Sehr oft finden sich am Ende eines Arbeitszeugnisses sogenannte Bedauernsbekundungen. Diese sind etwa wie folgt formuliert:

«Frau X. verlässt uns auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern.»

Doch was ist, wenn der Arbeitgeber das Ausscheiden gerade nicht bedauert oder sich einfach weigert, solche Bedauernsbekundungen ins Zeugnis zu schreiben? Kann dies gerichtlich durchgesetzt werden?

 

Zeugnisanspruch

Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmer jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Der Zweck des Arbeitszeugnisses besteht einerseits darin, das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers zu fördern und muss deshalb grundsätzlich wohlwollend formuliert werden. Andererseits soll es künftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers geben, weshalb es grundsätzlich wahr und vollständig zu sein hat (BGE 136 III 510, E. 4.1).

 

Dazu das Bundesgericht in BGE 136 III 510, E. 4.1, wie folgt:

4.1 Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich nicht nur über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, sondern auch über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht (Art. 330a Abs. 1 OR). Ein solches qualifiziertes Zeugnis bzw. Vollzeugnis soll einerseits das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern und deshalb wohlwollend formuliert werden. Andererseits soll es künftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers geben, weshalb es grundsätzlich wahr und vollständig zu sein hat (BGE 129 III 177 E. 3.2; Urteil 4A_432/2009 vom 10. November 2009 E. 3.1 mit Hinweisen). Ein qualifiziertes Zeugnis darf und muss daher bezüglich der Leistungen des Arbeitnehmers auch negative Tatsachen erwähnen, soweit diese für seine Gesamtbeurteilung erheblich sind (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2006, N. 3 zu Art. 330a OR; vgl. auch Urteil 4C.129/2003 vom 5. September 2003 E. 6.1). Dies trifft auf eine Krankheit zu, die einen erheblichen Einfluss auf Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers hatte oder die Eignung zur Erfüllung der bisherigen Aufgaben in Frage stellte und damit einen sachlichen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses bildete (vgl. Urteil des Arbeitsgerichts Zürich vom 9. September 2003, in: Jahrbuch des schweizerischen Arbeitsrechts [JAR] 2004 S. 598 f.; PHILIPPE CARRUZZO, Le contrat individuel de travail, 2009, S. 401; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 3 zu Art. 330a OR; SUSANNE JANSSEN, Die Zeugnispflicht des Arbeitgebers, 1996, S. 126 f.; PHILIPPE CARRUZZO, Les conséquences de l’empêchement non fautif de travailler: questions choisies, SJ 130/2008 II S. 327 ff. und 330). Eine geheilte Krankheit, welche die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens nicht beeinträchtigt, darf dagegen nicht erwähnt werden (JANSSEN, a.a.O., S. 127). Längere Arbeitsunterbrüche sind – auch wenn sie krankheitsbedingt waren – in einem qualifizierten Zeugnis zu erwähnen, wenn sie im Verhältnis zur gesamten Vertragsdauer erheblich ins Gewicht fallen und daher ohne Erwähnung bezüglich der erworbenen Berufserfahrung ein falscher Eindruck entstünde (JANSSEN, a.a.O., S. 125; vgl. auch SCHÖNENBERGER/STAEHELIN, in: Zürcher Kommentar, Bd. V/2c, 3. Aufl. 1996, N. 13 zu Art. 330a OR). Massgebend sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. JANSSEN, a.a.O., S. 125 f. Fn. 274, die eine Faustregel, wonach nur Unterbrechungen von mehr als der Hälfte der Dauer des Arbeitsverhältnisses zu erwähnen seien, ablehnt).

 

Mindestinhalt

Das Vollzeugnis muss mindestens die Personalien des Arbeitnehmers, die notwendigen Angaben zum Arbeitgeber und eine rechtsgültige Unterschrift samt Ausstellungsdatum, den Beginn und das Ende des Arbeitsverhältnisses, eine detaillierte Auflistung der wichtigen Funktionen sowie der das Arbeitsverhältnis prägenden Tätigkeiten des Arbeitnehmers und eine aussagekräftige Bewertung der Leistung (Arbeitsqualität und -quantität) des Arbeitnehmers und seines Verhaltens enthalten. Wie vom Arbeitsgericht Zürich in konstanter Praxis festgehalten (etwa auch im Urteil AH180112), ist es zudem verkehrsüblich, dass sich das Zeugnis neben der Beurteilung einzelner Aspekte auch über eine Gesamtbeurteilung ausspricht (z.B. Aufgabenerledigung „zur vollen Zufriedenheit“ oder „qualitativ und quantitativ gute Leistungen“). Das Zeugnis hat formell und materiell dem Verkehrsüblichen zu entsprechen. Materiell bedeutet Verkehrsüblichkeit, dass das Zeugnis nach der Verkehrsanschauung vollständig zu sein, d.h. insbesondere keine vielsagenden Auslassungen zu enthalten hat. Aus den Grundsätzen der Wahrheit und Vollständigkeit des Arbeitszeugnisses folgt, dass es über alle in Art. 330a Abs. 1 OR erwähnten Punkte Auskunft geben muss. Das Wohlwollen findet seine Grenzen an der Wahrheitspflicht (Urteil AH180112 des Arbeitsgerichts Zürich vom 25. Oktober 2018, E. 1).

