Im Rahmen eines Zeugnisstreites hatte sich das Kantonsgerichts Basel-Landschaft mit der Codierung und Änderungswünschen von Arbeitszeugnissen auseinanderzusetzen.

 

Verhalten gegenüber Kunden, Mitarbeitenden und Vorgesetzten

Die Arbeitnehmerin verlangte vor Gericht in ihrem Arbeitszeugnis die Ergänzung des Satzes „Frau A.____ pflegte einen freundlichen und respektvollen Umgang.“ um den Adressatenkreis „mit Kunden, Mitarbeitenden und Vorgesetzten„.

 

Begründung der Forderung:

Als Grund betreffend den Antrag auf Ergänzung des Adressatenkreises gab die Arbeitnehmerin im Wesentlichen an, dass das Auslassen des Bezugs der Umgangsformen zu bestimmten Adressaten nicht der Verkehrsanschauung entspreche und von branchenüblichen Standards abweiche. Das Auslassen des Adressatenkreises stelle ein bewusstes Schweigen und damit eine unzulässige Codierung dar, weshalb das Zeugnis unvollständig sei. Gestützt auf den Grundsatz der Klarheit sei die Verwendung einer Geheimsprache verboten. Zudem sei ihr weder im Zwischenzeugnis vom 1. November 2017 noch im Zwischenzeugnis vom 14. Mai 2018 ein ungebührliches Verhalten attestiert worden. Vielmehr werde darin jeweils aufgeführt, dass sie einen sehr freundlichen und respektvollen Umgang gepflegt habe und dass sie von Vorgesetzten und Mitarbeitenden anerkannt und vor allem auch geschätzt worden sei. Die Beurteilung im Schlusszeugnis würde sich jedoch nur auf die letzten Monate des Arbeitsverhältnisses stützen, wobei sie aufgrund des ungelösten Arbeitskonflikts in dieser Zeit länger arbeitsunfähig gewesen sei. Insgesamt gebe es keinen Anlass, den Adressatenkreis im Schlusszeugnis auszulassen.

 

Argumente des Arbeitgebers:

Der Arbeitgeber bestritt den Vorwurf, Codierungen verwendet zu haben, und weigerte sich, die Ergänzung des Personenkreises vorzunehmen, mit der Begründung, dass dies gegen die Wahrheitspflicht verstossen würde. Aus den Gesprächsnotizen und dem Sachverhalt ergebe sich, dass das Arbeitsverhältnis belastet gewesen sei. Es habe wiederholt Diskussionen zwischen den Vorgesetzten und der Arbeitnehmerin über deren Verhalten gegeben. Gegenüber den Mitarbeitenden habe sie sich ebenfalls in einer nicht akzeptablen Art und Weise verhalten.

 

Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom12. August 2020 (810 20 27)

Das Kantonsgericht lehnte die Forderung der Arbeitnehmerin ab, die aus den folgenden Gründen:

Aus den Formulierungen der Zwischenzeugnisse liessen sich gemäss Kantonsgericht Basel-Landschaft auch keine Ansprüche auf Formulierungen im Schlusszeugnis ableiten. Die Arbeitnehmerin könne zwar Formulierungswünsche anbringen, die Formulierung des Arbeitszeugnisses aber stehe letztlich dem Arbeitgeber zu. Entgegen der Ansicht der Arbeitnehmerin könne in dem von ihr gerügten Satzteil keine Codierung erblickt werden. Der Vorwurf des qualifizierten Schweigens und damit einer unzulässigen Codierung überzeuge im vorliegenden Fall nicht. Im Gegenteil sei es für die Arbeitnehmerin besser, wenn lediglich stehe, sie „pflegte einen freundlichen und respektvollen Umgang“, ohne auf konkrete Adressaten zu verweisen, denn eine Beschränkung auf nur einzelne Adressatenkreise wie beispielsweise „Kunden“ oder „Mitarbeitende“ würde eher einem qualifizierten Schweigen entsprechen und den Eindruck entstehen lassen, dass mit dem nicht erwähnten Adressatenkreis kein freundlicher und respektvoller Umgang stattgefunden habe.

 

Diskussionen in Konfliktsituationen

Des Weiteren verlangte die Arbeitnehmerin die Streichung des Satzes „In Konfliktsituationen legte sie Wert darauf, dass faire Diskussionen geführt wurden„.

 

Begründung der Forderung:

Die Arbeitnehmerin brachte diesbezüglich als Begründung im Wesentlichen vor, dass dieser Satz zweideutig formuliert sei und er deshalb ebenfalls eine unzulässige Codierung darstelle. Leser seien geneigt, den Satz so zu verstehen, dass die Beschwerdeführerin stur und rechthaberisch sei. Dies treffe jedoch nicht zu, habe sie doch einen fachlichen Fehler im Gespräch vom 7. Juni 2018 zugegeben. Da die Situation jedoch nie aufgearbeitet worden sei, könne sie keinen Eingang ins Zeugnis finden. Zudem werde dadurch eine negative Botschaft zum Ausdruck gebracht. Das Zeugnis sei deshalb nicht wohlwollend formuliert.

