Damit eine Aufhebungsvereinbarung gültig vereinbart werden kann, müssen verschiedene Voraussetzungen gegeben sein (vgl. hierzu etwa Astrid Lienhart, in: Etter/Facincani/Sutter (Hrsg.), Arbeitsvertrag, Art. 341 N 1 ff.). In diesem Zusammenhang ist insbesondere kritisch, dass Arbeitnehmer währen der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach Beendigung nicht auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Gesetzesvorschriften ergeben, verzichten können:

Dazu etwa das Bundesgericht (BGer 4A_57/2021 E. 3.2.3):

Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung kann der Arbeitnehmer auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus unabdingbaren Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben, nicht verzichten (Art. 341 Abs. 1 OR).  

Ein Vertrag über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses kann nach der Praxis zulässig sein, sofern er nicht zu einer klaren Umgehung des zwingenden gesetzlichen Kündigungsschutzes führt. Art. 341 Abs. 1 OR verbietet nur den einseitigen Verzicht und nicht auch den Vergleich, bei dem beide Parteien auf Ansprüche verzichten und damit ihr gegenseitiges Verhältnis klären (BGE 119 II 449 E. 2a S. 450; 118 II 58 E. 2a). Ein Aufhebungsvertrag hat für den Arbeitnehmer einschneidende Folgen (vgl. Art. 336 ff. OR) und verkürzt den Anspruch auf Arbeitslosengeld (siehe Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG). Liegt der einvernehmlich festgelegte Endtermin vor dem Ende der Kündigungsfrist, so geht der Arbeitnehmer mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags zudem eines Teils seines Lohnanspruchs verlustig. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass der Arbeitnehmer auf derartige Vorteile ohne Gegenleistung verzichtet. Der Aufhebungsvertrag bedarf daher einer Rechtfertigung durch die Interessen des Arbeitnehmers. Es ist folglich stets zu prüfen, was der mutmassliche Verzicht des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer tatsächlich bedeutet. Im Einzelfall hat eine Interessenabwägung zu erfolgen, wobei zu beurteilen ist, ob die beidseitigen Ansprüche, auf die verzichtet wird, von ungefähr gleichem Wert sind. Die Vermutung, dass der Arbeitnehmer zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses Hand bieten will, ist mithin nicht leichthin anzunehmen. Der Arbeitgeber darf vielmehr den Schluss auf einen derartigen Vertragswillen des Arbeitnehmers nach Treu und Glauben nur ziehen, wenn er sich aus dessen Verhalten unmissverständlich und zweifelsfrei ergibt (BGE 102 Ia 417 E. 3c). Ist ein übereinstimmender Wille, das Arbeitsverhältnis zu beenden, erstellt, ist für die Gültigkeit einer solchen Vereinbarung, soweit sie einen Verzicht auf Ansprüche aus zwingendem Recht bedeutet, zusätzlich vorausgesetzt, dass es sich beim Aufhebungsvertrag um einen echten Vergleich handelt, bei welchem beide Parteien Konzessionen machen (BGE 118 II 58 E. 2b; Urteile 4A_13/2018 vom 23. Oktober 2018 E. 4.1; 4A_563/2011 vom 19. Januar 2012 E. 4.1 mit zahlreichen Hinweisen). 

 

BGer 4A_57/2021 vom 21. Juli 2021

Im Entscheid des Bundesgerichts BGer 4A_57/2021 hatte sich dieses mit der Zulässigkeit bzw. mit der Gültigkeit einer Aufhebungsvereinbarung zu befassen. Es lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 26. Oktober 2016 buchte der Arbeitnehmer vier Tickets für eine gesponserte Veranstaltung, wobei er zwei Tickets fälschlicherweise nicht als private Ausgabe deklarierte und sich damit im Betrag von EUR 1’875.– unrechtmässig bereicherte. Der Vorfall führte zu einer internen Untersuchung, in deren Rahmen der Kläger am 1. März 2017 befragt wurde und sein Fehlverhalten einräumte. Anlässlich eines Meetings vom 17. März 2017 mit wurde der Kläger über den Entschluss der Beklagten informiert, sich unverzüglich von ihm zu trennen. Ihm wurde ein Kündigungsschreiben sowie „als Option“ ein Separation Agreement zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegt, welches der Kläger an Ort und Stelle unterzeichnete.

In der Folge stellte sich die Frage, ob die firstlose Entlassung rechtzeitig erfolgt wäre und ob das Separation Agreement gültig war.

 

Entscheid der Vorinstanz

Die Vorinstanz war der Ansicht, die Kündigung wäre zu spät ausgesprochen worden (wenn nicht der Aufhebungsvertrag unterzeichnet worden wäre). Man sei bereits über die Verfehlungen im Bilde gewesen. Die Arbeitgeberin habe zu langsam gehandelt und es sei davon auszugehen, dass ihr eine Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Fristen zumutbar gewesen wäre. Die dem Arbeitnehmer am 17. März 2017 vorgelegte, aber nicht ausgesprochene fristlose Kündigung wäre daher nicht rechtens gewesen. Das Erstgericht habe zu Recht offen gelassen, ob objektiv ein Grund für eine fristlose Entlassung bestanden hätte, da es daran aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführerin subjektiv gefehlt habe. Wenn dem Arbeitnehmer als „Option“ zur unrechtmässigen fristlosen Kündigung eine Aufhebungsvereinbarung mit sofortiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegt worden sei, habe er diese nicht aus freien Stücken unterzeichnet. Zudem sei nicht ersichtlich, inwiefern die Vereinbarung das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers hätte fördern sollen, wenn darin festgehalten worden sei, dass das Arbeitsverhältnis infolge seines Fehlverhaltens beendet werde.

