Das Kantonsgericht Luzern hatte im Februar 2021 einen Entscheid gefällt, ob aufgrund des wegen der Corona-Pandemie eingeführten Summarverfahrens für die Kurzarbeitsentschädigung bei im Monatslohn Angestellten die Kurzarbeitsentschädigung  (KAE) auch die Ferien- und Feiertagsentschädigung zu enthalten habe.

Dabei kam das Gericht zum Schluss, dass Ferien- und Feiertagsentschädigungen in die Kurzarbeitsentschädigung auch unter dem Summarverfahren gehören.

Das summarische Abrechnungsverfahren für KAE wurde zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 im Notrecht eingeführt, um den administrativen Aufwand für die betroffenen Unternehmen zu minimieren, trotz beispiellos hoher Anzahl eingereichter Anträge eine rasche Auszahlung zu gewährleisten und somit die Arbeitsplätze und die Liquidität der betroffenen Unternehmen in dieser ausserordentlichen Lage zu sichern.

 

BGer 8C_272/2021 vom 17. November 2021

Der Entscheid aus dem Kanton Luzern wurde an das Bundesgericht weitergezogen, welches nun entschieden hat.

Das Bundesgericht hält in seinem Urteil (BGer 8C_272/2021 vom 17. November 2021) fest, beim summarischen Abrechnungsverfahren seien Ferien- und Feiertage für Mitarbeitende im Monatslohn bei der Bemessung der KAE zu berücksichtigen. Betriebe haben bei Mitarbeitern im Monatslohn somit auch im summarischen Abrechnungsverfahren Anspruch auf Entschädigung der Ferien- und Feiertage.

 

Dazu das Bundesgericht

3.1.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Sache zur Neuberechnung der Kurzarbeitsentschädigung für die Monate März bis Mai 2020 – unter Berücksichtigung von Ferien- und Feiertagsentschädigungen für die im Monatslohn beschäftigten Arbeitnehmenden – an die Beschwerdeführerin zurückwies. Unbestritten ist dabei, dass bei Monatslöhnern die Ferien- und Feiertage arbeitgeberseitig normalerweise nicht als eigentliche Zulagen, sondern in Form von Zeit entschädigt werden (bezahlte Ferien- und Feiertage).

Ebenso unstreitig wird im Normalverfahren diesem Umstand bei den Monatslöhnern insofern Rechnung getragen, als bei Arbeitnehmenden im Monatslohn der anrechenbare Stundenverdienst so ermittelt wird, dass der massgebende Monatsverdienst durch die durchschnittlichen pro Monat zu leistenden Arbeitsstunden dividiert wird und sich dabei die pro Monat durchschnittlich zu leistenden Arbeitsstunden aus der Jahresarbeitszeit abzüglich des Ferien- und Feiertaganspruchs geteilt durch 12 ermitteln (vgl. Weisung des SECO in AVIG-Praxis KAE E10). Durch diesen Abzug des Ferien- und Feiertagsanspruchs von der Jahresarbeitszeit (Netto-Jahresarbeitszeit) verkleinert sich die Monatsarbeitszeit als Divisor, was sich zugunsten des anrechenbaren Stundenverdienstes auswirkt, weil damit bei der Division des massgebenden Monatsverdienstes durch die Netto-Jahresarbeitszeit ein höherer anrechenbarer Stundenverdienst resultiert (vgl. AVIG-Praxis KAE E9). Insoweit und in diesem Sinne werden im Normalverfahren die Ferien- und Feiertage der im Monatslohn Beschäftigten ebenfalls bei der Bemessung des Entschädigungsanspruchs berücksichtigt, obwohl sie – im Gegensatz zu den im Stundenlohn Angestellten – keinen Prozentzuschlag auf den Lohn für Ferien- und Feiertage erhalten (vgl. AVIG-Praxis KAE E9 und E. 11).

3.1.2. Art. 34 AVIG sieht vor, dass die Kurzarbeitsentschädigung 80 Prozent des anrechenbaren Verdienstausfalls beträgt (Abs. 1). Massgebend ist, bis zum Höchstbetrag für die Beitragsbemessung (Art. 3 AVIG), der vertraglich vereinbarte Lohn in der letzten Zahltagsperiode vor Beginn der Kurzarbeit. Eingeschlossen sind Ferienentschädigungen und die vertraglich vereinbarten regelmässigen Zulagen, soweit sie nicht während der Kurzarbeit weiter bezahlt werden oder Entschädigung für arbeitsbedingte Inkonvenienzen sind. Die durch Gesamtarbeitsvertrag vereinbarten und während der Kurzarbeit eintretenden Lohnerhöhungen werden mitberücksichtigt (Abs. 2).

3.1.3. Die Vorinstanz wies ferner korrekt auf die Rechtsnatur von Verwaltungsverordnungen hin. Zu betonen ist, dass sich Verwaltungsverordnungen an die Behörden richten und für die Gerichte nicht verbindlich sind (vgl. dazu BGE 141 III 401 E. 4.2.2 mit Hinweisen). Die Unterart der vollzugslenkenden Verwaltungsverordnungen kann namentlich dazu dienen, eine einheitliche Handhabung des Verwaltungsermessens sicherzustellen. Obwohl für das Gericht nicht verbindlich, sind Verwaltungsweisungen aber zu berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (statt vieler: BGE 140 V 543 E. 3.2.2.1 mit Hinweisen).

[…]

5.4.1. Diese gesetzliche Regelung nach Art. 34 Abs. 2 AVIG basiert auf der Rechtsprechung des ehemaligen Eidg. Versicherungsgerichts (heute: Sozialrechtliche Abteilungen des Schweizerischen Bundesgerichts; vgl. Botschaft zu einer Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 23. August 1989, BBl 1989 III 377 ff., S. 394). So äusserte sich dieses in BGE 112 V 220 E. 2d u. a. zur Bedeutung der Abgeltung des Ferienanspruchs in Form eines Zuschlages zum Stun-den- oder Monatslohn für den versicherten Verdienst (Art. 23 Abs. 1 AVIG), zur Beitragszeit (Art. 13 Abs. 1 AVIG) sowie zum anrechenbaren Arbeitsausfall (Art. 11 Abs. 4 AVIG). Es bestätigte die Rechtsprechung gemäss BGE 111 V 244 E. 3b, wonach die Ferienentschädigung Bestandteil des versicherten Verdienstes bildet. In BGE 123 V 70 E. 5 änderte das Eidg. Versicherungsgericht diese bisherige Rechtsprechung dahingehend, dass – entsprechend dem Vorgehen der Arbeitslosenkasse – im Falle der Abgeltung des Ferienanspruchs in Form eines Lohnzuschlages resp. bei „Verzicht auf den Realbezug“ die Ferienentschädigung nicht zum versicherten Verdienst nach Art. 23 Abs. 1 AVIG gehört. Damit wolle die Verwaltung bei der Bemessung des versicherten Verdienstes eine Besserstellung jener Versicherten vermeiden, die ihre Ferien nicht real beziehen, sondern sich diese – entgegen der absolut zwingenden Schutzbestimmung des Art. 329d Abs. 2 OR – abgelten liessen. So gehöre im Falle der Abgeltung des Ferienanspruchs in Form eines Lohnzuschlages resp. bei „Verzicht auf den Realbezug“ die Ferienentschädigung nicht zum versicherten Verdienst nach Art. 23 Abs. 1 AVIG. Das Eidg. Versicherungsgericht differenzierte dabei zwischen Realbezug und Abgeltung und nicht wie das SECO in der damals gültigen Verwaltungsweisung zwischen Stunden- und Monatslohn. Das Eidg. Versicherungsgericht führte hierzu aus, die gewählte Formulierung des SECO möge darin gründen, dass die Abgeltung des Ferienanspruchs, mithin der Verzicht auf den Realbezug, meistens bei solchen Versicherten anzutreffen sei, die im Stundenlohn bezahlt seien. In BGE 125 V 42 wurde die Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 70 in dem Sinne präzisiert, dass im Falle der Abgeltung des Ferienanspruchs in Form eines Lohnzuschlages die Ferienentschädigung als versicherter Verdienst derjenigen Monate angerechnet werde, in denen Ferien, zusammenhängend oder an einzelnen Tagen, tatsächlich bezogen wurden. „Mit BGE 123 V 70 sollte nur jenen Versicherten der Einbezug der lohnprozentualen Entschädigung in den versicherten Verdienst versagt werden, die überhaupt nicht frei nehmen, sondern ohne freie Tage ein volles Arbeitspensum erfüllen“ (E. 6c). Im Falle der Abgeltung des Ferienanspruchs mittels Lohnzuschlages kann die Ferienentschädigung deshalb gemäss geltender Rechtsprechung nur als versicherter Verdienst derjenigen Monate angerechnet werden, in denen Ferien, zusammenhängend oder an einzelnen Tagen, tatsächlich bezogen werden (BGE 144 V 195 E. 4.6.2; 125 V 42 E. 5b).

