Das Bundesgericht hatte im Urteil 4A_534/2017 vom 23. Oktober 2018 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es im Rahmen eines echten Arbeitsvertrag auf Abruf zulässig ist, dass die Abrufe stark schwanken (Umfang und Häufigkeit). In einigen Monaten erhielt der Arbeitnehmer gar keinen Lohn, da er nicht abgerufen wurde.

 

Arbeit auf Abruf

Der Begriff der Arbeit auf Abruf wird unterschiedlich verwendet. Im Allgemeinen geht es darum, dass sich ein Arbeitnehmer bereit hält und vom Arbeitgeber abgerufen werden kann. Um die rechtliche Ausgestaltung eines Arbeitsvertrages zu beurteilen kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer bei einem Abruf verpflichtet ist, diesem Folge zu leisten oder nicht.

 

Echter Vertrag auf Abruf

Bei der echten Arbeit auf Abruf wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Abruf des Arbeitgebers Folge zu leisten. Man spricht hier von echter Arbeit auf Abruf. Grundsätzlich hat er sich zur Verfügung zu halten, damit er abgerufen werden kann. Die Einsätze können regelmässig oder unregelmässig erfolgen. Man spricht auch von Arbeit mit kapazitätsorientierter variabler Arbeitszeit (KAPOVAZ). So wird dem Arbeitgeber ermöglicht, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer optimal zu nutzen. Dabei handelt es sich praktisch immer um Teilzeitarbeitsverträge.

Diese Form der Arbeit umfasst also die Arbeitseinsätze und sodann den Bereitschaftsdienst, während dem sich der Arbeitnehmer zur Verfügung halten muss.

Der Arbeitgeber muss dabei nicht nur die Einsätzen, sondern auch den Bereitschaftsdienst entschädigen. Für die Entschädigung des Bereitschaftsdienst ist es unerheblich, ob dieser im Betrieb oder ausserhalb stattfindet.

Es ist aber zulässig den Bereitschaftsdienst zu einem erheblich tieferen Ansatz zu entschädigen als die Arbeitseinsätze. Ebenfalls zulässig wird die Vereinbarung erachtet, den Bereitschaftsdienst durch die Entschädigung der Einsätze als abgegolten zu erklären, wobei die Entschädigung für die Einsätze dies zu berücksichtigen hat und entsprechend höher anzusetzen ist, damit eine Entschädigung für den Bereitschaftsdienst gesichert ist.

 

Unechter Vertrag auf Abruf

Bei einem unechten Arbeitsvertrag auf Abruf ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, dem Abruf des Arbeitgebers Folge zu leisten. Der Arbeitnehmer hat es  in der Hand, das Angebot des Arbeitgebers zu akzeptieren. Dabei kommt ein Vertrag mit den angebotenen Konditionen zustande. Mit jedem akzeptierten Abruf kommt ein neues befristetes Arbeitsverhältnis zustande.

Rechnen die Parteien im vornherein mit einer Häufung der Einsätze, wird regelmässig eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen. Dieser stellt noch keinen Arbeitsvertrag dar. Er legt aber die Arbeitsbedingungen für die künftigen Einsätze fest. Sollen die Einsätze in einem fremden Betrieb geleistet werden, liegt regelmässig Termporärarbeit vor. Bei der Arbeit auf Abruf ist insbesondere das Verbot der Kettenarbeitsverträge zu beachten (siehe auch den Beitrag betreffend die Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen).

