Auch im Bereich des öffentlichen Personalrechts haben sich die Behörden mit der Thematik der missbräuchlichen Kündigung auseinanderzusetzen. Im Entscheid A-3006/2017 hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage zu befassen, ob im Fall einer Kündigung eines Militärarztes, welcher beim Armeestab angestellt war, eine missbräuchliche Kündigung vorlag.

 

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin begründet die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der langandauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, welche im Zusammenhang mit dem Tod eines Rekruten stand, welchen der betreffend Arbeitnehmer als Diensttauglich qualifizierte. Eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes und (somit) eine Reintegration am bisherigen Arbeitsplatz seien nicht wahrscheinlich, weshalb die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis aufgrund mangelnder Tauglichkeit i.S.v. Art. 10 Abs. 3 Bst. c des Bundepersonalgesetzes kündigte. Die Arbeitgeber war der Auffassung, dass die teilweise Arbeitsfähigkeit im Umfang von 40 bis 50 Prozent zu einschränkend und daher die Arbeit für die Arbeitgeberin nicht verwertbar sei. Gemäss ärztlichem Zeugnis waren lediglich administrative Tätigkeiten zumutbar. Von weiteren Reintegrationsmassnahmen wurde deshalb aufgrund der gesamten Umstände abgesehen. Die Tatsache, dass zwischen verschiedenen Personalbereichsleitern Konflikte bestanden, wurde nicht beachtet.

 

Kündigung unter dem BPG

Der Arbeitgeber kann bei einer Entlassung nach BPG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis aus sachlich hinreichenden Gründen auflösen, namentlich wegen mangelnder Eignung, Tauglichkeit oder Bereitschaft des Arbeitnehmers, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zu verrichten (Art. 10 Abs. 3 Bst. c BPG). Nicht geeignet oder untauglich ist der Arbeitnehmer, wenn er aus objektiven Gründen, die mit seiner Person im Zusammenhang stehen und einen Bezug zur Arbeit haben müssen, nicht oder nur ungenügend in der Lage ist, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten. Andauernde gesundheitliche Probleme sind deutliche Indizien einer bestehenden Untauglichkeit oder Ungeeignetheit (Urteile des BGer 8C_714/2017 vom 7. März 2018 E. 4.2.2 und 8C_87/2017 vom 28. April 2017 E. 4.2, je mit Hinweisen). Mangelnde Eignung und Tauglichkeit sind nicht leichthin anzunehmen, zumal der Arbeitgeber bei krankheits- oder unfallbedingter Arbeitsverhinderung einer angestellten Person verpflichtet ist, alle sinnvollen und zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um die betroffene Person wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern (Art. 11a Abs. 1 BPV). Fehlt es einer ordentlichen Kündigung an einem sachlich hinreichenden Grund und heisst die Beschwerdeinstanz die Beschwerde gegen eine Kündigungsverfügung aus diesem Grund gut, spricht sie dem Beschwerdeführer eine Entschädigung in der Höhe von mindestens sechs Monatslöhnen und höchstens einem Jahreslohn zu (Art. 34b Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 BPG).

 

Missbräuchliche Kündigung gemäss BPG

Auch im Bereich des BPG geltend die gleichen Missbrauchstatbestände wie im OR. Die Aufzählung ist nicht abschliessend.

Gleich wie den privaten trifft auch den öffentlichen Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmenden eine Fürsorgepflicht (Art. 328 OR i.V.m. Art. 6 Abs. 2 BPG sowie Art. 4 Abs. 2 Bst. b und g BPG). Besondere Bedeutung ist der Art und Weise der Ausübung des Kündigungsrechts bei älteren Arbeitnehmern zu schenken. Ein bloss unanständiges, einem geordneten Geschäftsverkehr unwürdiges Verhalten genügt jedoch nicht, um eine Kündigung als missbräuchlich erscheinen zu lassen. Nach der Rechtsprechung kann ferner – entsprechend dem verfassungsmässigen Verhältnismässigkeitsgrundsatz – ein krasses Missverhältnis der Interessen eine Kündigung als missbräuchlich erscheinen lassen (zum Ganzen BGE 136 III 513 E. 2.3 und Urteile des BGer 4A_280/2017 vom 7. September 2017 E. 4.1, 8C_87/2017 vom 28. April 2017 E. 6.2 und 8C_243/2015 vom 17. März 2016 E. 5.3, je mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; zudem Urteile des BVGer A-2708/2016 vom 16. Dezember 2016 E. 5.7.1 sowie A-5665/2014 vom 29. September 2015 E. 5.2; Beatrix Schibli, Kündigungsschutz in sachlicher Hinsicht im Bundespersonalrecht, Schweizerische Vereinigung für Verwaltungsorganisationsrecht [SVVOR], Verwaltungsorganisationsrecht – Staatshaftungsrecht – öffentliches Dienstrecht, Jahrbuch 2016/2017, S. 199-203; Denis G. Humbert, Die missbräuchliche Kündigung im Spannungsfeld zwischen Kündigungsfreiheit, Generalklausel von Art. 336 OR und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, Aktuelle Juristische Praxis [AJP] 2011 S. 1474 f.).

Die Bestimmung von Art. 328 OR, die unter Berücksichtigung der verfassungsmässigen Grundsätze als ergänzendes öffentliches Recht zur Anwendung gelangt (vgl. Urteil des BVGer A-1117/2014 vom 30. April 2015 E. 4.1.2), verpflichtet den Arbeitgeber dazu, im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Er hat insbesondere auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Daraus ergibt sich nach der Lehre eine allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, welche den Persönlichkeitsschutz für das Arbeitsverhältnis konkretisiert.

