Immer wieder bilden Streitigkeit über Boni Gegenstand von Gerichtsfällen. Nachfolgend sollen die uns wichtig erscheinenden Entscheide kurz wiedergegeben werden und dem Leser ein Überblick verschafft werden (die Übersicht wird laufend überarbeitet).

Insbesondere erachten wir die nachfolgenden Artikel zum Thema Bonus ebenfalls als empfehlenswert:

BGer 4A_78/2018 vom 10. Oktober 2018

Bei einer unechten Gratifikation und im Falle einer mindestens dreijährigen vorbehaltlosen Zahlung besteht grundsätzlich kein Anspruch pro rata temporis

Das Bundesgericht hat die wesentlichen Grundlagen der Bonusrechtsprechung wiederholt (mit Bezugnahme auf BGer 4A_714/2016 vom 29. August 2017, 4A_290/2017 vom 12. März 2018 und 4A_463/2017 vom 4. Mai 2017). Es sind drei Kategorien zu unterscheiden: Lohn (variabler), unechte Gratifikation, auf welche der Arbeitnehmer Anspruch hat sowie echte Gratifikationen, auf welche der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat (E. 4.2). Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Eintritt des Anlasses zur Ausrichtung der Sondervergütung, steht dem Arbeitnehmer bei einer unechten Gratifikation und im Falle der mindestens dreijährigen vorbehaltslosen Zahlung grundsätzlich kein Anspruch pro rata temporis zu (E. 4.3.2.1).

 

BGer 4A_513/2017 und 4A_519/2017 vom 5. September 2018

Gemäss Bundesgericht muss die Privatbank HSBC in Genf muss einem ehemaligen Mitarbeiter des Kaders keinen Bonus zahlen, nachdem dieser wegen einer Geldwäscherei-Affäre im November 2012 entlassen wurde. Das Bundesgericht ist der Auffassung, dass es sich beim Bonus des Beschwerdeführers nicht um einen variablen Lohnbestandteil gehandelt habe (und somit grundsätzlich nicht geschuldet sei. Aus dem Vertrag, beziehungsweise einem Vertragszusatz, gehe klar hervor, dass die Auszahlung im Ermessen der Bank gelegen habe. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass während Jahren ein Bonus ausbezahlt wurde.

Der Vertrag sah auch die Einhaltung der Compliance als Bedingung für die Auszahlung vor. Somit war der Bonus wegen Nicht-Einhaltung der Compliance nicht geschuldet.

 

BGer 4A_645/2017 vom 22. August 2018

Das Bundesgericht hielt an der Rechtsprechung betreffend Selbstkontrahierung fest (ein Organ hatte mit sich selbst eine Vereinbarung betreffend Abgangsentschädigung abgeschlossen), wonach die Regeln zum Selbstkontrahieren – unter Vorbehalt des Schutzes gutgläubiger Dritter – analog auf Fälle anzuwenden sind, wo zwar kein eigentliches Selbstkontrahieren, jedoch sonst ein Konflikt zwischen den Interessen der Gesellschaft und des handelnden Organs besteht. Das Schutzbedürfnis der Gesellschaft entfällt jedoch, wenn der sich selbst kontrahierende Vertreter zugleich Alleinaktionär ist. Denn unter diesen Umständen ist zwingend davon auszugehen, dass der Abschluss des betreffenden Geschäfts zugleich dem Willen der Generalversammlung entspricht und deshalb von der Vertretungsmacht des Organs gedeckt ist. Im zu beurteilenden Fall war die Situation vergleichbar jener eines Alleinaktionärs, weshalb die Vereinbarung der Abgangsentschädigung gültig zustande gekommen war.

Des Weiteren hatte das Bundesgericht zu entscheiden, ob die Abgangsentschädigung aufgrund ihres Inhalts gesellschaftsrechtlich unzulässig war. Es vertrat die Ansicht, dass die Vereinbarung der Abgangsentschädigung in casu zulässig war und verneinte das Vorliegen eines unzulässigen «Goldenen Fallschirms», weil kein Verstoss gegen Gesellschaftsinteressen zu erblicken war.

BGer 4A_215/2018 vom 25. Juli 2018

Der garantierte Bonus

Das Bundesgericht bejahte den Lohncharakter eines im Betrag von CHF 90’000 garantieren Bonus. Weil dieser vereinbarte Bonus Lohnbestandteil bildet, erstreckt sich die in Art. 324a OR statuierte Fortzahlungspflicht auf diesen (E. 3.1.2).

 

BGer 4A_651/2017 vom 4. April 2018

Gleichbehandlungsgrundsatz bei Gratifikationen

Wenn der betreffende Arbeitnehmer in eine deutlich ungünstigere Lage gebracht wird als ein grosser Teil der Belegschaft, kann der Betreffende gestützt auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 328 OR) eine Bonuszahlung fordern. Im vorliegenden Fall gab es auch keinen Grund den betreffenden Arbeitnehmer anders zu behandeln als seine Arbeitskollegen, da das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Bonuszahlung noch nicht gekündigt war. Gemäss Bundesgericht berechtigt auch eine Kündigung den Arbeitgeber nicht, den Bonus, der allein dazu bestimmt ist, den Abreitnehmer für die geleistete Arbeit zu belohnen, zu verweigern oder zu reduzieren.

 

BGer 4A_714/2016 vom 29. August 2017

Keine Anwendbarkeit des Kriteriums der Akzessorietät bei sehr hohen Einkommen.

Lediglich die niedrigen sowie die mittleren und höheren Einkommen können unter gewissen Umständen in einen Lohnbestandteil umgedeutet werden (E. 3.3.2). Das Kriterium der Akzessorietät ist bei sehr hohen Einkommen nicht anzuwenden (E. 3.3.a). Ein niedriges Einkommen liegt vor, wenn der Betrag dem einfachen Medianlohn für den Privatsektor entspricht oder darunter liegt. Mittlere und höheren Einkommen liegen vor, wenn sie mehr als den einfach Medianlohn, jedoch weniger als den fünffachen Medianlohn für den Privatsektor betragen (zum Ganzen E. 3.3.3).

 

BGE 142 III 456

Bestimmung des sehr hohen Einkommens ausnahmsweise nicht nach dem betreffenden Jahr, sondern über einen längeren Zeitraum.

Bei der Bestimmung des sehr hohen Einkommens ist das tatsächliche Entgelt des Arbeitnehmers relevant, das für das Einkommen repräsentativ ist, das er regelmässig erzielt hat. In der Regel wird das während des Jahres erzielte Einkommen massgebend sein, ausnahmsweise das während der streitigen Zeitperiode (im vorliegenden Fall 17 Monate) erlangte (E. 3).

 

BGE 142 III 381

Bestimmung des sehr hohen Einkommens aufgrund aller Einkünfte im Zeitpunkt ihrer Realisierung, unabhängig von Zeitperiode für die sie bestimmt waren.

Kriterien, nach denen sich bemisst, ob eine Sondervergütung (Bonus) als Gratifikation i.S.v. Art. 322d OR oder als Lohnbestandteil i.S.v. Art. 322 OR zu qualifizieren ist (E. 2.1 und 2.2).

Bei sehr hohen Einkommen entfällt die Akzessorietätsprüfung und eine ins Ermessen der Arbeitgeberin gestellte freiwillige Vergütung stellt eine Gratifikation dar. Wofür und für welche Periode die Zahlung erfolgt, ist bei der Feststellung der tatsächlichen Entschädigung nicht relevant. Nur die tatsächlichen Einkünfte im Zeitpunkt ihrer Realisierung sind für den Vergleich mit dem Medianlohn ausschlaggebend (E. 2 f.).

 

BGE 141 III 407

Bonus als Gratifikation bei sehr hohem Einkommen.

