Art. 328 OR sieht vor, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht sexueller Belästigung vorzubeugen und dafür zu sorgen hat, dass einem Opfer keine weiteren Nachteile entstehen. Gemäss Art. 6 des Arbeitsgesetzes ist der Arbeitgeber sodann verpflichtet, zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat zudem die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen. Sodann hält das Gleichstellungsgesetz (GlG) fest, dass sexuelle Belästigung eine Diskriminierung darstellt.

Bei einer Diskriminierung durch sexuelle Belästigung gemäss GlG sieht dieses vor (Art. 5 Abs. 3 GlG), dass die betroffene Person Anspruch auf eine Entschädigung vom Arbeitgeber (nicht von der belästigenden Person) hat, wenn der Arbeitgeber nicht beweist, dass er Massnahmen getroffen hat, die zur Verhinderung sexueller Belästigungen nach der Erfahrung notwendig und angemessen sind und die ihnen zugemutet werden können. Diese Bestimmung zwingt den Arbeitgeber, konkret Massnahmen zur Verhinderung von sexueller Belästigung zu ergreifen.

Doch was kann ein Arbeitgeber gegen „Täter“ bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz tun?

 

Fristlose Entlassung – BGE 4A_105/2018 vom 10. Oktober 2018

Das Bundesgericht hatte sich im Entscheid 4A_105/2018 vom 10. Oktober 2018 mit der Frage zu befassen, ob im einem konkreten Fall eine fristlose Kündigung gerechtfertigt war. Der Arbeitgeber hatte einen Mitarbeiter (Küchenverantwortlicher und Leiter Lehrlingsausbildung) mit der Begründung fristlos gekündigt, dass der Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum bei zahlreichen Gelegenheiten unangemessene Worte geäussert und Gesten gegenüber weiblichen Mitarbeitern gemacht habe.  So habe er weibliche Lehrlinge in der Küche etwa «kleiner Liebling» oder «kleines Schweinchen» genannt, sie gebeten, auf allen vieren zu kriechen, ihnen Küsse gegeben und sie an der Wange gestreichelt.

Die kantonalen Instanzen vertraten die Ansicht, dass die Voraussetzungen an eine fristlose Kündigung nicht gegeben waren und ein ungerechtfertigte fristlose Entlassung vorlag.

Das Bundesgericht verwarf diese Auffassung und bestätigte die Rechtmässigkeit der fristlosen Kündigung.

 

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht vertrat Entscheid 4A_105/2018 vom 10. Oktober 2018 die Auffassung, die Handlungen und Bemerkungen in der vom gekündigten Mitarbeiter vorgenommenen Art die Würde der betroffenen Mitarbeiterinnen eindeutig verletzten und unter die Definition der sexuellen Belästigung gemäss Art. 4 des GlG fallen würden (zit:  D’une part, en jugeant “ familière “ une ambiance résultant d’actes commis par l’employé (notamment des “ blagues salaces „) qu’elle venait pourtant de qualifier d’intolérables (“ pas tolérables „), la cour cantonale finit par légitimer (au moins partiellement) un comportement conjuguant des paroles et des actes portant clairement atteinte à la dignité des employées et qui rentrent dans la définition du harcèlement sexuel prévu à l‘art. 4 LEg (ATF 126 III 395 consid. 7 p. 396 ss.“).

Der Umstand, dass die Arbeitgeberin offenbar bereits über einen längeren Zeitraum über die sexuellen Belästigungen durch den Mitarbeiter informiert gewesen und dagegen nicht eingeschritten sei, werfe die Frage auf, inwieweit sie ihrer Pflicht nachgekommen sei, die Persönlichkeit ihrer Angestellten zu schützen (Art. 328 OR). Die Beantwortung dieser Frage könne indes offenbleiben, da die Tatsache, dass ein Arbeitgeber in der Vergangenheit bestimmte Angriffe auf die Persönlichkeit ihrer Angestellten ignoriert habe, sie nicht daran hindern könne, bei erneuten Verfehlungen nicht doch eine fristlose Kündigung gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter auszusprechen (zit: „Le fait que l’employeuse n’ait pris aucune mesure pour protéger la personnalité des employées pousserait dès lors en principe à s’interroger sur le respect, par l’employeuse, des obligations qui lui sont imposées par l‘art. 328 CO. Cette question peut toutefois rester ouverte en l’espèce puisque, selon la jurisprudence (cf. consid. 3.3 premier par.), le fait que l’employeuse ait, dans le passé, fermé les yeux sur certaines atteintes à la personnalité de ses collaboratrices ne doit en aucun cas l’empêcher de notifier un licenciement immédiat si un juste motif peut être discerné dans les circonstances de l’espèce. C’est donc en vain que l’intimé soutient, de manière générale, que l’employeuse connaissait ou aurait dû connaître depuis longtemps son comportement envers le personnel féminin et qu’elle ne pouvait plus procéder à un licenciement immédiat au moment de découvrir les agissements du demandeur envers l’apprentie.).

 

Autor: Nicolas Facincani