Alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen zwangsläufig mit dem Arbeitsrecht in Berührung. Bei dessen Anwendung kommt es aber immer wieder zu Irrtümern, die sich zum Teil erstaunlich hartnäckig halten. Nachfolgend soll auf einige dieser Mythen eingegangen werden.

Die nachfolgend aufgezeigten Mythen lassen sich in etwa in die folgenden Kategorien unterteilen. Kündigungen, das Zustandekommen des Arbeitsvertrages sowie Überstunden. Natürlich ist sind die nachfolgenden Erläuterungen nicht abschliessend und könnten wohl beliebig durch jede Person, die regelmässig mit Arbeitsrecht zu tun hat, ergänzt werden.

 

Kündigungen

Vor allem im Zusammenhang mit Kündigungen kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass einem kranken Arbeitnehmer nie gekündigt werden kann. Dies stimmt aber nur im Grundsatz: Das Gesetz sieht sog. Sperrfristen vor, welche im Rahmen einer Kündigung zu beachten sind. Bei einer Krankheit hängt die Sperrfrist von den Anzahl Dienstjahren ab. So beträgt die Sperrfrist im 1. Dienstjahr 30 Tage, im 2. – 5. Dienstjahr 90 Tage und nachher 180 Tage (siehe hierzu etwa den Beitrag zur arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit). Die Parteien können den zeitlichen Kündigungsschutz zu Gunsten des Arbeitnehmers weiter fassen und den Katalog der Sperrfristen zu Lasten des Arbeitgebers erweitern. Nur wenn eine Kündigung während einer vom Gesetz oder vom Arbeitsvertrag vorgesehenen Sperrfristen ausgesprochen wird, ist sie nichtig. Das heisst, ein kranker Arbeitnehmer ist nicht immer geschützt. Zudem gilt zu beachten, dass die Sperrfristen während der Probezeit nicht zur Anwendung kommen.

Oft gehen zudem Arbeitgeber und Arbeitnehmer davon aus, dass in der Probezeit von einem Tag auf den anderen gekündigt werden kann. Dies ist – ohne besondere Vereinbarung der Parteien eines Arbeitsvertrages aber falsch. Nach Art. 335b OR gilt der erste Monat als Probezeit eines Arbeitsverhältnisses. Während diesem Monat kann der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sieben Kalendertagen kündigen, dies ab Stellenantritt. Einen bestimmten Kündigungstermin (z.B. auf das Ende einer Woche), gibt es grundsätzlich nicht, ausser er sei speziell vereinbart. Die Vertragsparteien können die Probezeit verkürzen oder ganz darauf verzichten oder auch die Kündigungsfristen verlängern oder verkürzen. Auf der anderen Seite kann die Probezeit verlängert werden, maximal auf drei Monate, wobei dies schriftlich zu vereinbaren ist. Eine Anpassung ist auch durch Vereinbarung in einem anwendbaren Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag möglich. Im Rahmen dieser Anpassungsmöglichkeit wäre es somit möglich, das sofortige Kündigungsrecht vorzusehen, dies ist aber eher ungewöhnlich (siehe hierzu den Beitrag zur Probezeit).

Auch in Bezug auf die Form der Kündigung geistern verschiedene Ansichten herum. Während die einen davon ausgehen, es könne in jedem Fall mündlich gekündigt werden, gehen die anderen davon aus, es brauche immer ein eingeschriebenes Kündigungsschreiben. Beides ist im Grunde genommen zumindest zum Teil richtig: Das Gesetz sieht vor, dass eine Kündigung mündlich erfolgen kann (siehe hierzu etwa den Beitrag Kündigung per SMS, Whatsup, Fax, Telex…). Hingegen können die Parteien eines Arbeitsvertrages vereinbaren, dass ein Arbeitsvertrag nur schriftlich beendet werden kann, zum Teil wird auch eine eingeschriebene Kündigung verlangt. So ist in jedem Fall der Arbeitsvertrag zu konsultieren, um die richtige Kündigungsform zu bestimmen. Auch wenn Mündlichkeit genügt, ist eine schriftliche Kündigung aber zulässig und gültig. Aus Beweiszwecken kann es sich empfehlen, Kündigungen entweder vor Zeugen zu übergeben oder eingeschrieben zuzustellen. An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass die gekündigte Partei ein schriftliche Begründung der Kündigung verlangen kann, unabhängig davon, ob ihr schriftlich oder mündlich gekündigt wurde.