5.4.2. Was die Ermittlung der Beitragszeit betrifft, erkannte das Eidg. Versicherungsgericht mit BGE 130 V 492, dass in Änderung der bis dahin geltenden Rechtsprechung (BGE 112 V 220 E. 2d) die Abgeltung des Ferienanspruches in Form eines Zuschlags zum Stunden- oder Monatslohn nicht zu einer Erhöhung der anrechenbaren Beitragszeit entsprechend der auf Tage umgerechneten Ferienentschädigung führt. Art. 11 Abs. 3 AVIV, wonach die den Beitragszeiten gleichgesetzten Zeiten (Art. 13 Abs. 2 AVIG) und Zeiten, für die der Versicherte einen Ferienlohn bezogen hat, in gleicher Weise zählen, regle den Fall, wo die versicherte Person während der Dauer des Arbeitsverhältnisses tatsächlich Ferien bezogen habe. Ob während dieser arbeitsfreien Zeit der Lohn weiterhin ausbezahlt worden sei oder die Abgeltung in Form eines Zuschlages zum (Grund-) Lohn erfolgte, sei ohne Belang. Es könne sich insofern nach der Logik des Gesetzes unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Versicherten nicht anders verhalten als beim versicherten Verdienst. Fehle es am Merkmal des realen Bezugs von Ferien, könne Art. 11 Abs. 3 AVIV somit nicht, zumindest nicht unmittelbar, zur Anwendung gelangen. Durch Auszahlung einer Entschädigung für effektiv nicht bezogene Ferien könne grundsätzlich keine Beitragszeit entstehen (E. 4.3.1).

5.4.3. Hieraus erhellt, dass rechtsprechungsgemäss sowohl hinsichtlich der Bemessung des versicherten Verdienstes als der Ermittlung der Beitragszeit im Lichte des Gleichbehandlungsgebots nicht zwischen Lohnbezug während der Ferien oder Feiertage und eigentlichem Ferien- oder Feiertagszuschlag unterschieden wird. Gleichzeitig ist ein realer Bezug der freien Tage Voraussetzung für die Berücksichtigung der Ferien- und Feiertagsentschädigung beim versicherten Verdienst oder bei der Beitragszeit. Diese Grundsätze der Gleichbehandlung von Lohnbezug während der Ferien oder Feiertage und eigentlichem Ferien- oder Feiertagszuschlag bei der Bemessungsweise von versichertem Verdienst und Beitragszeit in dem Sinne, dass sich die Art und Weise des Lohnbezugs hinsichtlich Ferien und Feiertage nicht auf das ziffernmässige Ergebnis auswirken soll, sind auch bei der Berechnung der Kurzarbeitsentschädigung nicht ausser Acht zu lassen.

6.1. In Nachachtung des Gleichbehandlungsgebots muss das in E. 5.4 Dargelegte daher auch für Art. 34 Abs. 2 AVIG gelten. Diejenigen Versicherten, die während des Ferienbezugs ordentlichen Lohn für nicht geleistete Arbeit erhalten (vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. o AHVV), sollen gleichgestellt sein mit Versicherten, denen – ob im Monats- oder im Stundenlohn angestellt – eine Ferienentschädigung zukommt. Dieser Grundsatz ist auch im Summarverfahren zu beachten. Zu betonen ist, dass die Beschwerdeführerin im Normalverfahren zur Bemessung der Kurzarbeitsentschädigung eine Methode praktiziert, die in Berücksichtigung der Intention von Art. 34 Abs. 2 AVIG dem Gleichbehandlungsgebot Nachachtung verschafft. Diese Berechnungsweise im Normalverfahren nunmehr durch die Einführung des Summarverfahrens im Rahmen der Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung in Frage zu stellen, rechtfertigt sich nicht. Es verletzt vielmehr das Gesetzmässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV), wenn die Beschwerdeführerin im Zuge der Einführung des summarischen Abrechnungssystems bezüglich Kurzarbeitsentschädigung gestützt auf eine Verwaltungsweisung (vgl. vorstehende E. 3.1.3) Leistungseinschränkungen vornimmt, die weder Art. 34 Abs. 2 AVIG vorgibt noch durch die mit Art. 8i Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung eingeführte Abrechnungsweise ihre rechtliche Grundlage haben. Die Zulässigkeit dieser materiellen Ungleichbehandlung von nach Art. 34 Abs. 2 AVIG vorgesehenen Lohnbestandteilen lässt sich demnach, entgegen der Auffassung von Beschwerdeführerin und SECO, nicht aus Art. 8i Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung ableiten. Diese Bestimmung normiert wohl die Anwendung eines summarischen Verfahrens mit pauschaler Ausrichtung der Kurzarbeitsentschädigung ohne individuelle Berücksichtigung des Arbeits- und Verdienstausfalls der einzelnen von Kurzarbeit betroffenen Personen (vgl. vorstehende E. 4). Hieraus ergibt sich aber nicht, dass, im Sinne des Gleichbehandlungsgebots, die Ferien und Feiertage der im Monatslohn Angestellten nicht mehr in die Abrechnung einfliessen dürfen. Wie die Ferien und Feiertage der Monatslöhner im Rahmen des summarischen Verfahrens bei der Berechnung der Kurzarbeitsentschädigung zu beachten sind, liess die Vorinstanz, unter Hinweis auf eine notwendige vertiefte Analyse durch die Verwaltung, explizit offen. Als denkbar erachtete sie beispielsweise eine pauschale Berücksichtigung der Ferien und Feiertage beim prozentualen wirtschaftlich bedingten Arbeitsausfall. Dem vorinstanzlichen Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass zwingend eine fiktive Entschädigung bei der Bemessung des Anspruchs hinzuzurechnen sei, wovon Arbeitslosenkasse und SECO fälschlicherweise auszugehen scheinen.

6.2. Die von der Vorinstanz angeordnete Korrektur der Berechnungsweise der Kurzarbeitsentschädigung verletzt daher kein Bundesrecht. Für die zum Normalverfahren abweichende, vollständige Nichtberücksichtigung der Ferien und Feiertage bei Monatslöhnern, indem im summarischen Verfahren die Brutto-Sollstunden pro Jahr (ohne Abzug des Ferien- und Feiertagsanspruchs von der Jahresarbeitszeit) Berechnungsgrundlage bilden, besteht keine hinreichende Regelung auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe. Die Vorinstanz wies demnach die Sache zu Recht an die Arbeitslosenkasse zurück, damit diese in zumindest pauschalisierter Form für alle Kurzarbeitsberechtigten die Ferien- und Feiertage berücksichtigt. Damit hat es beim vorinstanzlichen Urteil sein Bewenden.

Es bleibt zu hoffen, dass das SECO die Arbeitslosenkassen nun umgehend anweist, dass die zu Unrecht nicht erfolgten Entschädigungen rückwirkend unbürokratisch an die Betriebe ausbezahlt werden.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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