Die Abgrenzung zwischen Arbeitsvermittlung und Personalverleih ist im Einzelfall nicht immer einfach vorzunehmen.

Im Urteil vom 2. November 2018 (2C_132/2018) hat sich das Bundesgericht mit der Frage befasst, ob es sich in einem konkreten Fall um bewilligungspflichtigen Personalverleih oder um Arbeitsvermittlung handelte. Ob eine Dienstleistung als bewilligungspflichtiger Personalverleih zu qualifizieren ist oder ob es sich dabei um andere Arten von Dienstleistungen handelt, die einem Dritten erbracht werden, ergibt aus einer Abgrenzung im Einzelfall. Massgeblich ist der Inhalt des Vertrags und die Umschreibung der konkreten Tätigkeit im Einsatzbetrieb. Hingegen kann die Bezeichnung des Vertrags durch die Parteien nicht entscheidend sein.

 

Arbeitsvermittlung:

Wer regelmässig und gegen Entgelt im Inland Arbeit vermittelt, indem er Stellensuchende und Arbeitgeber zum Abschluss von Arbeitsverträgen zusammenführt (Vermittler), benötigt eine Bewilligung des kantonalen Arbeitsamtes. Wer regelmässig Arbeit ins oder aus dem Ausland vermittelt (Auslandsvermittlung), benötigt zusätzlich zur kantonalen Betriebsbewilligung eine Bewilligung des Staatssekretariat für Wirtschaft SECO

Als Vermittler gilt namentlich wer mit Stellensuchenden und mit Arbeitgebern Kontakte hat und beide Parteien miteinander in Verbindung bringt. Ziel der Vermittlung ist der Abschluss eines Arbeitsvertrags.

 

Personalverleih:

Demgegenüber stellt beim Personalverleih der Arbeitgeber (= Verleiher) von ihm angestellte Arbeitnehmer Dritten (= Einsatzbetriebe) gewerbsmässig für Arbeitsleistungen zur Verfügung. Zwischen Verleiher und Arbeitnehmer besteht ein Arbeitsvertrag. Zwischen Verleiher und Einsatzbetrieb besteht ein Verleihvertrag. Der Arbeitnehmer erbringt die Arbeitsleistung nicht im Betrieb des Arbeitgebers (Verleihers), sondern in einem Einsatzbetrieb. Dies hat eine Aufspal­tung der Arbeitgeberfunktion zur Folge: Das Weisungsrecht betreffend Ziel- und Fachanweisungen und des Verhaltens der Arbeitnehmer gehen an den Einsatzbetrieb über. Die übrigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, insbesondere die Lohnzahlungspflicht, bleiben beim Verleiher.

Man unterscheidet drei Formen des Personalverleihs: Temporärarbeit, Leiharbeit und gelegentliches Überlassen. Die Temporärarbeit und die Leiharbeit sind bewilligungspflichtig, sofern dies gewerbsmässig betrieben wird. Beachtlich sind die gesetzlichen Regeln des Arbeitsvermittlungsgesetzes (SR 823.11) und deren Verordnungen.

Der Personalverleih vom Ausland in die Schweiz durch einen ausländischen Verleihbetrieb ist grundsätzlich verboten; es gibt einige wenige Ausnahmen.

 

Entscheid des Bundesgericht BGE 2C_132/2018:

In diesem Fall stellt der Personalverleiher, der sich als Vermittler sah, Senioren in der Schweiz ausländische Betreuungspersonen zur Verfügung.

Das Bundesgericht schützte den Entscheid der Vorinstanz und qualifizierte den „Vermittler“ als Personalverleiher.

Der Vermittler bot Senioren Betreuung und Unterstützung zu Hause. Hierzu schliesst er mit den Senioren einen „Dienstleistungsvertrag für die Vermittlung von Arbeitskräften als Unterstützung in der Seniorenbetreuung und im Haushalt“ ab. Gegenstand dieses Dienstleistungsvertrags ist „die Vermittlung von ausländischen Arbeitskräften zur Haushalts- und Betreuungsunterstützung“. Dabei „klärt [der „Vermittler“] die spezifische Haushalts- und Mobilitätssituation bei Senioren/Seniorinnen ab, sucht und vermittelt bestmöglich geeignete Hilfen für ältere Menschen, damit diesen so ein längeres Leben in den eigenen vier Wänden ermöglicht wird. [Sie] koordiniert die befristeten Arbeitseinsätze, den Abschluss der Arbeitsverträge sowie im unterstützenden Sinne das Ausführen der sich daraus ergebenden Abrechnungen und den Verkehr mit Ämtern und weiteren im Geschäftsablauf involvierten Stellen. Des Weiteren kann bedarfsweise Beratung bei Infrastrukturfragen und Hilfe bei allfällig entstehenden Problemen angeboten werden. [Die Beschwerdeführerin] ist Kontakt- und Ansprechstelle für die Kundschaft und die Arbeitskräfte während der gesamten Vertragsdauer“. Mittels einer Vollmacht kann der Senior die Beschwerdeführerin sodann ermächtigen, in seinem Interesse und in seinem Namen „alle notwendigen Geschäfte zu tätigen. Dies schliesst insbesondere auch den Verkehr mit den Ämtern und weitere für einen geordneten Geschäftsablauf notwendigen Kontakte ein“.

Die einzelnen Arbeitsverträge mit den Betreuungskräften wurden von den Senioren, als (formelle) Arbeitgeber unterzeichnet. Dabei handelt es sich um standardisierte Verträge, die durch die Beschwerdeführerin vorbereitet und den Senioren bzw. ihren Angehörigen zur Unterschrift vorgelegt wurden.

