Man stelle sich den folgenden Sachverhalt vor: Das Arbeitsverhältnis, welches am 1. Januar beginnt, sieht eine Probezeit von einem Monat vor. Während der Probezeit kann mit einer Kündigungsfrist von 7 Tagen, danach mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden. Zwei Tage vor Ablauf der Probezeit (d.h. am 29. Januar)  kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat (per Ende Februar). Während der Kündigungsfrist (10 Tage nach Ablauf der Probezeit, d.h. ab dem 11. Februar) erkrankt der Arbeitnehmer sodann.

Wird das Arbeitsverhältnis aufgrund der Dauer der Krankheit verlängert, da die Krankheit nach 7 Tagen der Kündigungsfrist eintrat oder handelt es sich – trotz der verlängerten Kündigungsfrist – immer noch um eine Probezeitkündigung, während der Art. 336c Abs. 2 OR nicht greift?

 

Der zeitliche Kündigungsschutz

Ist der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert, gilt im ersten Dienstjahr eine Sperrfrist von 30 Tagen (Art. 336c Abs. 1 lit. b OR). Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Sperrfrist nicht kündigen (Art. 336c Abs. 1 OR). Erfolgt die Kündigung vor Beginn einer Frist nach Art. 336c Abs. 1 OR, ist aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt (Art. 336c Abs. 2 Satz 2 OR). Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines Monats oder einer Arbeitswoche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis zum nächstfolgenden Endtermin (Art. 336c Abs. 3 OR).

 

Mögliche Argumente für die Probezeitkündigung

Wie bereits ausgeführt, ist aufgrund der Tatsache, dass mit der ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt wird, nicht mehr von einer Krankheit des Klägers in der Probezeit auszugehen, sondern nach der Probezeit. Rechnet man die Kündigungsfrist Rückwärts vom Kündigungstermin (d.h. vom 28. Februar; vgl. BGE 134 III 354), so wäre im Falle eine Probezeitkündigung von einer ausgesprochenen Kündigung (mit 7-tägiger Frist) vom 21. Februar auszugehen. An diesem Tag war aber die Probezeit unbestrittenermassen abgelaufen.

Die Frage wurde vom Bundesgericht noch entschieden. Allerdings hatte das Bundesgericht in einem Fall des Luzerner Personalrechts (BGer 8C_812/2019) festgehalten, dass es nicht willkürlich sei, wenn das kantonale Verwaltungsgericht trotz ordentlicher Kündigungsfrist immer noch von einer ordentlichen Kündigung ausgegangen werde.

Vor Bundesgericht kann aber in Bezug auf kantonales Recht nur überprüft werden, ob der angefochtene Entscheid auf willkürlicher Gesetzesanwendung beruht oder ob das Gesetz oder seine Anwendung auf andere Weise gegen übergeordnetes Recht verstösst.

 

BGer 8C_812/2019 vom 19. Mai 2020

Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 23. Juli 2018 löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis per 31. Oktober 2018 auf. Am 30. September 2018 teilte die Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin mit, im zweiten Monat schwanger zu sein, weshalb die Kündigungsfrist zufolge Eintritts der Sperrfrist wegen Schwangerschaft unterbrochen sei. Mit E-Mail vom 3. Oktober 2018 verneinte das LUKS die Unterbrechung der Kündigungsfrist infolge Schwangerschaft, weil das Arbeitsverhältnis während der Probezeit per 31. Oktober 2018 aufgelöst worden sei.

Vor Bundesgericht verlangte die Arbeitnehmerin, sei festzustellen, dass die bis Ende Oktober 2018 laufende dreimonatige Kündigungsfrist durch Beginn der Sperrfrist mit Feststellung der Schwangerschaft am 26. September 2018 unterbrochen worden sei bis nach Ablauf der 16 Wochen nach Niederkunft.

Für das Bundesgericht handelte die kantonale Instanz nicht willkürlich:

Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz in bundesrechtskonformer Beweiswürdigung darauf geschlossen, dass die zum Vorteil der Beschwerdeführerin in Abweichung von § 10 Abs. 3 PG/LU auf drei Monate verlängerte Kündigungsfrist die am 23. Juli 2018 unangefochten verfügte Probezeitkündigung diese nicht in eine ordentliche Kündigung umwandelte. Es wird jedenfalls nicht rechtsgenüglich dargelegt (E. 2.4 hievor) und ist nicht erkennbar, inwiefern die Anwendung des kantonalen Rechts gemäss angefochtenem Entscheid das Willkürverbot und das Legalitätsprinzip nicht nur hinsichtlich der Begründung, sondern auch im Ergebnis unhaltbar verletzt hätte.  

Aufgrund der eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts auf Willkür ist nach der hier vertreten Auffassung ist immer noch offen, ob dieses Ergebnis auch einer vollen Prüfung durch das Bundesgericht standhalten dürfte, dürfte doch hier auch die Kündigungsparität nicht gegeben sein. Eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts liegt nämlich nur vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch dessen Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar als zutreffender erscheinen mag, genügt nicht.

 

Weitere Beiträge zum Thema Probezeit:

 

Autor: Nicolas Facincani 

 

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.

 

Umfassende Informationen zum Gleichstellungsrecht finden sie hier.