 

Rechtsfolgen der missbräuchlichen Kündigung unter dem BPG

Ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses missbräuchlich, soll sie aufgehoben werden; der Arbeitgeber bietet der angestellten Person in diesem Fall die bisherige oder, wenn dies nicht möglich ist, eine andere zumutbare Arbeit an (Art. 34c Abs. 1 Bst. b BPG). Anstelle einer Weiterbeschäftigung kann der angestellten Person auf deren Gesuch hin indes auch eine Entschädigung von in der Regel mindestens sechs Monatslöhnen und höchstens einem Jahreslohn zugesprochen werden (Art. 34c Abs. 2 BPG).

 

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht ist zum Schluss gelangt, dass der Armeestab

  • seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Arzt verletzt habe;
  • gegen das Gebot der schonenden Rechtsausübung verstossen habe (gekündigter Arzt ist heute 60 Jahre alt und hat Familie).

„Bei krankheits- oder unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit einer angestellten Person schöpft der Arbeitgeber alle sinnvollen und zumutbaren Möglichkeiten aus, um die betroffene Person wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern (Art. 11a Abs. 1 Satz 1 BPV). Dafür, dass er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, trägt der Arbeitgeber die Beweislast (vgl. vorstehend E. 2.2 sowie Urteil des BVGer A-6277/2014 vom 16. Juni 2015 E. 10.3.1). Gemäss Art. 11a Abs. 2 BPV kann der Arbeitgeber die angestellte Person verpflichten, an den Eingliederungsmassnahmen mitzuwirken.

Die Vorinstanz ging zu Beginn des Jahres 2017 davon aus, dass der Beschwerdeführer in seiner angestammten Arbeitsstelle nicht wieder eingegliedert werden kann. Sie hat aus diesem Grund innerhalb der Organisationseinheit (…) nach einer angemessenen Beschäftigungsmöglichkeit für ihn gesucht. Mit E-Mail vom 17. Februar 2017 teilte der Chef des (…) der Vorinstanz mit, über „zwei Einsatzmöglichkeiten im Sinne einer angemessenen administrativen Tätigkeit“ für den Beschwerdeführer zu verfügen, für welche dieser aufgrund seiner Ausbildung und seiner bisherigen Tätigkeit über eine gute Basis verfüge. Er erläuterte kurz die beiden Einsatzmöglichkeiten und gab die Kontakte für weitere Fragen an. Die
Vorinstanz bezeichnete diese Einsatzmöglichkeiten mit interner E-Mail vom 21. Februar 2017 als wertvoll (zum betreffenden E-Mail-Verkehr Vorakten, act. 124). Sie leitete jedoch die allfälligen Einsatzmöglichkeiten nicht an den Beschwerdeführer weiter und vermittelte auch keinen Kontakt zwischen diesem und dem (…). Vielmehr schritt sie zwei Monate später, am 24. April 2017, zur Kündigung, obschon der Beschwerdeführer gemäss ärztlichem Zeugnis in einer angepassten Arbeitsstelle mit überwiegend administrativer Tätigkeit teilwiese arbeitsfähig gewesen wäre. Mit diesem Vorgehen verletzte die Vorinstanz sowohl das Gebot schonender Rechtsausübung als auch ihre Fürsorgepflicht gemäss Art. 19 Abs. 1 BPG in schwerwiegender Weise.

Zudem fällt in Betracht, dass die externen Bewerbungen des Beschwerdeführers, der im Zeitpunkt der Kündigung 59 Jahre alt war, ohne Erfolg geblieben waren und dass es für ihn angesichts seines Alters und seiner Erkrankung schwierig werden würde, eine andere Anstellung zu finden. Die Vorinstanz wusste um diese Umstände (Vorakten, act. 104). Der Beschwerdeführer hatte entsprechend ein eminentes Interesse an einer Weiterbeschäftigung. Diesem steht kein schutzwürdiges Interesse der Vorinstanz gegenüber, das deren Vorgehen – Kündigung des Arbeitsverhältnisses trotz allfälliger Einsatzmöglichkeiten – rechtfertigen würde. Insbesondere ergeben sich aus den Akten keine konkreten Hinweise, dass der Beschwerdeführer seine Wiedereingliederung bewusst hintertrieben und Einschätzungen der Vertrauensärzte ignoriert hätte, wie die Vorinstanz vorbringt. Auch (Gesprächs-)Terminen ist der Beschwerdeführer nie unentschuldigt ferngeblieben (Beschwerdebeilagen 92, 95, 96 und 158). Schliesslich hat der Beschwerdeführer der Vorinstanz bzw. dem ärztlichen Dienst die Ermächtigung zum Einholen von Angaben über seine gesundheitliche Situation erteilt (Vorakten, act. 41 und 103). Es bleibt allein der Umstand, dass er zurückhaltend über seinen gesundheitlichen Zustand bzw. die Diagnosen und Befunde informierte. Daraus folgt indes keine ins Gewicht fallende Verletzung seiner Mitwirkungspflicht. Der Vorinstanz hätte ihrerseits die Möglichkeit gehabt, den Beschwerdeführer (eher) zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu verpflichten (vgl. Urteil des BVGer
A-5326/2015 vom 24. August 2016 E. 4.1 mit Hinweis; ferner Art. 28 BPG und Art. 56 Abs. 4 BPV).“

 

Weitere Beiträge zur missbräuchlichen Kündigung (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani