Grundsätzlich ist auch eine Kündigung per E-Mail möglich – siehe hier den Beitrag zu den Formvorschriften einer Kündigung. Doch wann gilt eine Kündigung, die während den Ferien per E-Mail an den Arbeitnehmer geschickt wird, diesem als zugestellt? Es kommt hier auf den Einzelfall darauf an. Das Arbeitsgericht Zürich hatte hierzu in einem Fall die rechtlichen Grundlagen herausgearbeitet (Entscheide des Arbeitsgerichts Zürich 2016, Nr. 15).

 

Sachverhalt (gemäss der Entscheidsammlung)

Der Kläger (Arbeitnehmer) war seit 2011 als Director tätig. Vom 22. Dezember 2014 bis am 5. Januar 2015 war er ferienabwesend. Die Beklagte sandte ihm am 24. Dezember 2014 eine E-Mail, in welcher die Notice of termination (Kündigung), datiert vom 23. Dezember 2014, als eingescanntes PDF angehängt war. Diese E-Mail wurde vom Kläger (im Geschäfts-E-Mail-Account) erst am 6. Januar 2015 geöffnet. Zusätzlich wurde dem Kläger am 9. Januar 2015 persönlich ein Kündigungsschreiben übergeben, in welcher auch die sofortige Freistellung erwähnt wurde. Beide Kündigungsschreiben sehen ein Vertragsende per 31. März 2015 vor.

 

Entscheid des Arbeitsgerichts zur E-Mail Kündigung

Das Arbeitsgericht stellte zunächst fest, dass eine Kündigung während den Ferien gültig ist; dieser Fall ist nicht durch Art. 336c OR (Sperrfristen) erfasst:

Die Kündigung erfolgte vorliegend während den bewilligten Ferien des Klägers. Als unzulässig kann eine während den Ferien zugestellte Kündigung nicht betrachtet werden, wird dieser Sachverhalt doch vom Kündigungsschutz gemäss Art. 336c OR nicht erfasst. Insbesondere steht der Erholungszweck der Ferien einer Kündigung während eines Ferienbezugs nicht entgegen.

Im Allgemeinen gilt die Kündigung während den Ferien als zugestellt, wenn deren Kenntnisnahme erwartet werden darf:

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gilt die Kündigung während der Ferien in dem Moment als zugestellt, in dem vom Empfänger nach seiner Rückkehr die Kenntnisnahme erwartet werden könne, ausser er sei zu Hause geblieben, habe sich die Post effektiv nachsenden lassen oder sei ohne Wissen des Arbeitgebers in die Ferien verreist. Diese Ansicht wird auch von der herrschenden Lehre so vertreten (Streiff/von Kaenel/Rudolph, a. a.O., N 5 zu Art. 335 OR). Diese Ausnahmen beziehen sich zunächst auf physische Kündigungen.

Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Kündigungen per E-Mail während den Ferien:

Allerdings lassen sich die Voraussetzungen des Kündigungszuganges auf eine Kündigung per E-Mail übertragen: Die Kündigung ist zugestellt, sobald sie vom Gekündigten zur Kenntnis genommen wurde oder in seinen Zugriffsbereich gelangt ist und von ihm erwartet werden darf, dass er auch auf das Kommunikationsmittel zugreift. Ob eine Abfrage von E-Mail-Nachrichten erwartet werden darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (Portmann/Rudolph, in: BSK OR I, 6.Aufl., Basel 2015, N 16 zu Art. 335 OR; sehr zurückhaltend: Streiff/von Kaenel/Rudolph, a. a.O., N 5 zu Art. 335 OR; sehr viel weitgehender: JAR 2011 S. 483).

Das Arbeitsgericht kam aufgrund der Umstände zum Schluss, dass als Datum der Zustellung der Kündigung der 24. Dezember zu gelten hatte, obwohl der Arbeitnehmer nachweislich erst am 6. Januar von der Kündigung Kenntnis nahm, dies aufgrund der folgenden Umstände:

Der Kläger hat anerkannter- und nachgewiesenermassen am 24.Dezember 2014 mehrfach insoweit auf seinen Geschäftsemail-Account zugegriffen, als er geprüft hat, ob, von wem und mit welchem Betreff ihm E-Mails zugegangen sind. Damit hat er auf dieses Kommunikationsmittel zugegriffen und die Beantwortung der Frage, ob das von ihm erwartet werden durfte, ist obsolet. Der Sachverhalt ist vergleichbar mit einem ferienabwesenden Mitarbeiter, der sich die Post nachsenden lässt und die Eingänge im Briefkasten verifiziert, vier von fünf Briefen öffnet und den fünften ungeöffnet im Briefkasten liegen lässt.

