Ein simuliertes Rechtsgeschäft im Sinne von Art. 18 OR liegt im Allgemeinen vor, wenn sich die Parteien einig sind, dass die gegenseitigen Erklärungen nicht ihrem Willen entsprechende Rechtswirkungen haben sollen, weil sie entweder ein Vertragsverhältnis vortäuschen oder mit dem Scheingeschäft einen wirklich beabsichtigten Vertrag verdecken wollen. Das simulierte Rechtsgeschäft ist sowohl zwischen den Parteien als auch im Verhältnis zu Dritten (mit gewissen Einschränkungen) unwirksam (BGE 123 IV 61 E. 5c/cc). Wer sich auf eine Simulation nach Art. 18 Abs. 1 OR beruft, hat den vom Wortlaut des Vertrags beziehungsweise Rechtsgeschäfts abweichenden wirklichen Willen der Parteien zu beweisen (BGE 131 III 49 E. 4.1.1; 112 II 337 E. 4a). Zur Beantwortung der Frage, ob die Parteien ein simuliertes Rechtsgeschäft abschliessen wollten, ist mithin ihr wirklicher Wille im Zeitpunkt des Abschlusses dieses Rechtsgeschäfts festzustellen. Diese subjektive Auslegung beruht auf Beweiswürdigung, die vom Bundesgericht nur unter Willkürgesichtspunkten überprüft werden kann (siehe Urteil 4A_665/2016 vom 15. Februar 2017 E. 3.1 f. mit Hinweisen und vorstehende E. 3).

Das Bundesgericht hatte in BGer 4A_356/2023 vom 24. November 2023 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein zwischen einer Aktiengesellschaft und einer Arbeitgeberin abgeschlossener Auftrag in Tat und Wahrheit einen Arbeitsvertrag zwischen der Alleinaktionärin der Aktiengesellschaft und der Arbeitgeberin darstellte. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Sachverhalt

Die Klägerin A.________ (Klägerin) war für die Beklagte tätig. Ihr Tätigwerden stützte sich – zumindest formell – auf eine schriftliche Vereinbarung vom 21. September 2020 (nachfolgend: die Vereinbarung) zwischen der Beklagten und der C.________ AG. die Klägerin Alleinaktionärin der C.________ AG war. In der Vereinbarung ist von „Auftraggeberin“ (Beklagte) und von der „Beauftragten“ (C.________ AG) die Rede. Weiter heisst es, die C.________ AG stelle die Dienste ihrer Geschäftsführerin (der Klägerin) für die Erbringung der vereinbarten Dienstleistungen zur Verfügung. Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt, es liege – entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung – de facto und de iure ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr persönlich und der Beklagten vor.

 

Vorinstanzen

Das Arbeitsgericht Zürich wies die Klage ab. Es erachtete sich als zuständig, wies die Klage in der Folge aber mit der Begründung ab, es habe kein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten vorgelegen. Vielmehr sei die Beklagte mit der C.________ AG ein Auftragsverhältnis eingegangen. Ein allfälliger Anspruch aus Auftrag stehe nicht der Klägerin persönlich zu, weshalb sie nicht aktivlegitimiert sei.

Das Obergericht des Kantons Zürich (Vorinstanz) erwog (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 30. Mai 2023 (LA220018-O/U)), es habe zwischen der Klägerin und der Beklagten kein Vertragsverhältnis – mithin auch kein Arbeitsverhältnis – bestanden.

Die Vorinstanz erwog, aus der Behauptungslage gehe hervor, dass von keiner der Parteien geltend gemacht werde, beim Vertragsschluss hätten die Klägerin und die Beklagte den übereinstimmenden Willen gehabt, sich als direkte Arbeitsvertragspartner gegenüberzustehen. Die Klägerin impliziere zwar ein gewisses Machtungleichgewicht im Rahmen der Vertragsverhandlungen, es könne aber als unbestritten gelten, dass mit Wissen und Willen aller Beteiligten die C.________ AG dazwischen geschaltet worden sei. Inwiefern bzw. mit welcher Intensität die Beklagte dies forciert habe, sei von der Klägeirn im Vagen gelassen worden. Sie habe nicht vorgebracht, dass sie sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einer Zwangslage befunden oder ein Willensmangel vorgelegen habe. Es sei davon auszugehen, dass sie sich als Organ der C.________ AG entschieden habe, in deren Namen die Vereinbarung mit der Beklagte einzugehen. Entsprechend habe zwischen der Klägerin und der Beklagten gar kein Vertragsverhältnis bestanden, mithin auch kein Arbeitsvertrag. Die Vereinbarung zwischen der Beklagten und der C.________ AG könne wiederum nicht als Arbeitsvertrag qualifiziert werden, da nur eine natürliche Person Arbeitnehmerin sein könne (mit Verweis auf die Urteile 4A_542/2020 vom 3. März 2021 E. 3.3.2 und 4A_31/2011 vom 11. März 2011 E. 3).