 

Argumente des Arbeitgebers:

Der Arbeitnehmer machte geltend, die Streichung des Satzes im Zusammenhang mit Konfliktsituationen würde nur ein unvollständiges Bild über die Arbeitnehmerin vermitteln. Zwar dürften Mitarbeitende Änderungs- und Formulierungswünsche anbringen, jedoch liege es im Ermessen der Arbeitgeberin, auf eigene Formulierungen zu bestehen, sofern diese nicht der Wahrheitspflicht widersprächen.

 

Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom12. August 2020 (810 20 27)

Das Kantonsgericht schützte die Forderung der Arbeitnehmerin ab, die aus den folgenden Gründen:

Der ohne weiteren Kontext in den Raum gestellte Satz sei problematisch und lasse aufgrund seiner offenen Formulierung Raum für Interpretationen als unterschwellige negative Botschaft. Trotz der vordergründig vorteilhaften Darstellung unter Verwendung des positiv konnotierten Begriffs der Fairness sei der Satz letzten Endes nicht wohlwollend formuliert. Schon alleine der Hinweis darauf, dass es am Arbeitsplatz zu Konflikten kam, sei für ein Arbeitszeugnis unüblich und lade – zumal keine einordnende Erklärung abgegeben werde – beim nicht eingeweihten Leser geradezu zu Spekulationen ein. Mit Recht habe die Arbeitnehmerin geltend gemacht, dass der Eindruck erweckt werden könnte, sie sei stur und rechthaberisch aufgetreten. Der Satz könnte auch so verstanden werden, dass die Arbeitnehmerin nur Wert darauf gelegt habe, dass faire Diskussionen geführt werden, sie selber jedoch keine fairen Diskussionen geführt habe. Die Formulierung des Satzes werde den Anforderungen an ein klares, wahrheitsgetreues, transparentes und wohlwollendes Zeugnis nicht gerecht. Selbstverständlich treffe den Arbeitgeber eine Pflicht, auch negative Punkte, welche es im Arbeitsverhältnis gegeben habe, im Schlusszeugnis zu erwähnen. Dies müsse jedoch in einer Art und Weise geschehen, die keinen Raum für Interpretationen und Spekulationen lasse. Der Arbeitgeber hätte somit den Satz anders formulieren müssen, wenn er auf die Konfliktsituationen hätte hinweisen wollen. Es spiele dabei auch keine Rolle, dass die gleiche Formulierung bereits im Zwischenzeugnis Eingang gefunden habe: Es kann der Arbeitnehmerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie sich nicht schon damals gegen diese Formulierung gewehrt habe, gibt das Schlusszeugnis doch eine Beurteilung der Arbeitsleistung über den gesamten Zeitraum ab. Aus den genannten Erwägungen sei die Beschwerde betreffend Streichung dieses Satzes gutzuheissen.

 

Wahrheit vor Wohlwollen?

In seinem Entscheid machte das Kantonsgericht auch allgemeine Ausführungen zu Arbeitszeugnissen (obwohl es sich um eine Spitalmitarbeiterin handelte, war der Inhalt und der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis nach Art. 330a OR zu bestimmen). Dabei ist insbesondere die Erwägung 3.2 erwähnenswert. Hier wird explizit festgehalten, dass der Grundsatz der Wahrheit dem Grundsatz des Wohlwollens vorgeht:

Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmer jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Ein solch qualifiziertes Zeugnis, beziehungsweise Schlusszeugnis, soll einerseits das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern und deshalb wohlwollend formuliert werden. Andererseits soll es künftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers vermitteln, weshalb es grundsätzlich wahr, klar und vollständig zu sein hat. Es sind somit insbesondere die Grundsätze der Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit und des Wohlwollens zu beachten (vgl. BGE 136 III 510 E. 4.1; BVGE 2012/22 E. 5.2). Der Anspruch des Arbeitnehmers geht auf ein objektiv wahres, nicht auf ein gutes Arbeitszeugnis, womit der Grundsatz der Wahrheit dem Grundsatz des Wohlwollens vorgeht. Das Interesse des künftigen Arbeitgebers an der Zuverlässigkeit der Aussagen im Arbeitszeugnis muss höherrangig eingestuft werden als das Interesse des Arbeitnehmers an einem möglichst günstigen Zeugnis (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.118/2002 vom 17. Juli 2002 E. 2.2; BVGE 2012/22 E. 5.2).

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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