Zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrages war streitig, ob das Arbeitsverhältnis durch einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag oder durch eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber beendet wurde. Fristlose Kündigungen beschäftigen regelmässig die Gerichte.

Die kantonale zweite Instanz (Kantonsgericht Graubünden) ging von einem Aufhebungsvertrag aus, erachtete für den konkreten Fall aber auch eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber als zulässig. Der Arbeitgeber verlangte die Beurteilung durch das Bundesgericht (BGer 4A_249/2019 – siehe  zu den Arten der Beendigung von Arbeitsverträgen etwa auch die Beiträge zur Aufhebungsvereinbarung und zur fristlosen Kündigung sowie zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Allgemeinen).

 

Sachverhalt

Dem Entscheid des Bundesgerichts 4A_249/2019 vom 6. Januar 2020 lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Chefbademeister eines Schwimmbades hatte sich über verschiedene Verhaltensweisen des Mitarbeiters beklagt. So habe ihn dieser vor Publikum als Stresskopf bezeichnet und ihm gesagt, er habe nichts im Kopf. Im Weiteren habe der Mitarbeiter theatralisch herumgebrüllt, als er (der Chefbademeister) das Grünzeug mit einem Wasserschlauch zusammengetrieben habe. Eine konstruktive Kommunikation mit dem Mitarbeiter sei nicht möglich. Der Chefbademeister bat um Tipps, wie er die Situation meistern solle.

Später am selben Tag schrieb der Mitarbeiter eine E-Mail an den Arbeitgeber mit folgendem Inhalt: „Es ist ja nichts Neues für Dich und es tut mir irgendwie auch leid, aber das Arbeitsklima und die Arbeitsmethodik mit und betreffend Chefbademeister ist leider gescheitert. Ich werfe das Handtuch. Der Entscheid ist definitiv, was wir tun können ist der Zeitpunkt und/oder andere Möglichkeiten ausarbeiten. Auf jeden Fall möchte ich mit dem Chefbademeister nichts mehr zu tun haben. Natürlich ist das enttäuschend, auch ich selbst bin enttäuscht, zumal mir der Job sonst sehr gut gefällt. Gleichzeitig möchte ich gerne meinen bereits von mir unterschriebenen Vertrag zurück. Ich habe Dich bereits mehrmals darauf hingewiesen, doch den Vertrag habe ich bis heute nicht zurück. Bitte informiere alle im Vorstand. Dies ist ein offener Brief und ich werde allen eine Kopie ins Fach legen. Gerne bin ich für ein Gespräch bereit.“

Im anschliessenden Gespräch Im anschliessenden Gespräch mit dem Beschwerdeführer hatte der Arbeitgeber eine fristlose Entlassung ausgesprochen. Am gleichen Tag wurde dem Mitarbeiter eine schriftliche Bestätigung zugestellt. Gleichentags hatte die Schlüsselübergabe stattgefunden.

 

Kantonaler Entscheid (Urteil des Kantonsgerichts Graubünden, II. Zivilkammer, vom 9. April 2019 [ZK2 16 30])

Die kantonale Vorinstanz schloss aus den Formulierungen in der E-Mail des Beschwerdeführers „[…] das Arbeitsklima und die Arbeitsmethodik mit und betreffend den Chefbademeister ist leider gescheitert.“ und „Ich werfe das Handtuch.“ sowie „Der Entscheid ist definitiv […]“, es bestünden keine Zweifel, dass der Beschwerdeführer die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewollt habe. Darauf deuteten auch die Zeugenaussagen des Chefbademeisters und eines Sportlehrers hin. Aus der durch den Arbeitgeber ausgesprochenen fristlosen Entlassung sowie der Verabschiedung des Beschwerdeführers verbunden mit der vollzogenen Schlüsselübergabe ergebe sich der Wille des Arbeitgebers zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Aufgrund dieser Überlegungen ging die kantonale Vorinstanz von einem konkludenten Aufhebungsvertrag aus.

 

Entscheid des Bundesgerichts (4A_249/2019 vom 6. Januar 2020)

Das Bundesgericht war der Auffassung, dass es in den Akten keinen Ausdruck „einvernehmliche Beendigung“ oder „in gegenseitigem Einvernehmen“ oder „in Annahme ihres Angebotes, das Arbeitsverhältnis per sofort aufzulösen“ gebe, welcher auf eine Aufhebungsvereinbarung hinweise. Die Kündigung – ob ordentlich oder fristlos – beinhalte die Ausübung eines Gestaltungsrechts, mit dem eine Partei einseitig ein Vertragsverhältnis auflöst. Weil mit der Kündigung das Rechtsverhältnis einseitig umgestaltet werde, sei sie grundsätzlich bedingungsfeindlich und unwiderruflich (BGE 128 III 129 E. 2a S. 135; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_257/2019 vom 6. November 2019 E. 2.2; je mit Hinweisen [siehe hierzu etwa den Beitrag Die E-Mail gilt als Kündigung]). Wer eine Kündigung ausspreche, tue damit nach Treu und Glauben seinen Willen kund, das Rechtsverhältnis einseitig umgestalten zu wollen. Darin könne nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht die Annahme einer allfälligen Offerte zu einer sofortigen Vertragsauflösung gesehen werden, zumal der Arbeitgeber, wenn er die Kündigung mit einem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers begründe, mit Annahme des Auflösungsvertrags allfälliger Ansprüche aus Art. 337b OR verlustig gehen könnte. Es sei nicht ersichtlich, wie der Arbeitnehmer habe von einem Angebot zur Vertragsauflösung ausgehen können Von einem Aufhebungsvertrag könne nicht die Rede sein, da ein solcher einer Annahme durch die Gegenpartei bedürfe und eine fristlose Kündigung jedenfalls für sich allein genommen keine konkludente Annahme zum Ausdruck bringe.

