Das Bundesgericht hatte sich in den Entscheiden BGer 6B_15/2021 sowie 6B_32/2021 vom 12. November 2021 mit Äusserungen von Gewerkschaften bzw. deren eventueller Strafbarkeit auseinanderzusetzen. Es stellte sich die Frage, ob diese Äusserungen den Tatbestand der Beschimpfung (Art. 177 StGB) erfüllen würden.

 

Art. 177 StGB lautet wie folgt:

Beschimpfung

Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.

Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann der Richter den Täter von Strafe befreien.

Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann der Richter einen oder beide Täter von Strafe befreien.

 

Meinungsäusserung gemäss EMRK

Das in Art. 10 EMRK garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung ist eines der wichtigsten Mittel, um die effektive Wahrnehmung des in Art. 11 EMRK verankerten Rechts auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu gewährleisten, insbesondere im Bereich der Gewerkschaften. Art. 10 EMRK schützt insbesondere auch die Rechte von Gewerkschaften.

 

Art. 10 EMRK lautet wie folgt:

Freiheit der Meinungsäusserung

Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, In­formationen und Ideen ohne behördliche Ein­griffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Die­ser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio‑, Fernseh‑ oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.

Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Ver­antwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Straf­drohun­gen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesell­schaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territo­riale Unversehrt­heit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhü­tung von Strafta­ten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhin­derung der Verbreitung vertrauli­cher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.

 

Meinungsäusserungsfreiheit in der Bundesverfassung

Die Meinungsäusserungsfreiheit ist auch durch die Bundesverfassung gewährleistet:

 

Art. 16 der Bundesverfassung lautet wie folgt:

Meinungs- und Informationsfreiheit

Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist gewährleistet.

Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äüs­sern und zu verbreiten.

Jede Person hat das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und zu verbreiten.

 

Äusserungen von Gewerkschaften

Das Bundesgericht hielt fest, dass, gemäss EMRK Gewerkschaftsmitglieder die Möglichkeit haben müssen, ihre Forderungen vor dem Arbeitgeber ihre Forderungen zur Verbesserung der Situation der Arbeitnehmer in ihrem Betrieb stellen. Um sicherzustellen, dass die Gewerkschaftsrechte tatsächlich und wirksam sind, müssen die müssen die nationalen Behörden dafür sorgen, dass unverhältnismäßige Sanktionen die Gewerkschaftsvertreter davon abhalten, zu versuchen, die Interessen ihrer Mitglieder zum Ausdruck zu bringen und zu verteidigen.

2.2. Conformément à l’art. 16 al. 2 Cst., toute personne a le droit de former, d’exprimer et de répandre librement son opinion. Selon l’art. 10 CEDH, la liberté d’expression comprend la liberté d’opinion et la liberté de recevoir ou de communiquer des informations ou des idées sans qu’il puisse y avoir ingérence d’autorités publiques et sans considération de frontière (al. 1). Quant à l’art. 11 CEDH, il garantit la liberté de réunion et d’association (également protégées par les art. 23 et 28 Cst.). Dans un arrêt 6B_1020/2018 du 1er juillet 2019, le Tribunal fédéral avait ainsi rappelé, à la lumière de la jurisprudence de la Cour européenne des droits de l’Homme (ci-après: CourEDH), que le droit à la liberté d’expression garanti par l’art. 10 CEDH constituait l’un des principaux moyens permettant d’assurer la jouissance effective du droit à la liberté de réunion et d’association consacré par l’art. 11 CEDH (arrêts de la CourEDH Vellutini et Michel c. France du 6 octobre 2011, § 32; Palomo Sanchez et autres c. Espagne du 12 septembre 2011, § 52), ceci particulièrement dans le domaine syndical (arrêt Vellutini et Michel c. France précité, § 32). Les membres d’un syndicat doivent ainsi pouvoir exprimer devant l’employeur leurs revendications tendant à améliorer la situation des travailleurs au sein de leur entreprise. C’est pourquoi, en vue d’assurer le caractère réel et effectif des droits syndicaux, les autorités nationales doivent veiller à ce que des sanctions disproportionnées ne dissuadent pas les représentants syndicaux de chercher à exprimer et défendre les intérêts de leurs membres (arrêt Palomo Sanchez et autres c. Espagne précité, § 56). La CourEDH rappelle à cet égard qu’une distinction claire doit être faite entre critique et insulte, cette dernière pouvant, en principe, justifier des sanctions (arrêt Palomo Sanchez et autres c. Espagne précité, § 67; sur le tout: arrêt 6B_1020/2018 précité consid. 5.1.3).