In einer Eventualbegründung erwog die Vorinstanz, die Klägerin mache geltend, es habe de facto und de iure ein Vertrag zwischen ihr persönlich und der Beklagten vorgelegen (ohne Zwischenschaltung der C.________ AG). Obwohl der Berufung der Klägerin aufgrund fehlender Behauptungen bezüglich eines Willensmangels beim Vertragsschluss kein Erfolg beschieden sein könne, erscheine es als angezeigt, auf ihre Argumente einzugehen. Entscheidend sei, ob die Beklagte Weisungen erteilt habe, die den Gang der Arbeit der Klägerin im Detail bestimmten, ob sie mit anderen Worten eingehenden Kontrollen unterworfen gewesen sei. Nicht jedes Weisungs- und Kontrollrecht führe zur Qualifikation als Arbeitsvertrag. Deren Mass müsse vielmehr über das beschränkte Weisungsrecht des Auftragsrechts hinausgehen. Es gelinge der Klägerin nicht, eine solche rechtliche Eingliederung in den Betrieb der Beklagten substanziiert zu behaupten, namentlich lasse die aus den Akten hervorgehende Rapportierung über die Tätigkeit der Klägerin (Erläuterungen zu den Honorarrechnungen) keinen solchen Schluss zu.

Die Vorinstanz hatte sich zudem ausführlich mit dem Argument einer angeblichen Scheinselbstständigkeit auseinandergesetzt. Sie erwog, die Erstinstanz schliesse aus der Geschäftserfahrenheit der Klägerin nur (aber immerhin), ihre vorbestehenden selbstständigen geschäftlichen Aktivitäten sprächen dagegen, dass sie in eine Scheinselbstständigkeit gedrängt worden sei. Es sei unbestritten, dass die Klägerin per E-Mail an die Beklagten herangetreten sei, sich für eine Zusammenarbeit empfohlen und dabei in ihrer E-Mail-Signatur die C.________ AG angegeben habe. Es sei zwar richtig, dass die Klägerin in der besagten E-Mail nicht nur von ihrer Agentur, sondern auch von sich selbst als Person geschrieben habe. Das sei aber nicht weiter erstaunlich, die Bezogenheit der C.________ AG auf die Person ihrer Inhaberin widerspiegle sich auch schlüssig in der Vereinbarung. Zudem habe sie sich in besagter E-Mail als „Businessfrau mit eigener Werbe- und Kommunikationsagentur“ und als „Unternehmerin, die sich sehr für Ihr (sic) Projekt interessiert“ bezeichnet. Es wäre der Klägeirn somit zumutbar gewesen, die Vereinbarung nicht zu akzeptieren, wenn diese nicht ihrem Willen entsprochen hätte.

 

Verfahren vor Bundesgericht

Die Klägerin rügte vor Bundesgericht insbesondere, es verletze Bundesrecht, wenn die Vorinstanz einzig auf die „formale Parteibezeichnung“ abstelle. Art. 18 und Art. 319 OR verlangten, dass geprüft werde, ob ungeachtet der bloss formellen Parteibezeichnungen juristisch nicht ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr (der Klägerin) persönlich und der Beklagten vorgelegen habe. Wenn es den Parteien darum gegangen sei, die wahre Beschaffenheit ihres Verhältnisses zu verschleiern, habe das Gericht dem keine Folge zu leisten.

Die Beweislast – so das Bundesgericht – für eine Simulation liege bei der Person, die sich auf eine solche beruft (Art. 8 ZGB), wobei nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden könne, dass die Erklärungen der Parteien nicht ihrem wirklichen Willen entsprechen; der Richter müsse betreffend den Nachweis einer Simulation hohe Anforderungen stellen. Reine Behauptungen allgemeiner Natur und blosse Vermutungen reichten nicht aus (Urteil 4A_429/2012 vom 2. November 2012 E. 4.2 mit Hinweisen; BGE 112 II 337 E. 4a; Urteil 4A_96/2008 vom 26. Mai 2008 E. 2.3).

Die Klägerin vermöge – mangels hinreichend substanziierter Behauptungen – nicht darzutun, dass es sich bei der Vereinbarung zwischen der C.________ AG und der Beklagten um eine Simulation gehandelt hat, mit dem Ziel ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zu verschleiern. Die Vorinstanz habe in ihrer Hauptbegründung ausführlich begründet, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten einerseits und der C.________ AG andererseits entstanden sei. Weiter habe sich die Vorinstanz mit dem von der Klägerin vorgebrachten Argument einer angeblichen Scheinselbstständigkeit auseinandergesetzt und eine solche verneint. Damit setze sich die Klägerin in ihrer Beschwerde nicht hinreichend auseinander. Entsprechend vermöge sie nicht darzutun, dass die Vorinstanz in Willkür verfallen wäre, weil sie den Nachweis einer Simulation im Ergebnis als nicht erbracht erachtet hat. Damit muss nicht auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage eingegangen werden, ob es als rechtsmissbräuchliches Verhalten zu qualifizieren wäre, wenn sich die Klägerin auf eine Simulation berufen würde, an der sie sich mittels Zwischenschaltung der von ihr als Alleininhaberin beherrschten C.________ AG (einschliesslich der Verrechnung von Mehrwertsteuer) massgeblich beteiligt hätte.

Zusammenfassend sei es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz zum Ergebnis gelangt sei, es bestehe einzig ein Vertragsverhältnis zwischen der C.________ AG und der Beklagten, das – bereits weil es sich bei der C.________ AG nicht um eine natürliche Person handelt – nicht als Arbeitsverhältnis qualifiziert werden könne (vgl. das zitierte Urteil 4A_542/2020 E. 3.3.2).

 

Weitere Beiträge zur Qualifikation von Verträgen:

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

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