Oft ist die Qualifikation eines Vertrages streitig, insbesondere im Rahmen der Abgrenzung zwischen Auftrag und Arbeitsvertrag, so auch bei im Rahmen von Beratungsverträgen (siehe hierzu etwa die Beiträge Der CEO ohne Arbeitsvertrag,  Angestellt oder nicht? oder Unterrichtsvertrag oder Arbeitsvertrag? oder auch die Diskussion im Zusammenhang mit Uber).

Dazu das Bundesgericht:

Der Inhalt bzw. das Zustandekommen eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1 OR). Erst wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Während das Bundesgericht die objektivierte Vertragsauslegung als Rechtsfrage prüfen kann, beruht die subjektive Vertragsauslegung auf Beweiswürdigung, die vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 97 und 105 BGG der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen ist. Dasselbe gilt für die Feststellungen des kantonalen Gerichts über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten im Rahmen der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (BGE 142 III 671 E. 3.3; 138 III 659 E. 4.2.1; 133 III 61 E. 2.2.1 mit Hinweisen). Für die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses massgeblich. Nachträgliches Parteiverhalten ist dafür nicht von Bedeutung; es kann höchstens – im Rahmen der Beweiswürdigung – auf einen tatsächlichen Willen der Parteien schliessen lassen (BGE 133 III 61 E. 2.2.2.2 S. 69; 132 III 626 E. 3.1 S. 632).

 

Arbeitsvertrag oder Auftrag?

In einem konkreten Fall (BGer 4A_134/2017 vom 24. Juli 2017) vom hatte ein Dienstleister (Gesellschaft A) mit einer Gesellschaft (Gesellschaft C) einen Beratungsvertrag abgeschlossen. Dabei war der Dienstleister (Gesellschaft A) als Aktiengesellschaft ausgestaltet; die Aktien gehörten nur einer einzelnen Person (D). Diese Person war es dann auch, welche die Dienstleistungen erbrachte.

 

Beratungsvertrag

Die Aktiengesellschaft (Gesellschaft A), welche die Dienstleistungen erbrachte, war im Wesentlichen stillgelegt. Ausser den konkreten Tätigkeiten für die Gesellschaft C erbrachte sie keine weiteren Leistungen.

Der Vertrag hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt:

  • Einräumung des Weisungsrechts gegenüber D
  • Honorar von jährlich CHF 250’000.- zuzüglich 25% bzw. zusätzlich 15% Provision bei Erreichen der vorgegebenen Ziele
  • unbestimmte Vertragslaufzeit mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten
  • fünf Wochen Ferien pro Jahr im Honorar enthalten.
  • D war zudem während Jahren in die Betriebsorganisation eingegliedert und vom Auftraggeber (Gesellschaft C) wirtschaftlich abhängig.

 

Das kantonale Gericht kam aufgrund der gesamten Umstände zum Schluss, dass hier in Tat und Wahrheit ein Arbeitsvertrag zwischen D und der Gesellschaft C zustande kam.

Dazu das Bundesgericht:

Die Vorinstanz ist im Ergebnis mit dem Bezirksgericht zum Schluss gelangt, dass der „Beratungsvertrag“ vom 8. April 2004 zwischen der Beschwerdegegnerin und D zustande kam, nicht zwischen der Beschwerdeführerin, in deren Namen D unterzeichnete. Dabei hat sie insbesondere den Inhalt des schriftlichen Vertrages vom 8. April 2004 berücksichtigt, wonach sich die Beschwerdegegnerin ein vollumfängliches Weisungsrecht gegenüber D einräumen liess (Ziffer 2), das fix vereinbarte Honorar jährlich Fr. 250’000.– zuzüglich 25% bzw. zusätzlich 15% Provision bei Erreichen des vorgegebenen Budgets betrug (Ziffer 4), worin fünf Wochen Ferien pro Jahr vereinbart wurden (Ziffer 8) sowie der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten (Ziffer 9). Die Vorinstanz hat festgestellt, dass D in der Folge während Jahren auch tatsächlich in die Betriebsorganisation der Beschwerdegegnerin eingegliedert und von dieser wirtschaftlich abhängig war. Die Beschwerdeführerin war nach den Feststellungen der Vorinstanz dagegen praktisch stillgelegt, weil D ihr einziger Exponent gewesen sei, wobei die Vorinstanz unter diesen Umständen für unerheblich erachtete, an wen die Vergütungen ausbezahlt wurden.

 

Beratungsvertrag als Arbeitsvertrag

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass hier ein Arbeitsvertrag vorlag:

Der im angefochtenen Urteil festgestellte Inhalt des bei den Akten liegenden „Beratungsvertrages“ vom April 2004 betrifft ausschliesslich die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten von D gegenüber der Beschwerdegegnerin. Auch wenn einleitend in Ziffer 1 Abs. 1 („Mandat Beratung und Geschäftsführung“) erklärt wird, die Beschwerdeführerin übernehme einen Beratungsauftrag und stelle zu diesem Zweck einen Geschäftsführer in der Person von D zur Verfügung, werden in der Folge ausschliesslich die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers gegenüber der Beschwerdegegnerin geregelt. Diese Rechte und Pflichten sind – wie die Vorinstanz zutreffend festhält – arbeitsvertraglicher Natur. Nicht nur wird die für den Arbeitsvertrag typische Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers ausdrücklich statuiert, werden Ferien, Spesen und Autokosten geregelt, sondern der Vertrag ist überdies auf unbestimmte Dauer mit einer langen Kündigungsfrist von zwölf Monaten vereinbart. Dass sich der Inhalt eines zwischen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin abgeschlossenen Vertrages auf die Umschreibung der arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten eines nach dem Wortlaut dieses Vertrags zur Verfügung gestellten Arbeitnehmers beschränken könnten, ist nicht anzunehmen. Die Vorinstanz hat Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie den Vertrag zwischen den Parteien mangels gegenseitiger Rechte und Pflichten im Ergebnis als simuliert erachtete und schloss, es sei nach dem tatsächlich übereinstimmenden Willen direkt ein Arbeitsvertrag zwischen D und der Beschwerdegegnerin zustande gekommen.  

 

Zur Qualifikation der Verträge siehe auch:

 

Autor: Nicolas Facincani