 

Angemessene Grenzen gewerkschaftlicher Polemik

Auf den konkreten Anwendungsfall hielt das Bundesgericht fest, dass wenn eine Rechtsanwendende Behörde eine Äusserung von Gewerkschaftsfunktionären im Zusammenhang mit der beruflichen Situation eines Gewerkschaftsmitglieds zu prüfen hat, sie folglich untersuchen müssen, ob die fragliche Äusserung einen beleidigenden und verletzenden Charakter hätten, der die angemessenen Grenzen der gewerkschaftlichen Polemik überschritten hat (E. 2.2).

Par conséquent, lorsque l’autorité est appelée à examiner des propos tenus par des responsables d’un syndicat, en rapport avec la situation professionnelle de l’un de ses membres, elle devra rechercher si les propos en cause ont revêtu un caractère vexatoire et blessant qui aurait excédé les limites convenables de la polémique syndicale (arrêts 6B_1020/2018 précité consid. 5.1.3; 6B_498/2012 du 14 février 2013 consid. 5.3.8 in fine; v. aussi arrêts Vellutini et Michel c. France précité, § 39; Palomo Sanchez et autres c. Espagne précité, § 67).

Im Hinblick auf die Meinungsfreiheit, die einer Gewerkschaftsorganisation zugestanden wird, so hielt das Bundesgericht fest, könnten gewisse Vereinfachungen und Übertreibungen zugelassen und toleriert werden, um die Botschaft schlagkräftiger zu machen (E. 2.3.3):

Certes, au regard de la liberté d’expression reconnue à une organisation syndicale, il peut être admis et toléré certaines simplifications et exagérations pour rendre le message plus percutant. Il en allait ainsi, comme l’a relevé la cour cantonale, en tant que les participants à la manifestation avaient qualifié l’intimé „[d’]expert des faillites en cascade“ ou lorsqu’ils avaient scandé des slogans et déployé des banderoles suggérant qu’il ne versait aucun salaire à ses employés.

 

Organisiertes Mafiasystem

Die Bezugnahme auf ein „organisiertes Mafiasystem“ ging für das Bundesgericht jedoch über das hinaus, was in im vorliegenden Kontext toleriert werden konnte (es wurde dem Arbeitgeber, der keine öffentliche Person war, hauptsächlich vorgeworfen, dass er die im geltenden Gesamtarbeitsvertrag vorgesehenen Mindestlöhne nicht einhielt und bereit war, sein Unternehmen zu liquidieren, falls es zu einer Klage gegen ihn käme). Diese Aussagen waren  geeignet, den Arbeitgeber in einem Masse zu verletzen und zu kränken, das die akzeptablen Grenzen gewerkschaftlicher Polemik überschritt (E. 2.3.3).

Pour autant, comme la cour cantonale l’a également souligné, la référence à un „système de mafia organisé“ dépassait ce qui pouvait être toléré dans un contexte où il était principalement reproché à un employeur, qui n’était pas une personnalité publique, de ne pas respecter les salaires minimaux prévus par la convention collective applicable et d’être prêt à liquider sa société en cas d’action en justice contre elle. Dès lors que ces propos faisaient allusion au recours à une organisation criminelle, d’autant plus à l’égard d’un employeur lié à des membres de sa fratrie dans le cadre de ses différentes activités professionnelles, ceux-ci étaient donc propres à blesser et à vexer l’intimé dans une mesure excédant les limites acceptables de la polémique syndicale.

 

Zu den Treuepflichten des Arbeitnehmers:

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

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