Der Kläger hat anerkanntermassen auch während seiner Ferienabwesenheit geschäftliche Aufgaben erledigt. Er hat nachweislich mehrfach am 24. Dezember 2014 zwischen 10:11 Uhr und 14:22 Uhr auf sein Account zugegriffen und dabei alle eingegangenen E-Mails, abgesehen von der Kündigungs-E-Mail, auch geöffnet. Aber auch diese beliess er nicht bloss ungelesen, er hat sie vielmehr dahingehend bearbeitet, dass er sie an seine private Gmailadresse weiterleitete. Den Akten ist zu entnehmen, dass von der Geschäftsadresse des Klägers (xx@yy.com) an die private Gmailadresse des Klägers (xx@gmail.com) erfolgreich (vgl. zweitunterste Zeile: SMTP session succesful, was soviel bedeutet, wie Simple Mail Transfer Protocol, bzw. zu deutsch: E-Mail-Transportprokoll) eine E-Mail gesandt wurde, welche mit folgendem “subject” gelistet wird: “Fwd: Registered Mail”. Fwd steht für forwarded, also eine weitergeleitete Nachricht. Registered Mail entspricht genau demjenigen Titel, welchen die E-Mail von A. vom 24. Dezember 2014 mit dem angehängten Kündigungsschreiben trägt. Der Kläger bejaht, Inhaber einer Gmailadresse zu sein. Angesichts dieser Umstände durfte vom Kläger – korrektes Verhalten vorausgesetzt – die effektive Kenntnisnahme der ihm zugegangenen E-Mail von A. und der dieser beigefügten Kündigung am 24. Dezember 2014 erwartet werden.

Aufgrund des Gebrauchs der E-Mail Adresse während den Ferien musste der Arbeitnehmer sich gefallen lassen, dass die Kündigung als am 24. Dezember als zugestellt galt. Die Kündigung war demnach am 24. Dezember gültig zugestellt. Eine andere Frage wäre freilich, ob die Kündigung missbräuchlich sein könnte.

 

PDF gilt als Schriftlichkeit

In der Praxis stellt sich oft die Frage, ob eine PDF-Kopie, welche einer E-Mail angehängt ist, dem Erfordernis der Schriftlichkeit zu genügen vermag. Dies wurde vom Arbeitsgericht im gleichen Entscheid bejaht, obwohl der Arbeitsvertrag gar keine Schriftlichkeit für die Kündigung vorsah:

In der Lehre wird davon ausgegangen, dass eine Kündigung per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur dem Schriftformerfordernis des Art.13OR nicht genügt. Davon ist jedoch bei eingescannten Originaldokumenten eine Ausnahme zu machen (Schwenzer, in: BSK OR I, a.a.O., N14d zu Art.13OR). Diese Ansicht muss heute aufgrund der gleichen Überlegungen gelten, welche auch bei der zulässigen Übermittlung einer unterschriebenen Originalurkunde per Telefax zum Tragen kommen. Diese Ansicht scheint insbesondere im Lichte folgender Überlegung als gerechtfertigt: Sinn und Zweck der elektronischen Signatur ist es, die Herkunft zweifelsfrei (Authentizität) sowie allfällige Veränderungen nach der elektronischen Unterzeichnung festzustellen (Integrität) (Schwenzer, in: BSK ORI, a. a.O.,N14d zu Art. 13OR). Gemäss der Beklagten sei das Original der Kündigung mit der Originalunterschrift des damals einzigen Verwaltungsrats der Beklagten eingescannt worden. Dies wird vom Kläger insofern bestritten, als er das PDF als blosses Abbild, als eine blosse Kopie abtut, welches keine Originalunterschrift enthält. Indem das Originaldokument mit der Originalunterschrift eingescannt und ins PDF-Format geändert der E-Mail vom 24.Dezember 2014 angehängt wurde, lässt sich diese PDF-Datei nicht in die Originaldatei zurückführen. Technische Veränderungen sind zwar heutzutage nicht gänzlich ausgeschlossen, es besteht jedoch kein entsprechender Verdacht und ausserdem wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht, dass das Kündigungsschreiben vom 23.Dezember 2014 verändert wurde. Vor diesem Hintergrund ist das Schriftformerfordernis bei dem einem E-Mail angehängten Kündigungsschreiben im PDF-Format erfüllt.

 

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Autor: Nicolas Facincani