 

Rechtzeitigkeit der fristlosen Entlassung

Das Bundesgericht fasst nochmals zusammen, dass eine fristlose Kündigung grundsätzlich ohne Verzug auszusprechen ist (E. 3.2.2):

Eine fristlose Kündigung ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ohne Verzug nach Kenntnis des wichtigen Grundes auszusprechen, andernfalls Verwirkung anzunehmen ist (BGE 123 III 86 E. 2a; Urteil 4A_610/2018 vom 29. August 2019 E. 4.2.2.1; je mit Hinweisen). Eine Frist von zwei bis drei Arbeitstagen zum Nachdenken und Einholen von Rechtsauskünften wird als angemessen erachtet. Eine längere Frist wird nur zugestanden, sofern praktische Erfordernisse des Alltags- und Wirtschaftslebens eine solche als berechtigt erscheinen lassen (BGE 130 III 28 E. 4.4; 112 II 41 E. 3b). So wird juristischen Personen, bei denen der Entscheid über die Kündigung in die Kompetenz eines mehrköpfigen Organs fällt, aufgrund des längeren Willensbildungsprozesses eine Entscheidungsfrist von etwa einer Woche zugestanden. Entsprechend hat das Bundesgericht eine Überlegungsfrist von acht Tagen bzw. sechs Arbeitstagen als zulässig erachtet (Urteil 4A_477/2011 vom 27. September 2011 E. 2.1).  

Zudem muss bei einem klaren Sachverhalt anders vorgegangen werden als in Fällen, in denen zuerst Abklärungen notwendig sind oder die Verfehlungen erst langsam an den Tag treten. Ist der Vorwurf von Anfang an klar und ist nur zu ermitteln, ob er zutrifft oder nicht, so kann der Arbeitgeber schon während der Abklärung des Sachverhalts überlegen, wie er reagieren will, wenn sich der Vorwurf als zutreffend erweist. In einem solchen Fall kann verlangt werden, dass er die fristlose Entlassung nach Feststellung des Sachverhalts sofort ausspricht, ohne dass ihm noch einmal eine Überlegungsfrist gewährt werden muss. Liegt ein konkreter nennenswerter Verdacht gegen eine individuelle Person vor, bei dessen Erhärtung der Arbeitgeber in Betracht zieht, das Arbeitsverhältnis zum Arbeitnehmer sofort zu beenden, ist zu verlangen, dass der Arbeitgeber unverzüglich alle ihm zumutbaren Massnahmen ergreift, um Klarheit zu gewinnen. Wartet er mit den Abklärungen der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe zu, deutet dies darauf hin, dass das gegenseitige Vertrauensverhältnis nicht unwiederbringlich zerstört und es ihm subjektiv zumutbar ist, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten (Urteile 4A_610/2018 vom 29. August 2019 E. 4.2.2.1; 4C.188/2006 vom 25. September 2006 E. 2; 4C.187/2004 vom 5. Juli 2004 E. 4.1; je mit Hinweisen).

Vor diesem Hintergrund war auch das Bundesgericht der Ansicht, dass fristlose Entlassung (bzw. die Absicht dazu) zu spät mitgeteilt wurde.

Eine Unzumutbarkeit, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, liegt (auch objektiv) offensichtlich nicht vor, zumal der Beschwerdegegner noch am 16. März 2017 an einer Besprechung mit D. teilnahm, ohne dass ihn dieser über den bereits gefällten Entscheid informiert hätte. Die Aushändigung der fristlosen Kündigung am Folgetag mit der „Option“, diese durch sofortige Unterzeichnung eines Separation Agreement abzuwenden, erscheint unter diesen Umständen nachgerade missbräuchlich, jedenfalls aber klar verspätet. Im Übrigen scheint die Beschwerdeführerin mit ihren Ausführungen zur Kompetenzregelung innerhalb des Konzerns zu verkennen, dass eine fristlose Kündigung von Gesetzes wegen formlos ausgesprochen werden kann und (nur) auf Verlangen der Gegenpartei schriftlich begründet werden muss (Art. 337 Abs. 1 OR). Damit soll offensichtlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen der betroffenen Partei aus wichtigen Gründen gerade nicht mehr zumutbar ist.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht schützte die Ansicht der Vorinstanz, dass die Aufhebungsvereinbarung nichtig sei:

Es sei zudem nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz erwog, der Beschwerdegegner habe sich angesichts der erstmaligen Vorlage des Separation Agreement und der ultimativen Aufforderung zur Unterzeichnung durch D. am 17. März 2019 nicht hinreichend Rechenschaft über die Konditionen des Vertrages geben oder sich rechtlich beraten lassen können. Unter den gegebenen Umständen stehe zudem zweifelsfrei fest, dass der Arbeitnehmer das Separation Agreement nicht aus freien Stücken, jedenfalls aber offensichtlich nicht ohne Zwang unterzeichnete. Dieses sei daher ungültig, wobei die Vorinstanz nachvollziehbar von einer Umgehung der gesetzlichen Kündigungsfristen und daher von Nichtigkeit des Separation Agreement ausgeht (vgl. zur Nichtigkeit nach Art. 20 OR: Urteil 4A_263/2019 vom 2. Dezember 2019 E. 2.3 mit Hinweisen).

 

Weitere Beiträge zu Aufhebungsvereinbarungen (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.