Das Gericht stellte fest, dass das Geschäftsmodell des „Vermittler“ darauf ausgerichtet gewesen sei, den Senioren das Leben in den eigenen vier Wänden zu erleichtern. Die Entlastung des Einsatzbetriebs von sämtlichem administrativen Aufwand sei einer der Zwecke des Personalverleihs. Die Ausgestaltung des Dienstleistungsvertrags deutet darauf hin, dass der „Vermittler“ den Senioren grundsätzlich ein Gesamtpaket inklusive Treuhanddienstleistungen bieten möchte. Damit gingen die von ihm angebotenen Dienstleistungen über eine reine Arbeitsvermittlung hinaus.

Die vom „Vermittler“ dagegen vorgebrachten Argumente wurden nicht gehört. Er meinte, er schliesse selber keine Verträge mit den Betreuungspersonen ab. Die Arbeitsverträge bestünden zwischen den Betreuungspersonen und den Senioren, welche den Lohn, Betreuungstage, Arbeitszeiten, freie Tage und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmen würden. Zudem verfüge er über kein Weisungsrecht. Die verschiedenen administrativen Arbeiten, welche er übernehme, würden immer stellvertretend im Namen der Senioren und nicht in ihrem eigenen Namen durchgeführt. Ferner werde er als Vermittlerin mittels eines Fixpreises entschädigt, was ebenfalls gegen das Vorliegen von Personalverleih spreche.

Das Gericht war der Ansicht, dass der „Vermittler“ erfülle faktisch die Eigenschaft einer Arbeitgeberin. Er übernehme zusätzliche Aufgaben, welche zu den Arbeitgeberpflichten gehörten und nicht mehr als Arbeitsvermittlung zu qualifizieren seien. Er kläre im Vorfeld des Vertrags etwa ab, welche Bedürfnisse der Senior habe und suche eine entsprechende Betreuungsperson. Ein befristeter Arbeitsvertrag werde zwar formell zwischen dem Senior und der Betreuungsperson abgeschlossen, doch werde dieser vom „Vermittler“ initiiert. Indem er die Arbeitseinsätze und den Arbeitsvertragsabschluss koordiniere, die sich daraus ergebenden Abrechnungen ausführe und mit den Ämtern und weiteren involvierten Stellen verkehre, erledige er typische Arbeitgebertätigkeiten. Schliesslich würden auch Lohnzahlungen durch die Beschwerdeführerin ausgelöst.

Mitunter hielt das Gericht also fest, dass eine Stellvertretung auch vorgeschoben sein kann und darum nicht zu beachtet ist. Wer mehr als nur reine Vermittlungsleistungen erbringt, ist demnach auch mehr als nur ein Vermittler. Auch der Einsatz von vom „Vermittler“ erarbeiteten „standardisierten“ Produkten (Arbeitsverträge) liess die Wage Richtung Qualifikation als Personalverleiher tendieren, selbst wenn formelle der Dritte als Arbeitgeber im Arbeitsvertrag genannt wurde. Ferner griff auch das Argument des „Vermittlers“, er habe kein Weisungsrecht gegenüber den Betreuungskräften, nicht, weil das Weisungsrecht bei Personalverleihverhältnissen in der Regel gespalten ist. Während der Einsatzbetrieb den Arbeitnehmer über die Art und den Umfang der zu verrichtenden Arbeiten vor Ort instruiert und ihm die notwendigen Arbeitsmittel zur Verfügung stellt, trägt der Verleiher insbesondere die Verantwortung für die Auswahl des für den Einsatz am besten geeigneten Arbeitnehmers. Vorliegend wählte der „Vermittler“ die Beschwerdeführerin aufgrund der Bedürfnisanalyse eine geeignete Betreuungskraft aus und wiess sie einem bestimmten Kunden zu. Auch das Argument der „Vermittler“ werde durch einen Fixpreis entschädigt griff nicht. Dieses Kriterium ist im Falle der Arbeitsvermittlung nicht relevant, da die Vermittlung – im Gegensatz zu einem Auftrag oder einem Werkvertrag – nicht von einer Hilfsperson des Arbeitgebers bei einem Dritten vor Ort erbracht wird.

Zusammenfassend stellte das Gericht fest, dass der „Vermittler“ mit der Koordination der Arbeitseinsätze und des Arbeitsvertragsabschlusses, mit dem Ausführen der mit der Anstellung zusammenhängenden Geschäfte sowie mit dem Verkehr mit den Ämtern und anderen involvierten Stellen Tätigkeiten ausübt, die den Rahmen einer Arbeitsvermittlung bei Weitem sprengen. Vielmehr handelt es sich dabei um spezifische Tätigkeiten, die in der Regel ein Arbeitgeber ausführt.

Schliesslich sah das Bundesgericht keinen Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, wonach Betreuungs- und Hausdienste unter die Bestimmungen des Personalverleihs fallen können, anerkannte aber die diesbezügliche Kritik in der neueren Lehre.

 

Bemerkung:

Ob ein bewilligungspflichtiger Personalverleih vorliegt, ist im Einzelfall abzuklären. Wer jedoch Arbeitnehmer einem Dritten zwecks Erledigung von Arbeiten zuführt, wobei er spezifische Tätigkeiten vornimmt, die in der Regel ein Arbeitgeber ausführt, ist läuft Gefahr „faktisch“ Arbeitgeber zu sein und – bei Vorliegen eines Verleihverhältnisses – als Personalverleiher zu gelten. Abzugrenzen ist der Personalverleih in dieser Konstellation vom Auftrag und Werkvertrag.

 

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Autor: Reto Sutter