Entgegen der kantonalen Vorinstanz ging das Bundesgericht von einer fristlosen Kündigung aus (4A_249/2019 vom 6. Januar 2020).

 

Gerechtfertigte fristlose Kündigung?

Es stellte sich für das Bundesgericht in der folge die Frage, ob die fristlose Kündigung gerechtfertigt war oder nicht (die kantonale Vorinstanz ging in einer Eventualbegründung von der Zulässigkeit der fristlosen Kündigung aus):

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt war (bzw. es stellte fest, dass die kantonale diesbezügliche Entscheidung nicht zu beanstanden war).

 

Zitat des Bundesgericht:

Völlig unabhängig davon, ob in der E-Mail des Beschwerdeführers ein Antrag zu einer umgehenden Vertragsaufhebung gesehen werden kann, bringt der Beschwerdeführer damit zum Ausdruck, dass er nicht gewillt ist, das Arbeitsverhältnis wie bisher für den vereinbarten Zeitraum fortzusetzen: Der Beschwerdeführer bezeichnet „das Arbeitsklima und die Arbeitsmethodik mit und betreffend C.________“ als „gescheitert“. Er werfe das Handtuch. Er fährt fort: „Der Entscheid ist definitiv, was wir tun können ist der Zeitpunkt und/oder andere Möglichkeiten ausarbeiten. Auf jeden Fall möchte ich mit C.________ nichts mehr zu tun haben.“ Zwar trifft zu, dass der Beschwerdeführer ausführt, ihm gefalle der Job sehr gut und auch abschliessend nochmals seine Gesprächsbereitschaft beteuert. Im Gesamtzusammenhang kann darin aber nur ein Angebot über den Zeitpunkt der Aufgabe der Arbeit zu verhandeln gesehen werden oder über die Möglichkeit einer Fortführung der Arbeit, ohne dass der Beschwerdeführer mit dem Chefbademeister noch etwas zu tun hätte. Eine Fortsetzung der Arbeit wie bisher lehnt der Beschwerdeführer eindeutig und definitiv ab. Er will nichts mehr mit dem Chefbademeister zu tun haben.  

Insoweit hat der Beschwerdeführer eine weitere Zusammenarbeit mit seinem Vorgesetzten kategorisch und definitiv verweigert. Dass er legitime Gründe für eine derartige Weigerung gehabt hätte oder die Probleme durch den Chefbademeister oder die Beschwerdegegnerin verschuldet wären, ist nicht festgestellt und wird in der Beschwerde nicht rechtsgenüglich aufgezeigt. Davon, dass eine Abmahnung hätte Wirkung zeigen können, konnte die Beschwerdegegnerin aufgrund der E-Mail nicht ausgehen. Die Formulierung „Ich werfe das Handtuch. Der Entscheid ist definitiv […]“ zeigt einerseits, dass keine Aussicht bestand, den Beschwerdeführer durch eine Ermahnung von seiner Haltung abzubringen, und dass er sich der Konsequenz – dass das Arbeitsverhältnis nicht weitergeführt werden könnte, falls ihm keine Lösung ohne eine Zusammenarbeit mit dem Chefbademeister angeboten würde – sehr wohl bewusst war. Insoweit kommt der Frage nach einer Abmahnung keine wesentliche Bedeutung zu.  

Soweit der Beschwerdeführer auf die Kürze der notwendigen Zusammenarbeit zwischen den Bademeistern hinweist und die Zusammenarbeit weiterhin für möglich erachtet, widerspricht dies seiner eigenen Einschätzung in der E-Mail. Dass er mit dem Chefbademeister weiter etwas zu tun hätte, ist es, was gemäss seinen Ausführungen in der E-Mail einer unveränderten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses entgegensteht. Nach Art. 2 Abs. 1 ZGB hat jedermann in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. Spezifisch der Arbeitnehmer hat nach Art. 321a Abs. 1 OR die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren. Eine Verletzung dieser Treuepflicht kann beispielsweise auch in der Störung des Betriebsfriedens durch Verletzung der Persönlichkeit von anderen Mitarbeitern liegen (vgl. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 321a OR Fallgruppe 5 S. 176). Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden, wenn er dem „Gebot der gegenseitigen Achtung“ sowie „Anstand“ und „Höflichkeit“ im Umgang mit seinem Vorgesetzten keine Bedeutung zumessen will sowie der Tatsache, dass er diesen als „Stresskopf“ und „Idioten“ bezeichnet und dass die Bademeister oft miteinander gezankt haben, auch wenn es sich dabei nur um einige wenige Minuten gehandelt haben sollte. Da der Beschwerdeführer selbst die Notwendigkeit zumindest einer kurzen Zusammenarbeit thematisiert und diese für möglich hält, wiegt es um so schwerer, dass er diese Zusammenarbeit in seiner E-Mail verweigert, zumal kein hinreichender Grund für diese Weigerung dargelegt wird. Wenn die Vorinstanz vor diesem Hintergrund eine fristlose Kündigung für zulässig erachtete, ist dies nicht zu beanstanden.

 

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Autor: Nicolas Facincani