Seit Januar 2012 verfügt die Schweiz über den allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag des Personalverleihs („GAVP“). Am 1. Mai 2016 ist eine revidierte Fassung, gültig bis 2018, in Kraft getreten. Wesentliche Änderungen betreffen insbesondere den Geltungsbereich, die Arbeitszeit und die Mindestlöhne.

 

  1. Der Geltungsbereich

Der GAVP gilt für die ganze Schweiz, d.h. er ist anwendbar, wenn der effektive Arbeitsort des verliehenen Arbeitnehmers in der Schweiz ist. Fraglich ist allenfalls, ob bereits ein Sitz des Verleihers oder des Einsatzbetriebs in der Schweiz die Anwendbarkeit des GAVP nach sich zieht.

Der GAVP gilt grundsätzlich für Betriebe die (i) Inhaber einer Arbeitsverleihbewilligung nach Arbeitsvermittlungsgesetz (AVG) sind und (ii) deren Hauptaktivität der Personalverleih ist.

Für Arbeitnehmer mit Löhnen über dem maximal versicherten Verdienst nach SUVA (derzeit CHF 148’200) und Arbeitnehmer, die bei Engpässen in landwirtschaftliche Betriebe verliehen werden ist der GAVP nicht allgemeinverbindlich. Ohnehin gilt er nur für verliehene Arbeitnehmer, als nicht für Arbeitnehmer, die für den Verleiher selber arbeiten, etwa deren Administratoren.

Der GAVP gilt ergänzend, teilweise gewisse Regelungen ersetzend, auch für Einsatzbetriebe, die einem (anderen) GAV unterstehen. Der GAVP definiert die Ausnahmen für bestimmte Betriebe. Kommt es zu Kollisionen zwischen dem GAVP und einem anderen anwendbaren GAV, muss anhand der Kollisionsregeln der beiden GAV entschieden werden, welcher GAV im Einzelnen den Vorrang erhält. Die Praxis hat hierzu auch Kollisionsregeln erarbeitet.

 

  1. Inhalt des GAVP

Der GAVP regelt viele wichtige Punkte des Arbeitsverhältnisses zwischen dem verliehenen Arbeitnehmer und seinen Betrieben, d.h. dem Verleihbetrieb einerseits und dem Einsatzbetrieb andererseits.

2.1             Die wichtigsten Punkte des GAVP im Überblick

Nachfolgend soll eine stichwortartig kurze Übersicht über die wichtigsten Punkte des GAVP gegeben werden:

  • Fixierte Mindestlöhne, je nach Ausbildungsniveau und Region.
  • Die Mindestlöhne werden in der Deutschschweiz und in der Romandie stufenweise erhöht.
  • 13. Monatslohn für alle Einsätze.
  • Die Berechnungsart für die Berechnung des Bruttolohns ist für alle Unternehmen festgelegt, die keinem anderen GAV als dem GAVP unterstellt sind.
  • Ferien werden aufgrund der Summe von Grundlohn und Feiertagen berechnet.
  • Die reguläre Arbeitszeit beträgt 42 Wochenstunden.
  • Die Entlohnung von Überstunden und Überzeit sowie Ferien- und Feiertagsentschädigungen sind klar definiert.
  • Für die Weiterbildung von verliehenen Arbeitnehmer wurde ein Fonds gegründet.
  • Die Regelungen der beruflichen Vorsorge wurden für alle verliehenen Arbeitnehmer vereinheitlicht.
  • Es besteht eine Krankentaggeld-Versicherungspflicht, welche bei befristeten Einsätzen mit einer Höchstdauer von 13 Wochen 60 Tage abdecken muss und 720 Tage bei allen anderen Einsätzen.
  • Die im GAV festgelegten Berufsbeiträge belaufen sich auf 1,0 % des Bruttolohns, hiervon entfallen 0,3 % auf den Arbeitgeber und 0,7 % auf den Arbeitnehmer. Sie fliesen die Weiterbildungsförderung, den Sozialfonds und den Vollzug des GAVP.
  • Die Grenze zur zuschlagspflichtigen Tagesüberzeit steigt von 9 auf 9 Stunden und 30 Minuten. Allerdings bleibt die Grenze zur zuschlagspflichtigen Wochenüberzeit bei 45 Stunden. Damit kann eine gewisse Flexibilisierung der Tagesarbeitszeit erreicht werden.
2.2        Einige ausgewählte Regelungen des GAVP

Nachfolgend sollen einige wichtige Punkte (mit Ausnahme des Lohns) des GAVP erörtert werden.

