Laut schweizerischem Arbeitsrecht (Art. 321a Abs. 1 OR) hat der Arbeitnehmer die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Im Vordergrund dieser Treuepflicht steht die Pflicht des Arbeitnehmers, alles zu unterlassen, was den Arbeitgeber wirtschaftlich schädigen könnte. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber gemäss Art. 321b Abs. 1 OR über alles, was er bei seiner vertraglichen Tätigkeit für diesen von Dritten erhält, wie namentlich Geldbeträge, Rechenschaft abzulegen und ihm alles sofort herauszugeben. Nach Abs. 2 von Art. 321b OR  hat er dem Arbeitgeber auch alles sofort herauszugeben, was er in Ausübung seiner vertraglichen Tätigkeit hervorbringt.

 

Verfahren LA190026 vor dem Obergericht Zürich

Das Obergericht Zürich hatte einen Fall zu beurteilen, in welchem der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der vertraglichen Tätigkeit des Arbeitnehmers über eine Stufenklage einerseits Auskunft und Rechenschaftsablage über sämtliche Zuwendungen Dritter, insbesondere betreffend drei Geschäfte in Griechenland, Österreich und Rumänien, und andererseits die Herausgabe noch zu beziffernder KickBack-Zahlungen.

 

Rechtsbegehren

Der Arbeitgeber stellte die folgenden Rechtsbegehren:

  1. Die Beklagte sei unter Androhung der Bestrafung mit Busse gemäss Art. 292 StGB im Zuwiderhandlungsfall zu verpflichten, der Klägerin innert 14 Tagen ab Rechtskraft des Urteils (a) Auskunft zu geben und schriftlich unter Beilage sachdienlicher Belege Rechenschaft abzulegen über sämtliche Vergütungen, Zuwendungen, Zahlungen etc., die sie während ihrer Tätigkeit bei der Klägerin, insbesondere in den Jahren 2007 – 2009, von Dritten erhalten hat und die einen Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit bei der Klägerin aufweisen, insbesondere solche von C._____, D._____, E._____ GmbH, F._____, G._____, H._____LLC und I._____ Investments Limited; und (b) der Klägerin Einsicht in ihre Steuererklärungen samt Bei[1]lagen und Anhängen für die Jahre 2007 – 2009 sowie detaillierte Auszüge all ihrer Bankkonten für die Jahre 2007 – 2009 zu gewähren. Eventualiter sei die Einsicht in die vorgenannten Dokumente einem gerichtlich er[1]nannten Experten zu gewähren und der Experte sei anzuhalten, dem Gericht und den Parteien schriftlich Bericht über erhaltene Zahlungen der vorgenannten Art sowie die Weiterverwendung der Gelder durch die Be[1]klagte zu erstatten.
  2. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin einen nach erfolgter Rechenschaftsablage gemäss Rechtsbegehren Nr. 1 zu beziffernden Betrag, mindestens aber EUR 1’500’000 oder den entsprechenden Gegenwert in CHF, nebst Zins zu 5 % seit wann rechtens, spätestens aber seit dem 31. Oktober 2010, zu bezahlen.
  3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten.

 

Unbestimmtes Auskunftsbegehren?

Das Bezirksgericht Meilen hatte die Meinung vertreten, das Rechtsbegehren auf Auskunftserteilung sei zu weit gefasst und könne somit nicht gutgeheissen werden. Das Obergericht Zürich verwarf diese Auffassung.

 

Entscheid des Obergerichts

Das Obergerichte fasst in einem ersten Schritt die Grundlagen des zu beurteilenden Falles zusammen: Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber über alles, was er bei seiner vertraglichen Tätigkeit für diesen von Dritten erhält, wie namentlich Geldbeträge, Rechenschaft abzulegen und ihm alles sofort herauszugeben (Art. 321b Abs. 1 OR). Zu beurteilen sei vorliegend ein behaupteter, selbständig klagbarer, sachrechtlicher Informations- bzw. Rechenschaftsanspruch aus Art. 321b Abs. 1 OR, einerseits als Hilfsanspruch für die noch zu beziffernde zweite Stufe der Klage als Leistungsbegehren (betr. Griechenland und Rumänien; Urk. 128 S. 5 ff.), andererseits als reiner Auskunftsanspruch (betr. Österreich; Urk. 128 S. 9; Urk. 129 S. 15).

