Unfälle mit Maschinen und Anlagen des Arbeitgebers führen regelmässig zur Frage der Fürsorgepflichtverletzung des Arbeitgebers. Insbesondere wird den Arbeitgebern oft vorgeworfen, nicht genügend für die Arbeitssicherheit gesorgt und somit die Fürsorgepflicht verletzt zu haben, so auch im Urteil des Bundesgerichts 4A_187/2019 vom 9. März 2020.

 

Kurzzusammenfassung des Sachverhalts (Urteil des Bundesgerichts 4A_187/2019 vom 9. März 2020)

Die Arbeitnehmerin hatte am eine Stanzmaschine gearbeitet. Am 2. Juli 2008 wurde die Arbeitnehmerin an ihrem Arbeitsplatz in einen Unfall verwickelt. Während der Arbeit an einer Stanzmaschine stach sie mehrmals in ihren linken Daumen, bis sie blutete. Danach ging sie in die Krankenstation, um sich einen Verband anlegen zu lassen. Als sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte, versuchte sie, das zu stanzende Teil, das hinter die Stanzmaschine gefallen war, zurückzuholen. Dabei griff sie mit der rechten Hand in die Maschine wobei sie sich einen tiefen Schnitt im rechten Ringfinger zufügte.

Vor oder nach diesem Vorfall hat es in dem Unternehmen keine weiteren Unfälle dieser Art gegeben. In der Folge versuchte die Arbeitnehmerin Schadenersatz aufgrund einer Verletzung der Fürsorgepflicht geltend zu machen. Sie machte auch geltend, sie habe einen Defekt an der Maschine gemeldet und dieser sei vom Arbeitgeber nicht repariert worden.

Die kantonalen Instanzen lehnten die Haftung des Arbeitgebers ab.

 

Kantonales Urteil (Cour civile du Tribunal cantonal du canton du Jura (CC 83/2018 + CC 96/2018))

Der Streitfall betrifft die Schadenersatzforderung der Arbeitnehmerin wegen angeblicher Verletzung von Art. 328 OR durch den Arbeitgeber (Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers). Das obere kantonale Gericht entschied, dass dieser nicht für den von ihrem Angestellten erlittenen Schaden haftbar sei, und zwar nach einer Argumentation, die sich wie folgt zusammenfassen lässt:

  • Erstens hatte die Arbeitnehmerin nicht den Nachweis erbracht, dass sie ihrem Teamleiter berichtet hatte, es gäbe Unregelmässigkeiten an der Maschine, die zu reparieren gewesen wären. Somit konnte der Arbeitgeber auch nicht für die Verletzung seiner Sorgfaltspflicht verantwortlich gemacht werden, da er die Reparatur nicht vorgenommen habe.
  • Zweitens verlangten die Richtlinien des Arbeitgebers von den Arbeitnehmern an den Stanzmaschinen, dass sie aufstehen, die Seitentür der Maschine öffnen und von hinten die hineingefallenen Teile zurückholen. Dieses Verfahren wurde durch die Arbeitnehmerin nicht befolgt. Auch häufigere Kontrollen hätten zudem nicht ausgereicht, um die Arbeitnehmer davon abzuhalten, hineingefallen Teile korrekt zurückzuholen.
  • Drittens: Grobes Selbstverschulden: Selbst wenn der Arbeitgeberin eine Verletzung ihrer Fürsorgepflicht vorgeworfen werden könnte, wäre die Ursache des Unfalls, den die Arbeitnehmerin erlitten hat, allein auf ihre Leichtfertigkeit zurückzuführen gewesen. Sie war sich der Gefahr bewusst, da sie sich nach eigenen Angaben kurz vor ihrer Verletzung des rechten Ringfingers mehrmals in den linken Daumen gestochen hatte; dennoch hatte sie entgegen den Anweisungen des Arbeitgebers ihre Hand durch die Maschine gesteckt, um das hineingefallene Teil zurückzuholen, ein schwerer Fehler, der den Kausalzusammenhang unterbrechen konnte.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht fasste in einem ersten Schritt die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen und der Verletzung der Fürsorgepflicht zusammen:

Art. 328 Abs. 2 OR verpflichtet den Arbeitgeber, zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der des Arbeitnehmers die nach der Erfahrung erforderlichen, nach dem Stand der Technik anwendbaren und den betrieblichen Verhältnissen angepassten Massnahmen zu treffen, soweit das Arbeitsverhältnis und die Art der Arbeit es zulassen, die von ihm in angemessener Weise von ihm verlangt werden können.