 

Ermessen beim Wortlaut

Trotz der zahlreichen Rahmenbedingungen steht dem Arbeitgeber bei der Schöpfung des Wortlauts ein breites Ermessen zu. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die Verwendung bestimmter Formulierungen. Anspruch auf mittels anderweitiger Formulierungen bereits hinlänglich abgedeckter eigener Bezeichnungen hat der Arbeitnehmer nicht (Urteil AH180112 des Arbeitsgerichts Zürich, E. 1).

 

Bedauernsbekundungen

Einen klagbaren Anspruch auf Bedauernsbekundungen über den Austritt und Dankesworte gibt es gemäss der Rechtsprechung nicht. Ein Arbeitgeber kann nicht gegen seinen Willen dazu verpflichtet werden, Bedauern und Dank zu bescheinigen (vgl. Urteil BGer 4C.36/2004 vom 8. April 2004, E. 5).

 

Dazu das Bundesgericht in 4C.36/2004 vom 8. April 2004, E. 5:

Die Klägerin behauptet zu Unrecht, sie habe die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht verschuldet und die fristlose Kündigung aus wichtigen Gründen ausgesprochen. Folglich hat sie, wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, von vornherein auch keinen Anspruch auf eine Verschiebung des im Arbeitszeugnis festgelegten Endtermins zu ihren Gunsten. Denn durch ihre fristlose Kündigung beendete sie das Arbeitsverhältnis nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich mit sofortiger Wirkung. Als Endtermin gilt daher der Tag, an dem sie die fristlose Kündigung aussprach. Aus den Grundsätzen der Wahrheit und Vollständigkeit des Arbeitszeugnisses folgt, dass dieser Tag für die Dauer des Arbeitsverhältnisses im Sinne von Art. 330a Abs. 1 OR massgebend ist (BGE 129 III 177 E. 3.2 in fine). Ein – gesetzlich ohnehin nicht bestehender – Anspruch auf die Einfügung einer Freizeichnungsklausel steht der Klägerin, wie die Vorinstanz unter Bezugnahme auf die einschlägige Lehre richtigerweise feststellte, nicht zu. Schliesslich hat die Klägerin, wie die Vorinstanz gestützt auf Lehre und Praxis ausführte, auch keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Beklagte im Arbeitszeugnis Dankesworte und Zukunftswünsche anbringt.

Hingegen besteht praxisgemäss ein Anspruch auf einen Schlusssatz mit Angabe des Beendigungsgrundes.

 

Frei von Codierungen

Zum Teil wird von Arbeitnehmerin die Bestätigung verlangt, das Zeugnis sei frei von Codierungen. Diese Anspruch wird von der Rechtsprechung abgelehnt. Das Arbeitsgericht Zürich begründete im Urteil AH180112 vom 25. Oktober 2018, E. 2.4 wie folgt:

In Bezug auf die dritte Bestreitung der Beklagten ist festzuhalten, dass die Verwendung von Codierungen in einem Zeugnis allgemein gegen den Grundsatz der Zeugnisklarheit und den jede Datenbearbeitung beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben verstösst (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a N 9, m.w.H.). Da der Hinweis, das Zeugnis sei frei von Codierungen, nicht zu den in Art. 330a Abs. 1 OR erwähnten Bestandteilen gehört, über welche ein Arbeitszeugnis Auskunft geben muss, und die entsprechenden Formulierungen im Übrigen im Ermessen des Arbeitgebers liegen, ist ein Anspruch auf den erwähnten Hinweis zu verneinen. Im Übrigen enthält das Zwischenzeugnis vom 25. April 2017 — entgegen der Ansicht der Klägerin (Prot. S. 13 f.) — auch keinen solchen Hinweis. Mit Bezug auf die Entschädigungsfolgen ist indes anzumerken, dass dieser Floskel keine massgebende Bedeutung zukommt.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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