Der Bundesrat hat am 16. März 2020 die Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) angepasst. Am 20. März 2020 erfolgte dann erneut eine Anpassung der Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19). Dabei hat er auf dem Verordnungsweg teilweise in das Arbeitsrecht eingegriffen. Dies im Zusammenhang mit besonders gefährdeten Personen. Mit der erneuten Anpassung der Verordnung wurde der am 16. März 2020 eingeführte Arbeitnehmerschutz teilweise wieder etwas relativiert.

Ob die sehr generell gehaltene Kompetenznorm von Art. 7 des Epidemiengesetzes überhaupt als genügende Rechtsgrundlage ausreicht, solche Eingriffe ins Arbeitsrecht zu erlassen, ist nicht restlos geklärt (Text von Art. 7: Wenn es eine ausserordentliche Lage erfordert, kann der Bundesrat für das ganze Land oder für einzelne Landesteile die notwendigen Massnahmen anordnen).

 

Lohnfortzahlungspflicht im Arbeitsrecht

Grundsätzlich gilt der Grundsatz, dass bei ausbleibender Arbeit auch kein Lohn geschuldet ist (Art. 82). Dennoch gibt es im Arbeitsrecht Konstellationen, in welchen der Lohn trotz Ausbleiben der Arbeitsleitung der Lohn weiterhin geschuldet ist. Es sind insbesondere die folgenden Konstellationen denkbar (siehe auch etwa den Beitrag Ohne Arbeitsangebot, kein Lohn):

  • Hat der Arbeitgeber die Unmöglichkeit verschuldet oder fällt sie in seinen Risikobereich, liegt ein Fall von Art. 324 OR vor. Der Arbeitgeber hat den Lohn weiterhin zu entrichten (Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist) – siehe hierzu den Beitrag Annahmeverzug des Arbeitgebers – Grundlangen.
  • Art. 324a OR sieht als Ausnahme vom Prinzip „ohne Arbeit kein Lohn“ vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Lohn weiterhin geschuldet ist, auch wenn der Grund für fehlende Arbeitsleitung auf der Seite des Arbeitnehmers liegt (liegt der Grund auf Seiten des Arbeitgebers, ist allenfalls Art. 324 OR anwendbar). Die Verhinderung des Arbeitnehmers muss auf subjektive (d. h. persönliche) Gründe zurückzuführen sein. Im Falle von Art. 324a OR  ist der Lohn, zumindest unter bestimmten Voraussetzungen und für eine gewisse Zeitdauer, weiterhin geschuldet (siehe hierzu den Beitrag Lohnzahlung bei Krankheit oder den Beitrag zur arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit).

Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nicht nach, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleitung verweigern und trotzdem ist er zum Lohn berechtigt (auch hier liegt ein Fall von Art. Art. 324 vor). Das kann etwa sein, wenn der Arbeitgeber mit der Lohnzahlung im Verzug ist oder auch, wenn er aufgrund der Verletzung von Schutzmassnahmen die Gesundheit von Mitarbeitenden gefährdet. Im Zusammenhang mit dem Coronavirus kann dies etwa im sein, wenn der Arbeitgeber der Pflicht zur Ergreifung von Hygiene- und sonstigen Schutzmassnahmen nicht nachkommt.

 

Besonders gefährdete Personen: Recht zum Homeoffice und Lohnzahlungspflicht (Stand 21. März 2020)

Gemäss der  Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) sollen besonders gefährdete Personen zu Hause bleiben und Menschenansammlungen meiden. Als besonders gefährdeten Personen gelten Personen ab 65 Jahren und Personen, die insbesondere folgende Erkrankungen aufweisen: Bluthochdruck, Diabetes, Herz/Kreislauf-Erkrankungen, Chronische Atemwegserkrankungen, Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen, Krebs.