Nach der Rechtsprechung obliegt es dem Arbeitgeber insbesondere, die Maschinen und Anlagen, die von den Arbeitnehmern benutzt werden, mit ausreichenden Sicherheitsvorrichtungen auszustatten, um die Realisierung der Risiken, zu verhindern. Um seiner Verpflichtung nachzukommen, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch über ungewöhnliche Risiken, die der Arbeitnehmer nicht kennt, und über die zu ihrer Vermeidung zu ergreifenden Massnahmen informieren und dann dafür sorgen, dass diese Massnahmen gewissenhaft angewendet werden. Bei der Prävention muss er Unfälle berücksichtigen, die im normalen Verlauf der Dinge vorhersehbar sind, wobei die Unaufmerksamkeit oder sogar Unvorsichtigkeit des Arbeitnehmers zu berücksichtigen ist. Die Sicherheitspflicht, die das Gesetz dem Arbeitgeber auferlegt, umfasst somit die Verhütung jedes Unfalls, der nicht auf ein unvorhersehbares Verhalten zurückzuführen ist, das ein schwerwiegendes Verschulden (grobes Selbstverschulden) des Opfers darstellt.

Zu den Massnahmen, zu denen der Arbeitgeber verpflichtet ist, gehören die in der Verordnung über die Unfallverhütung (UVV, SR 832.30) genannten Massnahmen, insbesondere die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Wirksamkeit von Schutzmassnahmen und -einrichtungen nicht beeinträchtigt wird (Art. 3 Abs. 2), die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer über die Gefahren, denen sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit ausgesetzt sind, unterrichtet und über die zu ihrer Verhütung zu treffenden Maßnahmen unterrichtet werden werden, und schließlich die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass diese Maßnahmen eingehalten werden (Art. 6).

(L’art. 328 al. 2 CO astreint l’employeur à prendre, pour protéger la vie et la santé du travailleur, les mesures commandées par l’expérience, applicables en l’état de la technique et adaptées aux conditions de l’exploitation, dans la mesure où les rapports de travail et la nature du travail permettent équitablement de l’exiger de lui. Selon la jurisprudence, il lui appartient notamment de doter les machines et installations dont les travailleurs se servent de dispositifs de sécurité suffisants pour empêcher la réalisation des risques avec lesquels on peut compter (ATF 110 II 163 consid. 2a; 100 II 352 consid. 2a p. 354; arrêt 4C.545/1996 du 17 juillet 1997 consid. 3a). Pour satisfaire à son obligation, l’employeur doit également informer le travailleur des risques inhabituels que celui-ci ne connaît pas, et des mesures à prendre pour les éviter, puis veiller à l’application scrupuleuse de ces mesures (ATF 112 II 138 consid. 3b p. 142; 102 II 18 consid. 1 p. 19 et les arrêts cités). En matière de prévention, il doit compter avec les accidents que l’on peut prévoir selon le cours ordinaire des choses, eu égard à l’inattention, voire à l’imprudence du travailleur. L’obligation de sécurité que la loi impose à l’employeur comprend ainsi la prévention de tout accident qui n’est pas dû à un comportement imprévisible et constitutif d’une faute grave de la victime (ATF 112 II 138 consid. 3b p. 142; 95 II 132 consid. 2 p. 140). 

Font notamment partie des mesures que l’employeur est tenu de respecter celles qui sont mentionnées dans l’ordonnance sur la prévention des accidents (OPA, RS 832.30), en particulier l’obligation de veiller à ce que l’efficacité des mesures et des installations de protection ne soit pas entravée (art. 3 al. 2), l’obligation de veiller à ce que les travailleurs soient informés des risques auxquels ils sont exposés dans l’exercice de leur activité et soient instruits sur les mesures à prendre pour les prévenir et, enfin, l’obligation de faire en sorte que ces mesures soient observées (art. 6).)

 

Das Bundesgericht stütze sodann den Entscheid der oberen kantonalen Instanz:

Der Arbeitgeber hatte jedoch Sicherheitsvorschriften erlassen, die die Arbeitnehmer dazu verpflichteten, von ihrem Arbeitsplatz aufzustehen, die Seitentür der Maschine zu öffnen und das Teil von hinten zu entnehmen, um jegliches Verletzungsrisiko zu vermeiden. Damit sollte speziell das Risiko angesprochen werden. Es ist also nicht die unbestreitbare Gefährlichkeit der Maschine, die den Schaden verursacht hat, sondern das Handeln der Mitarbeiterin, die gegen die Sicherheitsvorschriften verstoßen hat. Ein Defekt spielte somit keine Rolle bzw. war nicht ursächlich für den Unfall.

