Wieder einmal hatte sich das Bundesgericht im Entscheid 4A_514/2018 vom 28. November 2018 mit verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung bei Krankheit auseinander zusetzten und zwar für den Fall, wenn eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen wurde.

 

Allgemeine Regelung

Art. 324a OR sieht als Ausnahme vom Prinzip „ohne Arbeit kein Lohn“ vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Lohn weiterhin geschuldet ist, auch wenn der Grund für fehlende Arbeitsleitung auf der Seite des Arbeitnehmers liegt (liegt der Grund auf Seiten des Arbeitgebers, ist allenfalls Art. 324 OR anwendbar).

 

Voraussetzungen für den Lohnanspruch

Der Lohnanspruch ( besteht nur, sofern die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • Dauer des Arbeitsverhältnisses: Es liegt ein unbefristetes Verhältnis vor, welches bereist mehr als drei Monate gedauert hat oder es liegt ein befristetes Arbeitsverhältnis vor, welches für mehr als drei Monate abgeschlossen wurde. Liegt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis von mehr als drei Monaten vor, ist die Voraussetzung erfüllt, auch wenn der subjektive Grund gleich in der ersten Woche eintritt. Anders bei den unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Hier würde im Fall einer krankheitsbedingten Absenz in der ersten Arbeitswoche kein Anspruch nach Art. 324a OR begründet werden.
  • Subbjektive Gründe: Die Verhinderung des Arbeitnehmers muss auf subjektive (d. h. persönliche) Gründe zurückzuführen sein.
  • Fehlendes Verschulden: Die Verhinderung des Arbeitnehmers muss unverschuldet sein. Fehlendes Verschulden bedeutet hier fehlendes «grobes Verschulden». Auch bei Sportunfällen wird hingegen angenommen, dass kein (grobes) Verschulden vorliegt. Verschulden wird nur angenommen,
    wenn die elementarsten Verhaltensregeln der betreffenden Sportart verletzt werden. Bei absichtlichem oder grobfahrlässigem Herbeiführen der Arbeitsunfähigkeit fällt hingegen die Pflicht zur Lohnfortzahlung weg.

 

Dauer des Lohnanspruches

In der Praxis hat sich eingebürgert, dass die Gerichte in der Schweiz für die Bestimmung der Dauer der Lohnfortzahlungspflicht Skalen anwenden. Dabei werden je nach Kanton die Basler, Berner oder Zürcher Skala angewendet. Diese Skalen bestimmen die Dauer der Lohnfortzahlungspflicht (100 % Lohn) in Abhängigkeit der Anzahl Dienstjahre.

 

Abweichende Regelung

Die Parteien können eine von Art. 324a Abs. 1 OR abweichende Regelung treffen. Bei Art. 324a OR handelt es sich um eine teilzwingende Regel ist. Die Abweichung kann durch schriftlichen Einzel-, Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag geschehen. Voraussetzung hierfür aber, dass diese Regelung mindestens gleichwertig ist (Art. 324a Abs. 4 OR).

 

Vom Bundesgericht beantwortete Rechtsfragen

Wie einleitend bemerkt, hatte sich das Bundesgericht im Entscheid 4A_514/2018 vom 28. November 2018 mit verschiedenen Grundlegenden Fragen auseinanderzusetzen:

 

Gleichwertige Regelung nach Art. 324a Abs. 4 OR

Wird die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei Krankheit des Arbeitnehmers im Sinne von Art. 324a Abs. 4 OR durch eine für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertige Regelung ersetzt, so ist die Arbeitgeberin von der Lohnfortzahlungspflicht befreit. Eine Krankentaggeldversicherung ist angesichts ihrer Dauer in der Regel für den Arbeitnehmer günstiger. Sie ist nach einer älteren Praxis in der Regel gleichwertig, sofern sie den Lohnausfall im Umfang von mindestens 60 % während eines vollen Jahres bei hälftiger Prämienteilung ersetzt (BGE 96 II 133 E. 3d S. 137). Nach jüngerer Rechtsprechung, die der herrschenden Lehre folgt (vgl. dazu die zahlreichen Hinweise in Urteil 4C.275/2002 vom 5. Dezember 2002 E. 2.1), ist eine Regelung jedenfalls dann gleichwertig, wenn sie bei hälftiger Prämienteilung Taggelder von 80 % des Lohnes während maximal 720 innert 900 Tagen ausrichtet (BGE 135 III 640 E. 2.3.2 S. 647) (Erw. 3.1).

 

Anspruch auf 13. Monatslohn

Im dem dem Entscheid 4A_514/2018 vom 28. November 2018 zugrunde liegenden Sachverhalt machte der Arbeitnehmer geltend, es sei ihm vom Arbeitgeber für die Dauer während der Krankheit der 13. Monatslohn nicht anteilsmässig ausbezahlt worden. Das Bundesgericht hielt fest, dass für die Dauer der Krankheit der Anspruch auf den 13. durch die Versicherung abgedeckt sei: „Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die Arbeitgeberin von ihrer Lohnzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR während der Zeit befreit war, als der Beschwerdeführer krank geschrieben war und auf Taggeldleistungen Anspruch hatte (Art. 324a Abs. 4 OR). Sie hatte folglich Arbeitslohn nur für die sieben Monate zu zahlen, während denen der Beschwerdeführer Arbeit leistete. Die Vorinstanz schloss zu Recht, dass der Beschwerdeführer für diese Zeit nur einen entsprechend anteilsmässigen Anspruch auf den 13. Monatslohn hatte.“ und „Als Einzelthema rügt der Beschwerdeführer sodann, dass ihm der Anteil 13. Monatslohn für das Jahr 2015 nur für die 13 im Januar 2015 effektiv geleisteten Arbeitstage ausbezahlt wurde. In diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz ebenfalls zutreffend erkannt, dass die Arbeitgeberin für die übrige Zeit gemäss Art. 324a Abs. 4 OR von ihrer Lohnzahlungspflicht befreit war und daher nicht nur den Lohn, sondern auch den Anteil 13. Monatslohn nicht zu zahlen verpflichtet war.“

 

Wiederaufleben der gesetzlichen Zahlungspflicht

Der Arbeitnehmer war der Meinung, dass ihm nach Beendigung der Versicherungsleistungen (obwohl er auch der Ansicht war, die Versicherungslösung sei in seinem Fall vorteilhafter als die gesetzliche Lösung), die gesetzlichen Zahlungspflichten gemäss Art. 324a Abs. 1 OR wieder aufleben würden. Dem widersprach das Bundesgericht: „Die gesetzliche, zeitlich beschränkte Lohnfortzahlungspflicht – die auch im laufenden Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Frist endet – lebt aber nach Beendigung der Versicherungsleistungen im selben Kalenderjahr nicht wieder auf.“

 

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Autor: Nicolas Facincani