Mit Verweis auf das Urteil 4A_338/2011 aus dem Jahr 2011 hatte sich das Bundesgericht im Urteil 4A_254/2021 vom 21. Dezember 2021 mit der Frage des Beweises von Überstunden auseinanderzusetzen. Überstunden bilden regelmässig Gegenstand arbeitsrechtlicher Streitigkeiten. Auch im Arbeitsrecht gilt grundsätzlich Art. 8 ZGB. Dieser lautet wie folgt: «Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.»

Gemäss dieser Regel muss also der Arbeitnehmer, welcher Ansprüche aus Überstunden geltend machen will, die Überstunden beweisen. Ihm obliegt also der Nachweis von Überstunden. Oft sind die einzigen Beweismittel zum Nachweis der Anzahl Überstunden die Behauptungen des Arbeitnehmers, wie etwa seine eigenen Aufzeichnungen.

Soweit ein Beweis der Überstunden nicht möglich ist, kann das Gericht die Anzahl der Überstunden nach Art. 42 OR schätzen (Art. 42 OR stammt aus dem Haftpflichtrecht lautet wie folgt:  Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen). Auch im Entscheid BGer 4A_482/2017 vom 17. Juli 2018 des Bundesgerichts hielt dieses fest: Der Arbeitnehmer muss aber für die Schätzung alles Mögliche vorlegen, um das Vorliegen von Überstunden zu belegen (Zitat des Bundesgerichts: Le travailleur doit non seulement démontrer qu’il a effectué des heures supplémentaires au sens de l’art. 321c CO, mais également prouver la quotité des heures dont il réclame la rétribution. Lorsqu’il n’est pas possible d’en établir le nombre exact, le juge peut, par application analogique de l’art. 42 al. 2 CO, procéder à une estimation. Si elle allège le fardeau de la preuve, cette disposition ne dispense pas le travailleur de fournir au juge, dans la mesure raisonnablement exigible, tous les éléments constituant des indices du nombre d’heures accomplies; la conclusion selon laquelle les heures supplémentaires ont été réellement effectuées dans la mesure alléguée doit s’imposer au juge avec une certaine force.).

 

Urteil 4A_254/2021 vom 21. Dezember 2021

Das Bundesgericht führte aus, wann man sich in solchen Fällen auf Art. 42 Abs. 2 OR berufen kann.

 

Beweislastverteilung

Das Bundesgericht hielt fest, dass in Bezug auf die Leistung von Überstunden die Beweislast beim Arbeitnehmer liegt. Er muss also beweisen, dass er auf Anweisung oder zumindest im Interesse des Arbeitgebers mehr Zeit aufgewendet hat, als vertraglich vereinbart oder üblich war. Wenn es sehr schwierig oder gar unmöglich ist, den strengen Beweis für den Schaden zu erbringen, bestimmt der Richter den Schaden nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des gewöhnlichen Laufs der Dinge und der vom Geschädigten getroffenen Maßnahmen (Art. 42 Abs. 2 OR). Die Bestimmung nach Billigkeit gilt sowohl für den Nachweis des Bestehens des Schadens als auch für den Nachweis des Schadensausmasses.

Erw. 4.2: En ce qui concerne l’accomplissement d’heures supplémentaires, le fardeau de la preuve incombe au travailleur. Il doit donc prouver que, sur instruction ou du moins dans l’intérêt de l’employeur, il a consacré plus de temps que ce qui était convenu contractuellement ou habituellement (ATF 86 II 155 consid. 2, cf. aussi ATF 116 II 69 consid. 4b). Lorsqu’il est très difficile voire impossible d’apporter la preuve stricte du dommage, le juge le détermine équitablement en considération du cours ordinaire des choses et des mesures prises par la partie lésée (art. 42 al. 2 CO). La détermination en équité s’applique aussi bien à la preuve de l’existence du dommage qu’à celle de l’étendue de celui-ci (ATF 132 III 379 consid. 3.1, arrêt 4A_298/2012 du 31 juillet 2012 consid. 3.1).

 

Kein Nachweis möglich

Das Bundesgericht anerkennt, dass die Überschreitung der vertraglich vereinbarten oder üblichen Arbeitszeit (sog. Überstunden) regelmässig nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen werden könne, abgesehen insbesondere von Fällen, in denen Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit abstempeln. Es sei nämlich typisch, dass die eigenen Notizen (oder „Stundenkontrollen“) des Arbeitnehmers, wenn sie nicht vom Arbeitgeber gegengezeichnet seien, den Beweis für die Überstunden nicht erbringen könnten; es handelt sich dabei nur um eine Parteibehauptung.

Erw. 4.3: Le surplus de temps de travail par rapport à ce qui a été convenu contractuellement ou à ce qui est habituel ne peut régulièrement pas être prouvé avec une certitude totale, hormis notamment les cas dans lesquels les employés timbrent leur temps de travail. Il est en effet typique, et pas seulement dans le cas d’espèce, que les propres notes (ou „contrôles d’heures“) de l’employé, lorsqu’elles ne sont pas contresignées par l’employeur, ne permettent pas d’apporter cette preuve; il s’agit en fin de compte d’affirmations d’une partie (arrêt 4A_338/2011 du 14 décembre 2011 consid. 2.3).

 

Abweichen von der strengen Beweisregel

In einem solchen Fall dürfte somit von der strengen Beweisregel abgewichen werden, da der Beweis für den Umfang der Überstunden nicht anders als durch die Aussagen des Arbeitnehmers erbracht werden könnte. Die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR sind daher erfüllt.

Erw. 4.3: […], il y avait donc bien lieu de s’écarter de la règle de la preuve stricte en l’espèce et pour cette période, puisque la preuve de l’ampleur des heures supplémentaires n’a pas pu être apportée autrement que par les déclarations de l’employé. Les conditions d’application de l’art. 42 al. 2 CO sont dès lors remplies sur cette période.

 

Weitere relevante Beiträge zum Überstunden:

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.