In einem vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall (BGer 4A_13/2019 vom 9. August 2019)  machte ein Arbeitnehmer geltend, bei ihm bestehe eine ärztlich attestierte EMF- (Elektromagnetische Felder-) Symptomatik. Er sei mit seiner neuartigen Krankheit eher stigmatisiert denn respektiert worden. Der Arbeitgeber habe einfache Massnahmen betreffend das WLAN (Abschalten, Reichweitenbeschränkung und belastungsoptimierte WLAN-Installation) nicht getroffen.

Auf der anderen Seite wurde durch den Arbeitgeber geltend gemacht, dass der Arbeitnehmer seine Vorgesetzten während Jahren mit seiner EMF-Symptomatik beschäftigt und auf entsprechenden betrieblichen Anpassungen insistiert habe, auf welche die Beklagte nicht mehr weiter habe eingehen können.

 

Entscheid des Obergerichts

So kam auch das Obergericht zum Schluss, dass eine Kündigung nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR sei in einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer mit seinem schwierigen Charakter das Betriebsklima beeinträchtige, wenn der Arbeitgeber zuerst die für die Entschärfung des Problems zumutbaren Massnahmen getroffen habe. Der Arbeitgeber habe verschiedene Massnahmen ergriffen und es sei nicht ersichtlich, inwieweit er ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei.

Der Arbeitnehmer machte auch noch eine Verletzung der Fürsorgepflicht geltend, da nicht die entsprechenden Massnahmen getroffen werden seien, um den Arbeitnehmer zu schützen:

Das Obergericht stellte fest, es sei weder ersichtlich noch werde behauptet, dass im Betrieb der Arbeitgeber gesetzliche Elektrosmog-Grenzwerte überschritten bzw. öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt worden wären. Die einzige vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren konkret genannte Massnahme – die Reichweitenreduktion des WLAN – sei sodann im Rahmen des Möglichen realisiert worden. Eine weitere Massnahme – Abschaltung des WLAN bei Nichtgebrauch – sei nicht realisierbar gewesen, weil im KV-Bereich mit Multimediaabteilung, in welchem der Beschwerdeführer tätig gewesen sei, ein Arbeiten ohne WLAN nicht möglich sei.

Zudem seien im GAP-Bereich auch Massnahme-Teilnehmer anwesend, die jederzeit erreichbar sein müssten, weil die meisten von ihnen andauernd im Bewerbungsprozess für eine Anstellung im ersten Arbeitsmarkt stünden. Der Arbeitnehmer habe aber nicht erwarten können, dass der Arbeitgeber mit Rücksicht auf ihn seinen Betrieb in einer Weise umstelle, die für andere Mitarbeitende nachteilig sei. Ebenso habe der Arbeitnehmer nicht verlangen können, die von ihm zusammen mit einem anderen GAP-Mitarbeiter betreute Bibliothek in einen EMF-freien Raum zu verlegen bzw. für ihn ein EMF-freies Büro einzurichten. Der Arbeitgeber habe damit die zumutbaren Massnahmen getroffen.

Der Arbeitgeber habe zugestanden, dass der Arbeitnehmer an einem EMF-Syndrom leide. In Anbetracht dessen, dass der Arbeitgeber das EMF-Syndrom als Krankheit bestreite, sei dies so zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem offenbar aus psychischen Gründen (gemäss seiner eigenen Darstellung wegen einer schweren Erschöpfungsdepression) berenteten Arbeitnehmer zugestehe, er glaube, an einem EMF-Syndrom zu leiden. Es sei aufgrund der Zeugenaussagen, erstellt, dass der Arbeitgeber auf die entsprechenden Anliegen des Arbeitnehmers eingegangen sei. Gekündigt habe der Arbeitgeber erst, als das Insistieren des Arbeitnehmers auf weiteren, dem Arbeitgeber nicht zumutbaren Massnahmen nicht nachgelassen habe und es zu einzelnen auch vom Arbeitnehmer zugestandenen Vorkommnissen im März 2016 gekommen sei. Der Arbeitgeber habe daher seine Fürsorgepflicht nicht verletzt.

 

Erwägungen des Bundesgerichts (BGer 4A_13/2019 vom 9. August 2019)

Das Bundesgericht stellte fest, aufgrund des durch die Vorinstanzen festgestellten Sachverhaltes, dass grundsätzlich liegt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliege, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen dessen Verhalten im Zusammenhang mit der EMF-Problematik kündigte (zur Zumutbarkeit weiterer Massnahmen sogleich). So bestätigte es grundsätzlich die Auffassung der Vorinstanz, wo der Arbeitnehmer als schwierig bezeichnet wurde.

Der Arbeitnehmer machte vor Bundesgericht  weiter geltend, die Kündigung verstosse auch deshalb gegen Art. 336 Abs. 1 lit. a OR, weil der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt und die ihm zumutbaren Massnahmen im Zusammenhang mit der EMF-Problematik nicht getroffen habe.

 

Hierzu führte das Bundesgericht das Folgende aus:

Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Tatsachenfeststellung, weil die Vorinstanz festgestellt habe, die Reichweitenreduktion des WLAN sei realisiert worden. Er habe das in der Berufung bestritten. Der Vorwurf ist berechtigt. An der angegeben Stelle anerkannte der Beschwerdeführer, dass die Beschwerdegegnerin im Niederfrequenzbereich (Beleuchtung, Schalter, Steckerleiste) Anpassungen vorgenommen hatte. Im Hochfrequenzbereich (Multimedia-WLAN und Smartphones von Mitarbeitern) seien jedoch keine Verbesserungen realisiert worden. Bei seinen Ausführungen bezog er sich auf die E. 3.4.2.4 des Urteils des Arbeitsgerichts. Dort wird nichts anderes festgestellt. Vielmehr wird dort der Zeuge F.________, Gruppenleiter Multimedia bei der Beschwerdegegnerin, mit der Aussage zitiert, die Reichweite als solche könne nicht beschränkt werden; nur die Leistung eines Geräts könne zurückgenommen werden. Dies würde jedoch gleichzeitig zu einer Beeinträchtigung der übrigen Mitarbeiter führen. Gleichzeitig bestätigte die Zeugin G.________ dort, im Büro des Beschwerdeführers seien Lichtveränderungen und Änderungen mit Stromleitungen, Schaltern etc. vorgenommen worden. Die Beschwerdegegnerin hatte aber stets geltend gemacht – und davon ging auch die Vorinstanz aus – es seien keine Massnahmen realisiert worden, die zu einer Einschränkung des Mobiltelefongebrauchs der Mitarbeitenden geführt hätten. Es ist daher nicht ersichtlich, wie die Vorinstanz zur Feststellung gelangte, die Reichweiten des WLAN seien reduziert worden. Dass eine einzelne Feststellung willkürlich ist, genügt jedoch nicht. Es muss auch Willkür im Ergebnis vorliegen. Entscheidend ist daher, dass der Beschwerdegegnerin eine Reduktion der Leistung im Hochfrequenzbereich nicht zumutbar war, wenn dadurch – wie vom Zeugen F.________ bestätigt – der Betrieb bzw. die andern Mitarbeiter unzumutbar eingeschränkt worden wären. Wenn der Beschwerdeführer diesbezüglich geltend macht, es sei unzulässig, ohne konkrete Überprüfung von Optimierungsmassnahmen bezüglich WLAN auf eine Beeinträchtigung der übrigen Angestellten zu schliessen, verkennt er, dass Letzteres durch den Zeugen F.________ bestätigt wurde und sich die Beschwerdegegnerin diesbezüglich auch bei ihrer internen Beurteilung auf die Fachkenntnisse ihres Gruppenleiters Multimedia verlassen durfte und nicht verpflichtet war, weitere Abklärungen zu treffen. Das Gleiche gilt hinsichtlich des vom Beschwerdeführer offenbar unterbreiteten Vorschlags, einen „Elektrosmog-Fachmann“ beizuziehen oder ein Gespräch mit der betriebsinternen Fachgruppe Gesundheitszirkel durchzuführen (Erw. 7.3.2).  

Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz an verschiedenen Stellen Willkür vor, weil sie gewisse seiner Rügen nicht (explizit) berücksichtigt habe. Bei diesem Vorwurf geht es nicht um Willkür in der Beweiswürdigung – und der Beschwerdeführer vermöchte mit seiner appellatorischen Kritik eine solche auch nicht aufzuzeigen -, sondern um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) infolge ungenügender Begründung. Art. 29 Abs. 2 BV verlangt aber nicht, dass sich ein Gericht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt; vielmehr genügt es, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann (BGE 142 III 433 E. 4.3.2 S. 436 mit Hinweisen). Diesen Anforderungen kam die Vorinstanz nach (Erw. 7.3.3).  

Die Vorinstanz gelangte somit zu Recht zum Schluss, die Kündigung sei nicht missbräuchlich im Sinn von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR und die Beschwerdegegnerin habe auch nicht gegen die Fürsorgepflicht verstossen (Erw. 7.4).

 

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Autor: Nicolas Facincani