Zur Abgrenzung des echten vom unechten Vertrag auf Abruf hat das Kantonsgericht St. Gallen etwa das folgende festgehalten (BE.2017.30): Die echte wie auch die unechte Arbeit auf Abruf sind Formen der (uneigentlichen) Teilzeitarbeit. Sie unterscheiden sich dadurch, dass den Arbeitnehmer bei der echten Arbeit auf Abruf eine Einsatzpflicht nach Weisung des Arbeitgebers trifft (einseitiger Abruf durch den Arbeitgeber), wohingegen der Arbeitnehmer bei der unechten Arbeit auf Abruf keine Einsatzpflicht hat und ein Einsatz erst aufgrund einer gegenseitigen Vereinbarung zustande kommt. Bei der unechten Arbeit auf Abruf liegt den einzelnen Einsätzen oftmals ein Rahmenvertrag zugrunde. Ein solcher Rahmenvertrag regelt die Arbeitsbedingungen zwar einheitlich, stellt jedoch selbst noch keinen Arbeitsvertrag dar, da sich der Arbeitnehmer darin nicht zur Leistung von Arbeit verpflichtet (vgl. BGer 4A_509/2009 E. 2.3, 4A_334/2017 E. 2.2; BGE 124 III 249 E. 2.a; Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Art. 319 N 18, S. 111, 116; BSK OR I-Portmann/Rudolph, Art. 321 N 19; CHK-Emmel, N 6 zu Art. 321 OR; ZK-Staehelin, Art. 319 OR N 58; Brühwiler, Einzelarbeitsvertrag, Kommentar zu den Art. 319-343 OR, Art. 319 N 11, S. 32; BK-Rehbinder/Stöck­li, Art. 319 OR N 35, wobei Letztere bei einem Ablehnungsrecht des Arbeitnehmers nicht von Arbeit auf Abruf, sondern von Gelegenheitsarbeit ausgehen). Von der Arbeit auf Abruf ist die eigentliche Teilzeitarbeit zu unterscheiden. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der reduzierte Arbeitseinsatz wiederholt und mit im Voraus bestimmten – wenn auch möglicherweise unregelmässigen – Arbeitszeiten erfolgt (Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 319 N 18, S. 110).

 

Urteil 4A_534/2017 vom 23. Oktober 2018

Der Arbeitnehmer war als Maler auf Abruf mit einem schwankenden Beschäftigungsgrad angestellt. Sein Stundenlohn betrug CHF 26. Zudem erhielt er Pauschalpesen und einen Anteil am 13. Monatslohn.

 

Zulässigkeit der echten Arbeitsvertrages auf Abruf

Das Bundesgericht bejahte zuerst die Arbeitsform des echten Arbeitsvertrages (Urteil 4A_534/2017):

En soi, le travail sur appel n’est pas interdit par la loi (ATF 125 III 65 consid. 3b p. 67; 124 III 249 consid. 2a p. 250). Il n’en demeure pas moins que cette forme de travail doit respecter les dispositions légales impératives (art. 361 et 362 CO; ATF 125 III 65 consid. 3b p. 67) et qu’elle peut, le cas échéant, être incompatible avec les clauses normatives d’une convention collective de travail (cf. ATF 124 III 249 consid. 2b p. 250 s.).

 

Schranken der echten Arbeit auf Abruf

Eine der Schranken des echten Arbeitsvertrages auf Abruf sei aber eine plötzliche Verringerung des monatlichen Arbeitsvolumens. Dadurch könne der obligatorische Schutz der Kündigungsfristen untergraben werden. Denn auch wenn der Umfang der Arbeit auf Abruf per definitionem je nach den Umständen variiere, könne der Arbeitgeber – der nach der zwingenden Vorschrift von Art. 324 Abs. 1 OR das Geschäftsrisiko trage – nicht von einem Tag auf den anderen die Dienste des Arbeitnehmers verweigern und ihm plötzlich jede Vergütung entziehen (Urteil 4A_534/2017). Es stützte sich insbesondere auf ATF 125 III 65, einen Fall, bei dem der Arbeitgeber die Abrufhäufigkeit eines gekündigten Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist abrupt reduziert hatte («diminuation brutale»), was nach Auffassung des Bundesgerichts den durch die Kündigungsfristen des Art. 335c OR angestrebten Arbeitnehmerschutz seiner Substanz entleere.

L’une des limites au travail sur appel se rencontre en cas de diminution brutale du volume mensuel de travail, laquelle peut notamment vider de sa substance la protection impérative liée au délai de congé fixé à l’art. 335c CO (ATF 125 III 65 consid.4b/aa p. 68). En effet, même si, par définition, le volume du travail sur appel varie selon les circonstances, l’employeur – qui supporte le risque d’entreprise selon la règle impérative de l’art. 324 al. 1 CO – ne peut pas refuser d’un jour à l’autre les services du travailleur et le priver subitement de toute rémunération (cf. art. 326 CO).

