruch auf eine Invalidenrente und kein Vorbezug der Altersrente der AHV Das Vermögen einer alleinstehenden Person beträgt weniger als 50’000 Franken bzw.  bei Ehepaaren weniger als 100’000 Franken (selbstbewohntes Wohneigentum wird nicht angerechnet).
  • Die anerkannten Ausgaben übersteigen die anrechenbaren Einnahmen (wirtschaftliche Voraussetzung).

Der Anspruch auf Überbrückungsleistung endet, wenn die Anspruchsberechtigten

  • das ordentliche Rentenalter der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) erreichen; oder
  • die Altersrente frühestens vorbeziehen können, wenn dann absehbar ist, dass sie bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen gemäss dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 20064 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) haben werden.

 

Übermässiger Vermögensverbrauch bleibt unberücksichtigt

Im Urteil vom 18. März 2024 (8C_438/2023) hat das Bundesgericht nun entschieden, dass beim Entscheid über einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose anders als bei Ergänzungsleistungen unberücksichtigt bleiben müsse, wenn die betroffene Person zuvor ihr Vermögen übermässig verbraucht hat.

 

Sachverhalt

Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine versicherte Person aus dem Kanton Tessin hatte im September 2022 um die Ausrichtung von Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose ersucht. Dies wurde ihr von der kantonalen Ausgleichskasse AHV/IV/EO verwehrt, da sie in den vergangenen rund eineinhalb Jahren vor Einreichung des Gesuchs mehr als 120’000 Franken ihres ausbezahlten Freizügigkeitsguthabens der Pensionskasse ohne Grundangabe verbraucht habe. Im Umfang von 71’000 Franken gelte dies als freiwilliger Vermögensverzicht durch übermässigen Verbrauch. Bei Anrechnung dieses Betrages liege das Vermögen des Gesuchstellers über der Anspruchsschwelle von 50’000 Franken. Das Kantonsgericht des Kantons Tessin hiess die Beschwerde der versicherten Person 2023 gut; gemäss dem am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLG) sei ein übermässiger Vermögensverbrauch nur zu berücksichtigen, wenn er ab der Entstehung des Anspruchs auf Überbrückungsleistungen erfolgt sei. Das sei hier nicht der Fall, da der Anspruch des Gesuchstellers grundsätzlich erst nach der letzten Leistung der Arbeitslosenversicherung per Ende November 2022 entstanden sei. Die Sache wurde zur Neubeurteilung an die Ausgleichskasse zurückgewiesen.

 

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Ausgleichskasse ab. Diese hatte unter anderem argumentiert, dass das Urteil des Kantonsgerichts zu Koordinationsproblemen zwischen Übergangs- und Ergänzungsleistungen führe. Laut Bundesgericht entsprach es dem klaren Willen des Gesetzgebers, das System der Übergangsleistungen so weit wie möglich demjenigen der Ergänzungsleistungen anzugleichen. Die Rechtsprechung zu den Ergänzungsleistungen kann insofern grundsätzlich als Hilfsmittel bei der Auslegung der Bestimmungen zu den Übergangsleistungen dienen. Eine Ausnahme muss indessen beim freiwilligen Vermögensverzicht durch übermässigen Verbrauch gelten. Gemäss Artikel 13 Absatz 3 ÜLG sei diesbezüglich nur der Zeitraum ab der Entstehung des Anspruchs auf Übergangsleistungen massgebend. Eine Rückwirkungsklausel wie bei den Ergänzungsleistungen bestehe nicht; bei den Ergänzungsleistungen werde ein übermässiger Vermögensverbrauch auch berücksichtigt, wenn er in den 10 Jahren vor dem Beginn eines Anspruchs auf eine AHV-Rente erfolgte.

 

Autor: Nicolas Facincani 

 

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