Arbeitgeber ermöglichen gemäss der Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) ihren besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, ihre Arbeitsverpflichtungen von zu Hause aus zu erledigen. Sie treffen zu diesem Zweck die geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen. Können Arbeitstätigkeiten aufgrund der Art der Tätigkeit oder mangels realisierbarer Massnahmen nur am üblichen Arbeitsort erbracht werden, so sind die Arbeitgeber verpflichtet, mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz sicherzustellen. Dieser zweite Teil der Regelung wurde am 20. März 2020 neu in die Verordnung eingeführt (und galt somit vom 16. März bis zum 20. März nicht). Ist es bei besonders gefährdeten Personen nicht möglich, auf vorgenannte Weise zu arbeiten (entweder Homeoffice bzw. bei Unmöglichkeit von Homeoffice Hygiene und soziale Distanz einzuhalten), so werden sie vom Arbeitgeber unter Lohnfortzahlung beurlaubt.

Der Arbeitgeber ist also verpflichtet, Homeoffice zu zu versuchen und ansonsten am Arbeitsplatz für Hygiene und soziale Distanz zu sorgen (was aufgrund der Fürsorgepflicht gemäss Art. 328 OR ohnehin gelten dürfte. Bei der Unmöglichkeit von Homeoffice oder wenn die soziale Distanz etc. nicht sichergestellt werden kann, ist der Lohn unter Befreiung von der Arbeit weiter zu bezahlen. Soweit man davon ausgeht, der Arbeitgeber sei aufgrund seiner Fürsorgepflicht bei gewissen Personengruppen zur Anordnung von Homeoffice verpflichtet bzw. er sei für die soziale Distanz und Hygiene verpflichtet, ändert sich – trotz der Verordnung – nichts an der Rechtslage. Es handelt sich eigentlich um eine berechtigte Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers.

So könnte sich etwa eine Schwangere darauf berufen, dass aufgrund der Gesundheitsgefährdung Homeoffice geboten sei – es ist stets der Einzelfall zu beurteilen.

Offen ist aber etwa noch, ob die Regelung auch für das öffentliche Dientsrecht gilt. Sodann ist fraglich, ob sich auch Mitarbeitende von Nonfood-Läden, Restaurants, Coiffeursalon, Bibliotheken etc. auf diese Verordnung stützen können, sofern sie nicht zur mehr zur Arbeit müssen. Siehe auch den Beitrag zu den Lohnzahlungen und Coronavirus.

Per 17. April 2020 wurde die Regelung angepasst und die vorgenannte Regelung ist daher überholt – siehe hierzu den Beitrag Neue Regelung für besonders gefährdete Personen per 17. April 2020.

 

Die Erläuterungen des Bundes sind wie folgt (Stand 21. März 2020):

„Der Umgang mit den Arbeitsverpflichtungen von Arbeitnehmenden, die einer besonders schützenswerten Personengruppe angehören, bedarf unter Abwägung der Interessen der Arbeitgeber und des Gesundheitsschutzes einer schweizweit einheitlichen Regelung.

Hierzu sieht Absatz 1 vor, dass besonders gefährdete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre arbeitsvertraglichen Pflichten wenn immer möglich von zu Hause aus erledigen. Die Arbeitgeber haben dazu die geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen zu treffen, indem sie den Arbeitnehmern beispielsweise die dafür erforderliche IT-Ausstattung zur Verfügung stellen oder entsprechende Nutzungen privater Geräte vereinbaren, soweit diese für die betreffenden Zwecke geeignet und hinreichend sicher sind. Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind hierbei aufgerufen, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten und personellen Kompetenzen flexible Lösungen zu suchen.

Bei Arbeitstätigkeiten, die aufgrund der Art der Arbeitstätigkeit oder mangels realisierbarer Massnahmen nur am üblichen Arbeitsort bzw. vor Ort erbracht werden können, hat der Arbeitgeber mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des BAG betreffend Hygiene und sozialer Distanz sicherzustellen. Dafür können beispielsweise im Detailhandel Plexiglasscheiben zum Schutz des Kassenpersonals aufgestellt werden; auch sind wo zweckmässig den Mitarbeitern Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen. Auch können für besonders gefährdete Personen andere zumutbare Arbeitsbereiche oder -felder zugewiesen werden, etwa Arbeiten im Backoffice-Bereich. auch diesbezüglich sind Arbeitgeber und Arbeitnehmende aufgerufen, sich flexibel auf praktikable und im Interesse der Gesundheit und der Betriebsinteressen stehende Lösungen einzulassen.

Ist im konkreten Fall weder möglich, dass eine besonders gefährdete Arbeitnehmerin oder ein besonders gefährdeter Arbeitnehmer von Hause aus arbeitet und können am üblichen Arbeitsort keine ausreichenden Massnahmen zu deren Schutz ergriffen werden, müssen die besonders gefährdeten Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unter Lohnfortzahlung beurlaubt werden (Abs. 3).

Nach Absatz 4 teilen die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre besondere Gefährdung ihrem Arbeitgeber durch eine persönliche Erklärung mit. Der Arbeitgeber kann fallweise ein ärztliches Attest verlangen.“

Per 17. April 2020 wurde die Regelung angepasst. Daher sind die vorgenannten Erläuterungen überholt – siehe hierzu den Beitrag Neue Regelung für besonders gefährdete Personen per 17. April 2020.

 

Homeoffice im Allgemeinen

Der Bundesrat hat also für gewisse Personengruppen ein Recht auf Homeoffice angeordnet.

Arbeitnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Homeoffice, d.h. auf die Möglichkeit, die Arbeit von zu Hause oder von ausserhalb zu leisten. Zum Teil kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts Homeoffice anordnen, insbesondere um den notwendigen Betrieb aufrecht zu erhalten (zum Teil ist die Anordnung von Homeoffice auch aufgrund der Zuweisung eines Arbeitsortes einseitig durch den Arbeitgeber möglich).

Arbeitnehmende können Grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Arbeitgebers ins Homeoffice. Sollte der Arbeitgeber aber elementarste Gesundheitsvorsorgemassnahmen missachten, dann könnte der Arbeitnehmende die Arbeit verweigern und der Arbeitgeber müsste als Lösung seinen Angestellten im Homeoffice beschäftigen.

 

Kosten des Homeoffice

In jedem Fall lohnt es sich für einen Arbeitgeber die Details des Homeoffice mit dem Arbeitnehmer zu regeln, insbesondere was die Kosten betrifft:

Das Arbeitsrecht sieht vor, dass sofern im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist, der Arbeitgeber die Geräte und das Material für den Arbeitseinsatz bereitstellen muss. Stellt der Arbeitnehmer das Material und die Geräte zur Verfügung, so hat er hierfür Anspruch auf eine Entschädigung, sofern nichts anderes vereinbart oder üblich ist.

Arbeitet eine Person ausschliesslich von zu Hause aus, so muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass der Mitarbeiter einen vollwertigen Arbeitsplatz hat. Der Arbeitgeber müsste also den Arbeitnehmer entschädigen, wenn dieser privat die Geräte (insb. PC etc.) zur Verfügung stellt, es sei denn, es sei etwas anderes vereinbart. Arbeitet der Arbeitnehmer aber vorwiegend im Betrieb und hat er lediglich die Möglich von zu Hause aus zu arbeiten, so wird in der Praxis angenommen, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten zur Bereitstellung eines Arbeitsplatzes nachgekommen ist und somit grundsätzlich keine weiteren Kosten zu übernehmen sind. Es empfiehlt sich in jedem Fall zu regeln, was mit diesen Gerätschaften und insbesondere mit den darauf gespeicherten Daten zu geschehen hat, wenn das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird. Insbesondere ist sicher zu stellen, dass die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden und sich nicht nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses weiterhin vertrauliche Daten auf privaten PCs befinden.

Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitgeber alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen ersetzt. Anders als der Ersatz für Geräte und Material ist der Spesenersatz zwingend geschuldet. Eine Abgeltung durch eine Spesenpauschale ist möglich, wenn die durchschnittlichen, effektiven Auslagen tatsächlich gedeckt werden. Zu denken ist hier insbesondere an Kosten für Strom, Heizung des Arbeitsraumes, die Abonnements- und Verbindungskosten für das Telefon, der Internetanschluss sowie die Kosten für Wartungs- und Reparaturarbeiten.

Siehe hierzu auch den Beitrag zur Entschädigung von Zimmern beim Homeoffice.

Es ist zu beachten, dass die geltenden Regelungen im Moment rasch ändern können und es nicht immer möglich ist, diesen Beitrag aktuell zu halten. Per 17. April 2020 wurde die Regelung angepasst – siehe hierzu den Beitrag Neue Regelung für besonders gefährdete Personen per 17. April 2020.

 

Autor: Nicolas Facincani