 

In jedem Fall ein schriftlicher Arbeitsvertrag?

Oft wird davon ausgegangen, dass ein Arbeitsvertrag in jedem Fall schriftlich abzuschliessen ist („ich bin gar nicht angestellt, ich habe ja nichts unterschrieben“). Dies ist nicht zutreffend. Durch den Abschluss eines Einzelarbeitsvertrags verpflichtet sich der Arbeitnehmer zu Leistung von Arbeit im Dienste des Arbeitgebers auf bestimmte oder unbestimmte Zeit und der Arbeitgeber zur Entrichtung eines Lohnes (Art. 319 Abs. 1 OR). Gemäss der gesetzlichen Regelung kann ein Arbeitsvertrag auf drei Arten zustande kommen: mündlich, schriftlich oder stillschweigend oder durch konkludentes Handeln. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber Arbeit entgegennimmt, die nach den Umständen nur gegen Lohn erwartet werden kann. Sind inhaltlich die Voraussetzungen bzw. Begriffsmerkmale für einen Arbeitsvertrag gegeben, liegt ein Arbeitsvertrag vor und dieser ist auch gültig, wenn er mündlich oder konkludent zustande kommt, es sei denn, die Parteien haben sich geeinigt, dass der Vertrag erst zustande kommen soll, wenn ein schriftlicher Vertrag von beiden Parteien unterzeichnet ist oder ein anwendbarer Gesamtarbeitsvertrag sehe zwingend die Schriftlichkeit vor (siehe hierzu etwa Beitrag Kann ein Arbeitsvertrag mündlich abgeschlossen werden?).

In diesem Zusammenhang wird auch oft die irrige Meinung vertreten, dass ein bestimmtes Mindestpensum für einen Arbeitsvertrag erfüllt sein müsse. Auch dies ist nicht zutreffend. Es kommt nicht darauf an, wie viel gearbeitet wird. Auch Teilzeitarbeitsverhältnisse fallen voll und ganz unter die Bestimmungen des Arbeitsvertrages – spezielle sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen vorbehalten (siehe hierzu etwa den Beitrag zu den Teilzeitverträgen).

 

Überstunden

Relativ viele Missverständnisse gibt es im Zusammenhang mit Überstunden. Oft wird aber auch die Unwissenheit der Arbeitnehmer durch die Arbeitgeber bewusst ausgenutzt. Als Überstundenarbeit gilt diejenige Arbeit, die über die im Einzelarbeits-, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag vereinbarte, im Betrieb geltende oder in der Branche übliche Stundenzahl hinaus geleistet wird und zwar unabhängig davon, ob lediglich 10 Minuten oder 2 Stunden mehr gearbeitet werden soll.

Doch wann sind überhaupt Überstunden zu leisten? Viele Arbeitnehmer fragen bei der Anordnung von Überstunden nicht nach, ob diese aus rechtlicher Sicht tatsächlich zu leisten sind. Das Gesetz beantwortet diese Fragen ziemlich klar: Die Voraussetzungen zur Leistung von Überstunden sind wie folgt: Die Leistung der Überstunden ist für den Arbeitgeber notwendig, der Arbeitnehmer mag die Überstunden zu leisten und dieser können ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden. Diese Voraussetzungen sind zwingend. Sind die Überstunden nicht notwendig, weil etwa die entsprechende Arbeit ohne Nachteile auch am nächsten Tag erledigt werden könnte, dürfte ein Arbeitnehmer die Leistung von Überstunden verweigern. Oft wird das aber aus Angst vor versteckten Repressalien nicht gemacht (siehe hierzu etwa den Beitrag betreffend Überstunden).

 

Autor: Nicolas Facincani