Vor allem in medizinischen Berufen stellt sich die Frage nach der Abgeltung für die Umkleidezeit. Hier gilt es zunächst festzuhalten, inwiefern die Umkleidezeit als Arbeitszeit gilt. Diesfalls ergibt sich die Anschlussfrage nach der Entschädigung.

 

Umkleidezeit als Arbeitszeit?

An erster Stelle ist insofern die Frage zu klären, wann überhaupt die Arbeitszeit beginnt und ob die Umkleidezeit als Arbeitszeit zu qualifizieren ist. Gilt bereits das Einsteigen in den Zug als Arbeitszeit oder erst, wenn ich mich im Betrieb eingefunden habe? Zur Definition von Arbeitszeit finden sich keine privatrechtlichen Regelungen. Dafür regelt die Verordnung Nr. 1 (ArGV 1) zum Arbeitsgesetz in Artikel 13 den Begriff. Nach Absatz 1 des erwähnten Artikels, gilt die Arbeitszeit als diejenige Zeit, während der sich der Arbeitnehmer zur Verfügung zu halten hat. Für weitergehende Anmerkungen zur Arbeitszeit siehe auch den Beitrag: Arbeitsweg als Arbeitszeit?

Die Leitlinien des SECO konkretisieren zu Art. 13 Abs. 1 ArGV 1 weiter, dass es keine Rolle spielt, ob sich der Arbeitnehmer im Betrieb, in der Eisenbahn oder sonst wo zur Verfügung zu halten hat. Unter den Begriff der Arbeitszeit fallen nach den Leitlinien auch Tätigkeiten oder Vorkehrungen, die beispielsweise aus Gründen der Sicherheit oder der Hygiene am Arbeitsplatz als Vorbereitungshandlung getätigt werden müssen, bevor die eigentliche Arbeitshandlung angegangen werden darf.

Aus einer kausalen Perspektive ist das Umziehen zu Hygienezwecken in Spitälern und Praxen eine notwendige Vorbereitungshandlung. Dies soll auch der Fall sein, wenn die Kleidung durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers vorgeschrieben wird (bspw. um einheitlich zu wirken tragen alle Mitarbeiter ein schwarzes T-Shirt). Die allfallenden Kosten sind klarerweise dem Arbeitgeber anzulasten. Im Medizinalbereich sagt das SECO ferner, dass im Zusammenhang mit Ankleidung und Umkleiden all das Arbeitszeit gilt, was obligatorischer Teil des Arbeitsprozesses ist. Hierzu gehört auch das Anziehen von persönlicher Schutzausrüstung für den Gesundheitsschutz und gegen Unfälle, das Anziehen von Überzugskleidern oder steriler Arbeitskleidung wie auch das Durchschreiten einer Schleuse aus Gründen der Hygiene. Zwar zieht der Arbeitgeber aus der Umkleidezeit keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen, doch ist diese Tätigkeit Voraussetzung für die Ausübung der wertschöpfenden Haupttätigkeit. Der Arbeitnehmer ist demnach mit Willen und im Interesse des Arbeitgebers tätig, weshalb dies Arbeitszeit darstellt. Art. 13 Abs. 1 ArGV 1 findet nur Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis dem Arbeitsgesetz untersteht. Untersteht das Arbeitsverhältnis nicht dem Arbeitsgesetz dürfte die Regelung wohl analog Anwendung finden.

 

Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich

Im Juni 2020 hat das Verwaltungsgericht Zürich sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Umkleidezeit im für die angerechnete Arbeitszeit ausgerichteten Monatslohn bereits inbegriffen ist (VWGer ZH VB.2019.00766). Hier forderten Angestellte des Spital Limmattal gegen den Spitalverband Limmattal eine Auszahlung von Überzeit inkl. 25% für eine tägliche Umkleidezeit von 15 Minuten. In diesem Entscheid wurde auch zunächst festgehalten, dass Umkleidezeit auch Arbeitszeit darstellt. Beim Spital besteht eine langjährige, unbestrittene Praxis, wonach die bezahlte Arbeitszeit mit dem Dienstantritt auf der Station oder im Operationssaal beginnt und mit dem Dienstende am entsprechenden Arbeitsort ende. Dies entspricht bis vor Kurzem auch der Praxis zahlreicher anderer Spitaler im Kanton Zürich (vgl. auch Andreas Petrik, Pflegerecht 2019, S.144).

Da nun unbestrittenermassen die Umkleidezeit als Arbeitszeit qualifiziert wurde (mit Ausnahmen), stellte sich im vorgenannten Entscheid die Frage, ob es sich hierbei um bezahlte Arbeitszeit handelte.

 

Abgeltung durch den Monatslohn?

In jedem Einzelfall ist zu prüfen, wie die Umkleidezeit zu entschädigen ist oder ob sie bereits im Monatssalär inbegriffen und somit als abgegolten gilt.

Im bereits erwähnten Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich, wurde etwa festgehalten, dass die Umkleidezeit nach gelebter Praxis nicht zur bezahlten Arbeitszeit zählt. bzw. diese im Monatslohn inbegriffen wäre. Dies gilt umso mehr für die Entlöhnung im Rahmen öffentlich-rechtlicher Anstellungsverhältnisse eines Zweckverbandes wie ein Spital (VWGer ZH VB.2019.00766, Urteil E.3.3 – dieser Entscheid wurde in der Zwischenzeit vom Bundesgericht bestätigt. Siehe hierzu den Beitrag Bundesgericht: Keine Willkür bei Ablehnung der Entschädigung für Umkleidezeit).

Juristisch betrachtet ist es auch denkbar, dass die Umkleidezeit als durch den Monatslohn bezahlte Arbeitszeit gilt, wenn bspw. bei den regulären 15 Minutenpausen nicht ausgestempelt werden muss – und somit keine zusätzliche Entschädigung geschuldet ist. Somit gilt für den Fall, dass Umkleidezeit als Arbeitszeit qualifiziert wird, diese nicht zwingend entschädigt werden muss. Ist die Entschädigung nicht bereits im Lohn inbegriffen, sind andere Kompensationsmöglichkeiten denkbar.

 

Weitere relevante Beiträge zum Thema:

 

Autoren: Nicolas Facincani / Matteo Ritzinger

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.