Ein sehr hohes Einkommen liegt vor, wenn die jährliche Gesamtvergütung des Arbeitnehmers das fünffache des schweizerischen Medianlohns für den Privatsektor erreicht oder übersteigt. In einem solchen Fall stellt der Bonus eine Gratifikation dar, die vom Willen des Arbeitgebers abhängt (E. 4 bis 7).

 

BGE 139 III 155

Qualifikation einer Sondervergütung (Bonus) als freiwillige Gratifikation oder Lohnbestandteil?

Bei einem im Voraus festgesetzten und fest vereinbarten Bonus handelt es sich nicht um eine freiwillige Gratifikation, sondern um Lohnbestandteil (E. 3.1). Die Gratifikation zeichnet sich gegenüber dem Lohn dadurch aus, dass sie zum Lohn hinzutritt und immer in einem gewissen Masse vom Willen des Arbeitgebers abhängt. Die Gratifikation wird damit ganz oder zumindest teilweise freiwillig ausgerichtet. Die Gratifikation wird ganz oder zumindest teilweise freiwillig ausgerichtet. Dies ist anzunehmen, wenn dem Arbeitgeber zumindest bei der Festsetzung der Höhe des Bonus ein Ermessen zusteht. Ein solches Ermessen ist zu bejahen, wenn die Höhe des Bonus nicht nur vom Erreichen eines bestimmten Geschäftsergebnisses, sondern zudem auch von der subjektiven Einschätzung der persönlichen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht wird  (E. 3.1).

Wenn der eigentliche Lohn die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers bei Weitem gewährleistet bzw. seine Lebenshaltungskosten erheblich übersteigt, ist die Höhe der Sondervergütung im Verhältnis zum Lohn kein Kriterium mehr, um über deren Qualifikation zu entscheiden (Präzisierung der Rechtsprechung, E. 5.3).

 

BGE 129 III 276

Eine Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR stellt eine Sondervergütung, die zum Lohn hinzutritt und bei bestimmten Anlässen entrichtet wird, dar und hängt immer in einem gewissen Masse vom Willen des Arbeitgebers ab. Ob ein Anspruch auf Entrichtung einer Gratifikation besteht, hängt von den Umständen ab.

Die Verpflichtung zur Ausrichtung einer Gratifikation kann einerseits im – mündlichen oder schriftlichen – Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart sein oder andererseits während des laufenden Arbeitsverhältnisses durch konkludentes Verhalten entstehen, wie z.B. durch die regelmässige vorbehaltslose Ausrichtung eines entsprechenden Betrages. Gemäss Lehre und Rechtsprechung gilt eine Gratifikation nach dem Vertrauensprinzip als vereinbart, wenn sie vorbehaltlos während mindestens drei aufeinander folgenden Jahren ausgerichtet wurde.

Eine Sondervergütung kann – unabhängig vom Parteiwillen – immer nur dann eine Gratifikation darstellen, wenn sie im Vergleich zur sonstigen Entschädigung akzessorisch erscheint, d.h. als untergeordnetes Zusatzentgelt zum übrigen Lohn hinzutritt und nicht Hauptentgelt ist. Wenn sich die Gratifikation trotz Vereinbarung der Freiwilligkeit als das eigentliche Entgelt für die Arbeit erweist, wird sie dadurch zumindest teilweise zum Lohn im Rechtssinn.

Handelt es sich beim Vorbehalt der Freiwilligkeit lediglich um eine nicht ernst gemeinte, leere Floskel und zeigt der Arbeitgeber durch sein ganzes Verhalten, dass er sich zur Entrichtung einer Gratifikation verpflichtet fühlt, so ist dieser Vorbehalt unbehelflich. Folglich kann eine Gratifikation auch dann als vereinbart gelten, wenn sie jahrzehntelang zwar mit dem Vermerk der Freiwilligkeit ausbezahlt, dieser Vorbehalt jedoch nie in Anspruch genommen wird.

 

Autoren: Nicolas Facincani / Jacqueline Brunner