Inhaltlich müsse ein Rechtsbegehren grundsätzlich bestimmt sein:

 

Zeitraum

Der Zeitraum, auf welchen sich das Auskunftsbegehren beziehe, sei entgegen der Vorinstanz, genügend bestimmt:

Dem angefochtenen Beschluss ist die unbestrittene Tatsachenbehauptung der Klägerin in der Klagebegründung zu entnehmen, die Beklagte sei von Januar 2004 bis Dezember 2010 Arbeitnehmerin der Klägerin gewesen (vgl. Urk. 129 S. 10; Urk. 2 Rz 12; Urk. 18 Rz. 14 und 180). Da unklare Rechtsbegehren im Lichte der Begründung auszulegen sind (BGE 137 III 617 E. 6.2), erscheint Rechtsbegehren Ziffer 1 in zeitlicher Hinsicht ohne weiteres als bestimmt, zumal einhergehend mit der Auffassung der Klägerin davon auszugehen ist, mit der von ihr verwendeten Formulierung sei der Zeitraum 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2010 umfasst. Wenn die Beklagte in der Berufungsantwort dagegen ausführt, die behauptete Zeitspanne ihrer Tätigkeit bei der Klägerin sei diffus, so tut sie weder dar, sie habe diese Tatsache schon erstinstanzlich angeführt und diese sei zu Unrecht unberücksichtigt geblieben, noch äussert sie sich zur Zulässigkeit unechter Noven. Unter Hinweis auf Erwägung 3.3. haben ihre entsprechenden Ausführungen unberücksichtigt zu bleiben. Anhaltspunkte für ein treuwidriges Vorgehen der Klägerin (vgl. Art. 52 ZPO) liegen sodann keine vor. Im referierten Handelsgerichtsentscheid wurde Rechenschaft für einen Zeitraum von 39 Jahren zur Klärung von Ereignissen verlangt, die sich während knapp dreieinhalb Jahren zugetragen haben sollen; vorliegend erstreckt sich das Informations- und Rechenschaftsbegehren auf einen Zeitraum von sieben Jahren, wobei die angeblich relevanten Ereignisse im Wesentlichen einen Zeitraum von drei Jahren beschlagen. Die Klägerin rügt schliesslich zu Recht, dass die Argumentation der Vorinstanz mit Bezug auf den Zweck des Vorlegungsanspruchs nichts mit der Bestimmtheit des Rechtsbegehrens zu tun hat, sondern im Rahmen der materiellen Begründetheit zu prüfen sein und gegebenenfalls zu einer (teilweisen) Klageabweisung führen wird. Das Rechtsbegehren Ziffer 1 erscheint in zeitlicher Hinsicht als genügend bestimmt.

 

Zweck des Begehrens

Die Vorinstanz hatte erwogen, der Zweck der Begehren ergebe sich nicht. Dazu das Obergericht:

Die Bestimmtheit eines Rechtsbegehrens stellt keine eigenständige Voraussetzung dar. Die von der Vorinstanz angeführte Lehrmeinung postuliert denn auch mit Blick auf die Bestimmtheit eines Rechtsbegehrens eine Begrenzung einzig in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht, wobei massgebend für diese Begrenzungen der Zweck des Vorlegungsanspruchs ist (Markus Affolter, Die Durchsetzung von Informationspflichten im Zivilprozess, Diss., Bern 1994, S. 57). Ob die nötige Klarheit vorliegt, zu welchem Zweck worüber Auskunft verlangt wird (vgl. BGE 143 III 297 E. 8.2.5.4), ist einheitlich unter der gegenständlichen Begrenzung zu prüfen.