2.2.1       Beschäftigungsdauer

Für Leistungen, die von der Dauer der Beschäftigung des verliehenen Arbeitnehmers abhängen, werden alle Einsätze, die innerhalb von 12 Monaten bei demselben Verleihbetrieb geleistet werden, zusammengezählt. Dabei gelten 22 entlohnte Arbeits-, Ferien- und Feier-, Krankheits- und Unfalltage als ein Monat. Diese Regelung gilt nicht für die Probezeit und die Kündigungsfristen. Diese Regelung ist insbesondere von Bedeutung bei der Entschädigungspflicht von auf einen Arbeitstag fallenden Feiertagen, für die Leistungen der Krankentageldversicherung und bei der Versicherungspflicht bei der beruflichen Vorsorge.

2.2.2     Probezeit

Bei einem unbefristeten Einsatzvertrag, sofern er ein neues Arbeitsverhältnis begründet, gelten die ersten drei Monate als Probezeit. Beim befristeten Arbeitsverhältnis gelten die ersten zwei Drittel, längstens jedoch drei Monate als Probezeit. Sie kann verkürzt oder wegbedungen werden.

2.2.3        Kündigungsfristen

Die Kündigungsfristen des GAVP gelten nur für die Temporärarbeiter. Bei den übrigen Verleihformen gelten die arbeitsrechtlichen Kündigungsfristen nach OR oder dem OR vorgehenden Regelungen.

Während der Probezeit gilt nach dem GAVP für Temporärarbeiter eine Kündigungsfrist von zwei Arbeitstagen. Diese Kündigungsfrist gilt wohl auch befristeten Einsätzen.

Bei unbefristeten Einsätzen von Temporärarbeitern betragen die Kündigungsfristen während den ersten drei Monaten zwei Arbeitstage und vom vierten bis und mit dem sechsten Monat sieben Tage. Ab dem siebten Monat gilt eine einmonatige Frist mit Kündigungstermin auf den gleichen Tag des Folgemonats (vgl. auch die Regelungen des Arbeitsvermittlungsgesetzes).

2.2.4     Arbeitszeit

Der GAVP sieht eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 42 Stunden vor, wobei die 43. bis und mit 45. Wochenstunden als Überstunden gelten, die zuschlagsfrei zu bezahlen oder mit Freizeit von gleicher Dauer zu kompensieren sind.

Überstunden liegen jedoch auch bereits dann vor, wenn mit dem verliehenen Arbeitnehmer einzelvertraglich eine wöchentliche Normalarbeitszeit von weniger als 42 Stunden vereinbart wurde und er im Vergleich zu dieser Normalarbeitszeit zusätzliche Stunden arbeitet.Die Arbeitszeit über 9,5 Stunden pro Tag bzw. über 45 Stunden pro Woche gilt als Tages- bzw. Wochenüberzeit und wird an Werktagen mit einem Lohnzuschlag von 25% und an Sonntagen mit einen Zuschlag von 50% (jeweils Basislohn + Anteil 13. Monatslohn) ausbezahlt. Tages- und Wochenüberzeit werden nicht kumuliert. Es gilt jeweils die höhere Anzahl Stunden pro Woche.

2.2.5       Ferien

Der Ferienanspruch gemäss GAVP beträgt grundsätzlich 20 Arbeitstage; bis zum zurückgelegten 20. Altersjahr sowie ab dem vollendeten 50. Altersjahr haben die verliehenen Arbeitnehmer einen Ferienanspruch von 25 Tagen.

Für die Berechnung des Ferienlohns werden die (üblichen) Sätze von 8.33 % für 20 Ferientage und von 10.6 % für 25 Ferientage herangezogen. Bei der Berechnung des Ferienlohns sind variable Lohnbestandteile, wie namentlich Provisionen, Umsatzbeteiligungen etc., ebenso einzubeziehen wie regelmässig ausgerichtete Zuschläge für Sonntags- oder Nachtarbeit und dergleichen. Bei schwankendem Einkommen ist auf den Durchschnittslohn während einer angemessenen Referenzperiode abzustellen.

Die Auszahlung des Ferienlohnes darf für maximal dreimonatige, einmalige Arbeitsverhältnisse direkt mit dem Lohn erfolgen, muss aber auf der Lohnabrechnung separat ausgewiesen werden. Die Auszahlung des Ferienlohnes für alle übrigen Arbeitsverhältnisse darf nur bei Bezug der Ferien oder bei definitiver Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen, sofern der Bezug innerhalb der Kündigungsfrist nicht möglich oder gesetzlich nicht erlaubt ist.

Das laufende Ferienguthaben ist auf den Lohnabrechnungen auszuweisen.

 

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Autor: Reto Sutter