Im Moment wird kontrovers diskutiert, ob es für Arbeitnehmerinnen (und auch Arbeitnehmer) zulässig sei, ohne Absprache mit bzw. Zustimmung des Arbeitgebers am Frauenstreik vom 14. Juni 2019 teilzunehmen (und somit die Arbeit niederzulegen).

Bejaht wird dies insbesondere von der Unia, verneint vom Arbeitgeberverband, um einige wenige Bespiele zu nennen. Für Prof. Thomas Geiser ist klar, dass es sich beim Frauenstreik um keinen Streik im Rechtssinne handelt.

 

Zulässigkeit des Streiks im Allgemeinen

In Bezug auf die Rechtmässigkeit eines Streiks führte das Bundesgericht aus, dass diese nur bei vorliegen der folgenden Voraussetzungen gegeben sei (siehe hierzu den Beitrag zum Streikrecht):

 

Ziele

Der Streik verfolgt durch einen Gesamtarbeitsvertrag regelbare Ziele.

 

Friedenspflicht

Der Streik verstösst nicht gegen die Friedens- und Schlichtungspflichten.

 

Verhältnismässigkeit

Der Streik muss verhältnismässig sein.

 

Koalitionserfordernis

Der Streik wird von tariffähigen Organisationen geführt (Koalitionserfordernis), welche die Möglichkeit hat, einen GAV abzuschliessen.

 

Nicht rechtmässig sind auch rein politisch motivierte Streiks, die keinen konkreten Bezug zu einem Arbeitsverhältnis bzw. bestimmten Arbeitgeberinnen aufweisen.

 

Der Frauenstreik im Besonderen

Die vom Arbeitgeber unbewilligte Teilnahme am Frauenstreik ist aus mehreren Gründen problematisch:

Der Frauenstreik wird zwar von Arbeitnehmerorganisationen getragen, doch richtet sich der  Frauenstreik an alle Frauen, egal in welcher Branche und ob sie einem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen. Dies ist auch unter dem Blickwinkel der Verhältnismässigkeit problematisch.

Die Ziele decken eine (m.E. zu) grosse Bandbreite ab (siehe etwa die Forderungen des Gewerkschaftsbundes). Nicht alle Forderungen könnten in einen GAV aufgenommen werden (die Auflistungen umfassen auch allgemeine Forderungen wie zum Beispiel die «Beweislasterleichterung bei sexueller Belästigung», was im Gleichstellungsgesetz geregelt werden müsste). Der Frauenstreik zielt auch nicht darauf ab einen konkreten GAV abzuschliessen und richtet sich daher auch nicht an spezifische Arbeitgeber- und Organisationen.

Insbesondere besteht aber das Risiko, dass Teilnehmende durch einen GAV gebunden sind, welcher solche Streiks untersagt.

Ungeachtet der positiven Ziele, welche mit dem Frauenstreik verfolgt werden, müssen Arbeitnehmende damit rechnen, dass die nicht mit Arbeitgeber abgesprochene Teilnahme am Frauenstreik als Verletzung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen qualifiziert. Sodann ist auch zu beachten, dass auch wenn die Teilnahme als zulässig qualifiziert würde, kein Lohnanspruch für die Dauer des Streiks bestehen würde.

 

Autor: Nicolas Facincani