 

Gegenständlichkeit des Rechtsbegehrens

Der Arbeitgeber verlangt mit seinen Rechtsbegehren vom Arbeitnehmer Auskunft und Rechenschaft über sämtliche Vergütungen, Zuwendungen, Zahlungen etc. von Dritten, die einen Zusammenhang mit seiner Arbeitstätigkeit aufweisen, insbesondere von den im Rechtsbegehren namentlich genannten Personen, unter Einräumung einer Kontrollmöglichkeit über Steuererklärungen sowie Kontoauszüge des Arbeitnehmers. Die Vorinstanz erwog, dass das Rechtsbegehren auch in gegenständlicher Hinsicht begrenzt zu sein habe. Vorliegend sei es ausserordentlich umfassend formuliert worden. Dazu das Obergericht:

Einhergehend mit den vorinstanzlichen Erwägungen ist von einem sehr umfassend formulierten Rechtsbegehren auszugehen. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein zu umfassend formuliertes Rechtsbegehren vom Gericht in geeigneter Weise einzugrenzen und im Übrigen abzuweisen ist, sofern es klar ist; die Anforderungen an die Bestimmtheit des Informationsbegehrens dürfen dabei nicht zu streng sein. Da die klagende Partei noch nicht weiss, was genau Inhalt der ihr zustehenden Informationen ist, kann nicht verlangt werden, dass Belege einzeln zu bezeichnen sind. Es muss genügen, wenn die Klägerin Klarheit darüber schafft, zu welchem Zweck sie worüber Auskunft oder Rechnungslegung verlangt, für welchen Zeitraum und in welcher Form (BGE 143 III 297 E. 8.2.5.4). Der Zweck der Klage wird vorliegend aus deren Begründung klar; der Klägerin geht es um die Identifizierung sowie Abschöpfung der Erträgnisse angeblicher Schmiergeldzahlungen an die Beklagte (Urk. 2 Rz 60 f.). Die Klägerin ersucht die Beklagte darum, schriftliche Auskunft und Rechenschaft über geldwerte Leistungen Dritter zu erteilen, die einen Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit aufweisen, unter Beilage sachdienlicher Belege. Auch wenn die Klägerin unzulässigerweise erstmals in der Berufung vorträgt, es gehe um „substanzielle Zuwendungen“ (Urk. 128 Rz 100), erscheint als notorisch, dass Gelegenheitsgeschenke (wie z.B. give aways) nicht erfasst sind (vgl. auch BSK OR I-Portmann/Rudolph, Art. 321b N 1). Der Zusammenhang zur Arbeitstätigkeit kann schliesslich nur so verstanden werden, dass die Zuwendungen erfolgten, weil die Beklagte Chief International der Klägerin war; umgekehrt gefasst: Rechenschaft über Zuwendungen Dritter an die Beklagte persönlich, die sie nicht erhalten hätte, wäre sie nicht Arbeitnehmerin der Klägerin gewesen. Das Rechtsbegehren der Klägerin erscheint damit als in gegenständlicher Hinsicht genügend bestimmt. Die von der Vorinstanz in diesem Zusammenhang angeführte bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGer 4A_460/2011 vom 20. Dezember 2011, E. 2.2; vgl. Urk. 129 S. 7 f.) bezieht sich auf ein Unterlassungsbegehren und ist nicht einschlägig (vgl. auch Urk. 128 Rz 119); bei einem Informationsbegehren sind die Anforderungen an die Bestimmtheit wie bereits erwogen weniger ausgeprägt.

 

Aufhebung des Entscheides des Arbeitsgerichts Meilen

Zusammenfassend kam das Obergericht somit zum Schluss, dass das Arbeitsgericht Meilen die Auskunftsbegehren zu Unrecht kritisierte und der Arbeitgeber somit einen Anspruch auf die Informationen habe. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Meilen wurde aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

 

Weitere Beiträge zur Treuepflicht:

 

Autor: Nicolas Facincani 

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.