 

Unzulässigkeit des Nichtabrufs

Das Bundesgericht erachtete es aufgrund der vorgenannten Erwägungen als unzulässig, dass der Arbeitgeber, gestützt auf seine eigene betriebliche Situation völlig einseitig die Arbeitsdauer und so den Lohn festlegen konnte. Das Bundegericht erachtete dies als einen Verstoss gegen Art. 324 OR. Der Arbeitnehmer dürfe sich daher auf eine Mindestabrufdauer verlassen (Urteil 4A_534/2017):

La CCT-SOR n’interdit pas expressément le travail sur appel. Elle ne prohibe pas non plus le travail à temps partiel (cf. art. 319 al. 2 CO; cf. CHRISTIAN BRUCHEZ, in Commentaire du contrat de travail, Dunand/Mahon éd., 2013, n° 11 ad art. 357 CO p. 1184). Comme déjà relevé, le recourant n’a pas démontré avoir fourni un travail à plein temps pendant des périodes significatives, soit des semaines entières. Contrairement à ce que le travailleur soutient, l’accord des parties ne saurait dès lors être contraire à l’art. 12 CCT-SOR, imposant des limites à la flexibilité de l’horaire de travail hebdomadaire (ordinaire ou variable) des employés occupés à temps complet. 

Cela étant, le système adopté par les parties permettait à l’employeur de déterminer unilatéralement, en fonction de s0es propres besoins, la durée du travail et la rétribution du travailleur, lequel a d’ailleurs été privé certains mois de toute rémunération; il a conduit à reporter le risque d’entreprise sur le travailleur puisque celui-ci renonçait à son salaire en cas de diminution brutale du volume de travail. Conformément à la jurisprudence citée plus haut (consid. 4.1), un tel système est prohibé par la loi, dès lors que l’employeur en demeure de fournir du travail reste devoir le salaire (art. 324 al. 1 CO) et que le travailleur ne peut pas renoncer au bénéfice de cette règle impérative en tout cas pendant la durée du contrat (art. 362 et 341 al. 1 CO). 

Du reste, le principe du risque d’entreprise à la charge de l’employeur est concrétisé également en matière de travail aux pièces ou à la tâche lorsque l’employé travaille pour un seul employeur (art. 326 CO). Ce dernier doit fournir du travail en quantité suffisante (al. 1). S’il se trouve sans sa faute dans l’impossibilité de fournir du travail aux pièces ou à la tâche, il peut charger le travailleur d’un travail payé au temps (al. 2) et lui versera alors l’équivalent du salaire moyen aux pièces ou à la tâche qu’il gagnait jusqu’alors, à moins que le salaire payé au temps ne soit fixé dans un accord, un contrat-type de travail ou une convention collective (al. 3); l’employeur qui ne peut pas fournir suffisamment de travail aux pièces ou à la tâche ni de travail payé au temps, n’en reste pas moins tenu, conformément aux dispositions sur la demeure, de payer le salaire qu’il devrait verser pour du travail payé au temps (al. 4). 

Il s’ensuit que le travailleur sur appel devait pouvoir compter sur un certain taux d’activité pendant toute la durée des rapports de travail, sans être soumis au bon vouloir de l’employeur s’agissant de sa rémunération moyenne (cf. RÉMY WYLER/BORIS HEINZER, Droit du travail, 3e éd. 2014, p. 152; GABRIEL AUBERT, in Commentaire romand, Code des obligations I, 2e éd. 2012, n° 4 ad art. 324 CO). 

 

Zusammenfassung

Das Bundesgericht stellt zu Recht fest (Urteil 4A_534/2017), die (echte) Arbeit auf Abruf sei nicht verboten. Es sprach in der Folge jedoch für diejenigen Monate, in denen kein Abruf erfolgte, den Durchschnittslohn der Monate zu, in denen ein Abruf erfolgt war. Dies bedeutet aber bei genauerer Betrachtung die faktische Abschaffung der echten Arbeit auf Abruf im Sinne einer konsequent kapazitätsorientierten, variablen Arbeitszeit. Die völlige Freiheit wird dem Arbeitgeber genommen.

Das Bundesgericht geht richtigerweise davon aus, dass das Betriebsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer übertragen werden darf. Im zitierten Entscheid erfolgte in gewissen Monaten gar kein Abruf. Es stellt sich die Frage, wie entschieden worden wäre, wenn der Arbeitnehmer in gewissen Monaten voll, und in anderen nur zu 50% abgerufen worden werden. Natürlich wäre hier der Bereitschaftsdienst zu entschädigen.

 

Siehe hierzu auch (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani