Aus dem Unterordnungsverhältnis, das eines der Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages ist, ergibt sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers (Art. 321d Abs. 1 OR; und die Pflicht zur Befolgung von Weisungen). Weisungen dienen der Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses und werden einseitig durch den Arbeitgeber erlassen. Sie müssen aber den Arbeitnehmern mitgeteilt werden, damit sie Geltung erlangen. Weisungen können in allgemeiner Form für alle Mitarbeiter, aber auch in individueller Form erlassen werden.

 

Pflicht zur Befolgung von Weisungen mit Ausnahmen

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Weisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten, soweit die ihm gemäss Treu und Glauben (Art. 321d Abs. 2) zugemutet werden kann. Weitere Schranken für die Befolgung von Weisungen bilden die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (Art. 328 OR) sowie der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers. Die Befolgung der Weisungen ist begrenzt durch die Treuepflichten der Arbeitnehmer.

 

Zumutbarkeit zur Befolgung von Weisungen

Weisungen betreffend der Arbeitsausführung müssen zumutbar sein. Weisungen betreffend dem Verhalten müssen einen Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis aufweisen (z.B. Kleidervorschriften etc.). Weisungen sind auf das betrieblich Notwendige zu beschränken. Widerrechtliche oder schikanöse Weisungen oder unzulässige Weisungen müssen von einem Arbeitnehmer nicht befolgt werden. Eine solche Nichtbefolgung von unzulässigen Weisungen darf auch keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen.

 

Weisungen in Bezug auf Tattoos?

Oft erlassen Arbeitgeber Weisungen, wonach Tattoos am Arbeitsplatz nicht sichtbar sein dürfen. Es stellt sich die Frage, ob dies zulässig ist.

In allgemeiner Form ist ein Tattooverbot abzulehnen. Ein Verbot ist in der Regel nur zulässig, wenn es hierfür sachliche betriebliche Gründe gibt. Hierzu gehören etwa die Angst vor einem Kundenverlust oder Kundenreklamationen oder auch ein Reputationsschaden. Auch bei Tendenzbetrieben kann es sachliche Gründe für ein Tattooverbot geben (etwa wenn das Tattoo eine dem Arbeitgeber zuwiderlaufende Botschaft oder Provokationen enthält). Ebenso kann die Hygiene einen sachlichen Grund darstellen.

Zu beachten ist, dass die Antwort auf die Frage, was ein sachlicher Grund für ein Tattooverbot darstellen kann, einem zeitlichen und gesellschaftlichen Wandel unterworfen sein kann. Das ist insbesondere bei Tattoos zu beachten. Dies sind gesellschaftlich immer mehr akzeptiert stellen immer weniger ein Problem dar.

Die hiervor genannten sachlichen Gründe lassen erkennen, dass es für die Frage der Zulässigkeit eines Tattooverbotes darauf ankommen kann, wo und in welcher Position und Funktion ein Arbeitnehmer eingesetzt ist. Bei einem Arbeitnehmer mit Kundenkontakt ist ein Tattooverbot eher denkbar als bei einem Arbeitnehmer, der gegen aussen nicht in Erscheinung tritt.

Auch in solchen Fällen kann ein Tattooverbot für kleine Tattoos aber unter Umständen nicht verhältnismässig und somit unzumutbar sein.

 

Vertragliche Regelungen betreffend Tattoos

Der Arbeitnehmer kann sich auch in einem Arbeitsvertrag verpflichten seine Tattoos während der Arbeit zu verdecken. Solche Regelungen sollten in der Regel gültig sein, es sei denn, sie würden als übermässigen Eingriff in die Persönlichkeit des Arbeitgebers betrachtet.

Hat ein Arbeitgeber allgemein ein Problem mit Tattoos (oder Piercings etc.), empfiehlt sich in jedem Fall ein vertragliche Regelung.

 

Missbräuchliche Kündigung wegen Tattoos?

Wir einem Arbeitnehmer aufgrund bzw. wegen einem Tattoo gekündigt, eine Kündigung in der Regel missbräuchlich, wenn der Arbeitgeber das Tattoo nicht verbieten dürfte.

 

Anstellungsdiskriminierung wegen Tattoos?

Was, wenn ein Arbeitnehmer wegen einem Tattoo nicht angestellt wird oder wenn ein Stelleninserat vorsieht, dass nur Arbeitnehmer ohne Tattoos angestellt werden? Schranken im Bewerbungsverfahren bilden lediglich einerseits das Gebot des Handelns nach Treu und Glauben (Art. 2 ZGB – Verletzungen des Gebots können eine vorvertragliche Haftung begründen) sowie der Persönlichkeitsschutz (Art. 27/28 ZGB). Unter Umständen kann auch der Datenschutz gewisse Regeln vorschreiben.

Das Obergericht Zürich hat in einem Entscheid (LA 150046 vom 23. November 2015) festgehalten, dass die Ablehnung eines Stellenbewerbers mit der Begründung «Alter» nicht gegen die Persönlichkeit des Bewerbenden gerichtet sei. Das gleiche dürfte meines Erachtens auch im Falle von Tattoos gelten. Wird ein Arbeitnehmer wegen einem Tattoo nicht angestellt, dürfte in der Regel keine Persönlichkeitsverletzung vorliegen (eine Persönlichkeitsverletzung würde allerdings nur zu Schadenersatz/Genugtuung berechtigen – ein Anspruch auf Anstellung ist dem schweizerischen Recht fremd).

 

Autor: Nicolas Facincani