An der Sitzung vom 26. Februar 2020 hat der Bundesrat die Botschaft zur punktuellen Revision der Zivilprozessordnung verabschiedet.

Ziel ist insbesondere den Privaten und Unternehmen den Zugang zum Gericht erleichtern und damit die Rechtsdurchsetzung zu verbessern verbessern. Dafür will er das Prozesskostenrecht anpassen.

Geplante Änderungen um den Zugang zum Gericht zu erleichtern. Nachfolgend sollen die für insbesondere das Arbeitsrecht relevanten Änderungen kurz dargelegt werden.

 

Kostenvorschüsse

Heute kann das Gericht gemäss Zivilprozessordnung, sofern ein Verfahren nicht kostenlos ist, von der klagenden Partei einen Kostenvorschuss für die mutmasslichen Gerichtskosten verlangen. Die Gerichtskosten bestimmen sich insbesondere aufgrund des Streitwerts. Zur Bestimmung des Streitwerts siehe etwa den Beitrag zum Streitwert der Lohnklage.

 

Kostenvorschüsse gemäss Revisionsvorlage

Gemäss der Revisionsvorlage sollten Gerichtskostenvorschüsse, die heute insbesondere für Angehörige des Mittelstandes eine faktische Zugangsschranke zum Gericht bedeuten, halbiert werden. Das heisst, diese sollen nur noch bis zur Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten verlangt werden dürfen. Kostenvorschüsse dürfte aber weiterhin für die gesamten mutmasslichen Kosten verlangt werden für das Schlichtungs- oder Rechtsmittelverfahren (und weiteren Ausnahmen).

 

Verteilung der Gerichtskosten

Die Gerichtskosten sind in der Regel von der unterliegenden Partei zu tragen.

Gewinnt die Partei, welche den Kostenvorschuss geleistet hat, so ist heute die Regel so, dass der geleistete Kostenvorschuss vom Gericht zur Deckung der Gerichtskosten einbehalten wird, die obsiegende Partei die Kosten dann von der unterliegenden Partei einfordern muss. Dabei kann es vorkommen, dass wenn die unterliegende Partei über keine Mittel verfügt, die obsiegende Partei, welche den Kostenvorschuss geleistet hat, auf diesen Kosten, trotz des Obsiegens, sitzen bleibt.

Mit dem soll neu Schluss sein. Nur wenn die kostenpflichtigen Partei einen Kostenvorschuss geleistet hat, soll dieser noch verrechnet werden; darüber hinaus wird ein Fehlbetrag nachgefordert oder ein Überschuss zurückerstattet.

Gewinnt die Partei, welche den Vorschuss geleistet hat, so soll dieser neu zurückerstattet werden. Der Staat wird dann die Gerichtskosten bei der unterliegenden Partei einfordern. Damit tragen künftig nicht mehr die Parteien das Inkassorisiko der Gegenpartei in Bezug auf die Gerichtskosten, sondern der Staat.

 

Auswirkungen der geplanten Änderung der Zivilprozessordnung auf den Arbeitsprozess

Die vorliegenden Änderungen betreffen Verfahren, in welchen Gerichtskosten geschuldet sind. Hiervon sind gewisse arbeitsrechtliche Verfahren ausgeschlossen.

In den folgenden arbeitsrechtlichen Streitigkeiten werden nämlich keine Gerichtskosten erhoben:

  • bei Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz
  • bei Streitigkeiten nach dem Mitwirkungsgesetz
  • bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis und aus dem AVG bis zu einem Streitwert von
    CHF 30 000.00.

 

In Bezug auf die vorgenannten Verfahren werden die vorgeschlagenen Änderungen somit keine Neuerungen bringen. Im Rahmen des Arbeitsrechts werden aber Streitigkeiten mit einem Streitwert von über CHF 30’000 betroffen sein. Dort werden Kostenvorschüsse verlangt. Diese Verfahren wären von der neuen Regelung betroffen. Zur Bestimmung des Streitwerts siehe etwa den Beitrag zum Streitwert der Lohnklage.

 

Einleitung des Verfahrens

Ein Gerichtsverfahren ist durch ein sogenanntes Schlichtungsverfahren einzuleiten (Art. 197 ZPO). Dieses ist zwingend. Im Bereich des Arbeitsrechts gibt es hiervon die folgenden Ausnahmen:

Die klagende Partei kann auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens verzichten,

  • wenn die beklagte Partei Sitz oder Wohnsitz im Ausland hat (Art. 199 Abs. 2 lit. a ZPO),
  • wenn der Aufenthaltsort der beklagten Partei unbekannt ist (Art. 199 Abs. 2 lit. b ZPO) sowie
  • in Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz.

 

Gemeinsam können die Parteien auf die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens verzichten bei Streitigkeiten mit einem Streitwert von mindestens CHF 100’000 (Art. 199 Abs. 1 ZPO).

 

Ziel der Schlichtungsverhandlung und weiteres Vorgehen

Die Schlichtungsbehörde versucht, eine Einigung zwischen den Parteien zu erreichen. Aus diesem Grund haben die Parteien persönlich zur Schlichtungsverhandlung zu erscheinen (Art. 204 ZPO – siehe hierzu etwa den Beitrag betreffend Vertretung vor den Schlichtungsbehörden). Davon gibt es zwei Ausnahmen:

  • Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 5’000 kann die Schlichtungsbehörde einen Urteilsvorschlag unterbreiten, ebenso bei Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz (Art. 210 ZPO).
  • Bei Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu CHF 2 000.00 kann die Schlichtungsbehörde ein Urteil sprechen, sofern die klagende Partei einen entsprechenden Antrag stellt (Art. 212 ZPO).

 

Kommt es zu keiner Einigung (und wird keine Klagebewilligung ausgestellt oder kein Entscheid der Schlichtungsbehörde gefällt) zwischen den Parteien, so wird dem Kläger die Klagebewilligung ausgestellt. Dies berechtigt zur Klage innert drei Monaten beim zuständigen Gericht.

 

Revisionsvorlage und Schlichtungsverhandlung

Im Rahmen des Vorschlages des Bundesrates soll die Schlichtungsbehörde neu bis zu einem Streitwert von CHF 10’000 einen Urteilsvorschlag unterbreiten können.

Sodann wird festgehalten, dass eine vor den Schlichtungsbehörden säumige Partei mit einer Ordnungsbusse von bis zu 1000 Franken bestraft werden kann.

 

Weitere geplante Änderungen der Zivilprozessordnung

Mit weiteren punktuellen Anpassungen der Zivilprozessordnung sollen insbesondere die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Privatrecht verbessert und damit die Anwenderfreundlichkeit der ZPO weiter verbessert und die Verfahrenskoordination vereinfacht werden.

Neu wird zudem auch festgehalten, dass arbeitsrechtliche Streitigkeiten nie vom Handelsgericht zu beurteilen sind (sofern der entsprechende Kanton überhaupt über ein Handelsgericht verfügen sollte).

Die Regelungen zum Ort der Klage sollen unverändert bleiben (siehe hierzu etwa Die Klage am Arbeitsort und Örtlich zuständiges Gericht beim Arbeitsprozess).

 

Autor: Nicolas Facincani