(Zitat des Bundesgerichts: Apparemment, elle entend ainsi démontrer que la machine présentait une défectuosité que l’employeuse n’avait pas réparée et qui était la cause de l’accident. Ce moyen ne saurait toutefois prospérer. En effet, la cour cantonale a retenu en fait que, au fur et à mesure de l’exécution des pièces en séries, la cale de compensation s’écrase et a tendance à dépasser de son emplacement, si bien qu’elle peut se trouver à un endroit dangereux. Ce point n’est dès lors plus à démontrer. La recourante ne s’est pas blessée à l’annulaire droit lors du processus classique d’étampage, tel qu’il a été décrit plus haut (supra let. A). La question n’est dès lors pas de savoir si ce dépassement de la cale devait être réparé immédiatement pour que ce processus puisse être mené à bien sans que l’employée ne se blesse. La recourante s’est blessée lors d’un geste destiné à récupérer une pièce tombée derrière l’outillage de la machine à étamper. Pour ce faire, elle a passé la main à travers cette machine. Or, l’employeuse avait émis des prescriptions de sécurité, lesquelles enjoignaient aux employés de se lever de leur place de travail, d’ouvrir la porte latérale de la machine et de sortir la pièce par derrière, afin de parer à tout risque de blessure. Au moyen de ces prescriptions, elle entendait précisément parer le risque d’un contact de la main avec la cale de compensation. Ce n’est donc pas la dangerosité indéniable de la machine qui est la cause du dommage, mais le geste de l’employée qui a enfreint les prescriptions de sécurité. Il s’ensuit que le grief d’arbitraire dans la constatation des faits peut demeurer indécis, le fait en question n’étant pas déterminant.)

Die Arbeitnehmerin machte vor Bundesgericht geltend, dass der Arbeitgeber nicht nur mündliche Sicherheitsvorschriften erlassen könne, sondern diese schriftlich festlegen müsse. Die Es zeigte sich aber, dass sich die Arbeitnehmerin dieser Anforderungen bewusst war. Insofern sei nicht klar, warum sie in schriftlicher Form hätten verfasst werden sollen oder wie dies zu einer stärkeren Einhaltung der Bestimmungen geführt hätte.

(Zitat des Bundesgerichts: La recourante soutient que l’employeuse ne pouvait se borner à édicter des règles de sécurité orales, mais devait les spécifier par écrit. Il ressort des constatations souveraines de la cour cantonale qu’elle connaissait pertinemment ces prescriptions. Dans cette mesure, l’on ne discerne guère pour quelle raison celles-ci auraient dû revêtir la forme écrite, respectivement en quoi cette forme aurait conduit à ce qu’elle les respecte davantage.)

Die Arbeitnehmerin behauptete auch auch, dass der Arbeitgeber risikoreiches Verhalten toleriert habe, indem er „lediglich in nachgewiesenen Situationen an eine ungeschriebene Sicherheitsregel erinnert“ habe. Zwar müsse der Arbeitgeber bei gefährlichen Anlagen, an denen die Arbeitnehmerin täglich arbeiten muss, mit ausreichender Sorgfalt darauf achten, dass die Sicherheitsanweisungen im Betrieb eingehalten werden, indem er deren Einhaltung regelmässig überprüft und zumindest in Abständen daran erinnert, sonst verstößt er gegen seine Sicherheitspflicht und haftet. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Der Arbeitgeber sei seinen Pflichten nachgekommen.

(Zitat des Bundesgerichts: Elle prétend également que l’employeuse tolérait des comportements à risque en „se contentant de rappeler une règle non écrite de sécurité lors de situations avérées“. Certes, en présence d’installations dangereuses sur lesquelles l’employée doit travailler quotidiennement, l’employeuse doit veiller de manière suffisamment diligente au respect, dans l’entreprise, des consignes de sécurité, en s’assurant régulièrement de leur respect et en les rappelant au moins par intervalles, sous peine de méconnaître son obligation de sécurité et d’engager sa responsabilité. Cela étant, tel n’est pas le cas ici, comme l’a constaté la cour cantonale d’une manière qui lie le Tribunal fédéral.)

Schliesslich bejahte das Bundesgericht auch das Vorliegen eines groben Selbstverschuldens, welches die Kausalität unterbricht.

(Zitat des Bundesgerichts: Finalement, la recourante voit une violation du droit dans le raisonnement tenu par la cour cantonale s’agissant de la rupture du lien de causalité entre une hypothétique violation par l’employeuse de son obligation de diligence et le dommage. Elle fonde son raisonnement sur le caractère prévisible de son comportement à risque, puisque – selon elle – nombre d’employés procédaient de cette manière, et en déduit que son geste n’était pas de nature à rompre le lien de causalité. La recourante fait fausse route en voulant assimiler son comportement fautif à un événement imprévisible et extraordinaire: il s’agit-là de deux facteurs interruptifs de la causalité adéquate lesquels existent indépendamment l’un de l’autre. Au demeurant, la jurisprudence souligne que l’intensité de chacune des causes en présence est déterminante: si la faute du lésé apparaît lourde au point de presque supplanter le fait imputable à la partie recherchée, le lien de causalité adéquate est alors rompu (ATF 130 III 182 consid. 5.4 p. 188; 116 II 519 consid. 4b). Il n’y a dès lors nulle violation du droit dont la recourante serait fondée à se plaindre.)

 

Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers siehe auch (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani