Während dem Arbeitsverhältnis ist der Arbeitnehmer verpflichtet die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu wahren, worunter auch fällt, dass der Arbeitnehmer zur Geheimhaltung verpflichtet ist, und kann andernfalls schadenersatzpflichtig werden. Hierzu das Bundesgericht etwa in BGer 4A_116/2018 vom 28. März 2019Selon l’art. 321a CO, le travailleur doit sauvegarder fidèlement les intérêts légitimes de l’employeur (al. 1). Pendant la durée du contrat, il ne doit pas utiliser ni révéler des faits destinés à rester confidentiels, tels que les secrets de fabrication et d’affaires dont il a pris connaissance au service de l’employeur; il est tenu de garder le secret même après la fin du contrat en tant que l’exige la sauvegarde des intérêts légitimes de l’employeur (al. 4). Si le travailleur contrevient à ses obligations, il répond du dommage qu’il cause à l’employeur intentionnellement ou par négligence (art. 321e al. 1 CO).

 

BGE 123 III 257

In BGE 123 III 257 hatte sich das Bundesgericht mit einem Fall zu beschäftigen, wo ein Mitarbeiter während dem laufenden Arbeitsverhältnis diverse Kollegen abwarb, um nach seinem Ausscheiden einen Konkurrenzbetrieb zu betreiben.

Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Seit Juni 1982 arbeitete G. als Geschäftsführer/Direktor (auch der Kläger) im Coiffeursalon der X. SA (Beklagte) in St. Gallen. Am 23. August 1995 kündigte er seine Anstellung auf den 30. September 1995. Mit gleichem Datum reichten sämtliche in der Filiale St. Gallen angestellten Coiffeusen – ausser die vier Lehrtöchter – und die Kassierin ihre Kündigungen ein. Daraufhin kündigte die X. SA mit Schreiben vom 29. August 1995 das Arbeitsverhältnis mit G. fristlos auf den 30. August 1995.

Am 1. Oktober 1995 eröffnete G. in unmittelbarer Nähe des Geschäftslokals seiner ehemaligen Arbeitgeberin einen eigenen Coiffeurladen. Hier arbeiten seit dem 1. Oktober 1995 sämtliche ehemaligen Angestellten der X. SA, die am 23. August 1995 gekündigt hatten.

 

Haftungsgrundlage

Es stellte sich insbesondere die Frage nach der Haftung des Arbeitnehmers G. Die Frage war, ob die Haftungsgrundlage der Haftung Art. 337b oder Art. 321a OR ist.

Liegt der wichtige Grund zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses im vertragswidrigen Verhalten einer Partei, so hat diese gemäss Art. 337b Abs. 1 OR – unter Berücksichtigung aller aus dem Arbeitsverhältnis entstandenen Forderungen – der anderen vollen Schadenersatz zu leisten. Die kündigende Partei hat grundsätzlich Anspruch auf das Erfüllungsinteresse bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin . Der Schaden setzt sich aus allen finanziellen Nachteilen zusammen, welche adäquat kausal aus der berechtigten fristlosen Auflösung entstehen. Entscheidend sind die Nachteile, die aus der sofortigen Vertragsauflösung entstanden sind. Art. 337b Abs. 1 OR betrifft aber nicht den Schaden, der auf jene Handlungen zurückzuführen ist, welche Anlass zur fristlosen Vertragsauflösung gegeben haben. War eine Vertragsverletzung Grund für die fristlose Entlassung des Arbeitnehmers, haftet dieser für den daraus resultierenden Schaden nach Art. 321e OR. Der Umstand, dass wegen der Vertragsverletzung eine fristlose Kündigung ausgesprochen worden ist, kann die Haftung für die Folgen dieser Vertragsverletzung weder verschärfen noch erleichtern. Für den Schaden nach Art. 321e OR haftet der Arbeitnehmer, wenn er ihn absichtlich oder fahrlässig verursacht hat, wobei alle Umstände, insbesondere das Betriebsrisiko, die Entlöhnung des Arbeitnehmers und sowohl das Verschulden des Arbeitnehmers wie auch das Mitverschulden der Arbeitgeberin zu berücksichtigen sind Bei der Haftung nach Art. 337b Abs. 1 OR sind diese Umstände nicht bzw. nicht im gleichen Mass zu berücksichtigen, denn es ist nach dem diesbezüglichen ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes voller Schadenersatz geschuldet. Hierzu kann auch entgangener Gewinn gehören. Als entgangener Gewinn kann aber nur jener gelten, der durch die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Haftenden ausgeblieben ist. Das führt zu einer doppelten Beschränkung des zu berücksichtigenden Schadens. Zum einen geht es nur um den bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ohne Vertragsauflösung mutmasslich erzielten Gewinn; zum anderen kann mit der Berufung auf Art. 337b Abs. 1 OR nicht auch Ersatz dafür gefordert werden, was wegen der der fristlosen Kündigung vorausgegangenen Vertragsverletzung an Gewinn entgangen ist.

 

Begründung der Vorinstanz und des Bundesgerichts

Die Vorinstanz hatte sich zur Festsetzung des Schadens auf Art. 337b OR gestützt. Sie hatte der Beklagten aber nicht den durch die vorzeitige Vertragsauflösung mit dem Kläger entstandenen Schaden zugesprochen, sondern jenen, der die Folge der fristgerechten Kündigungen der übrigen Mitarbeiterinnen war. In tatsächlicher Hinsicht hatte sie festgehalten, dass die Umsatzeinbusse im unmittelbar auf den Weggang des Klägers folgenden Monat unbedeutend gewesen sei, während ein eigentlicher Einbruch erst stattgefunden habe, als die weiteren Mitarbeiterinnen ausgeschieden seien. Weiter führte sie aus, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Umsatzeinbruch des Monats Oktober 1995 im Weggang der erwähnten Mitarbeiterinnen begründet liege, die naturgemäss auch einen Teil der Kunden abziehen. Entgegen dieser Auffassung besteht aber gemäss Bundesgericht die vom Kläger zu verantwortende Vertragsverletzung nicht im kollektiven Weggang der Mitarbeiterinnen, sondern im Zeitpunkt deren Ausscheidens. Dass der Weggang des Klägers zur Kündigung beinahe der gesamten Belegschaft geführt hat, sei nicht ihm anzulasten. Er sei nur dafür haftbar zu machen, dass er diese Kündigungen noch während seiner Tätigkeit bei der Beklagten gefördert hat. Zwischen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsvertrages mit dem Kläger und dem von der Vorinstanz gestützt auf Art. 337b OR errechneten Schaden bestehe somit kein adäquater Kausalzusammenhang. Die Vorinstanz hatte somit mit der Anwendung von Art. 337b OR Bundesrecht verletzt. Dennoch war der Entscheid der Vorinstanz im Ergebnis nicht zu beanstanden:

d) Vorliegend ist weder dargetan noch nachgewiesen, dass der Beklagten durch die fristlose Kündigung des Klägers ein Schaden entstanden wäre. Die Beklagte behauptet vielmehr einen durch das vertragswidrige Verhalten des Klägers entstandenen Schaden. Insofern macht sie eine Haftung nach  321e ORund nicht nach Art. 337b ORgeltend. Entsprechend kann nur der durch die Abwerbung während des Arbeitsverhältnisses entstandene Schaden berücksichtigt werden. Es muss folglich ermittelt werden, welcher Schaden eingetreten ist, weil der Kläger die Mitarbeiterinnen noch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses abgeworben hat. Es ist der tatsächliche Vermögensstand der Beklagten mit jenem zu vergleichen, den sie hätte, wenn die Mitarbeiterinnen vom Kläger erst nach Ablauf seiner Kündigungsfrist zur Vertragsauflösung verleitet worden wären. Eine gleichzeitige Kündigung der übrigen Angestellten der Beklagten hätte somit – geht man von der Zulässigkeit der Kündigung des Klägers auf den 30. September 1995 aus – frühestens auf Ende Oktober 1995 erfolgen können. Der Umsatzrückgang für den Monat Oktober 1995 ist daher eine Folge der Abwerbung durch den Kläger während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses, der für diesen Schaden einzustehen hat. Dass die Vorinstanz den Ersatz für entgangenen Gewinn nach Art. 337b OR statt nach Art. 321e OR bemessen hat, ändert am Ergebnis nichts, zumal keine Umstände behauptet oder festgestellt sind, die nach Art. 321e OR für eine Reduktion der Haftung von Bedeutung sein könnten. Im übrigen hat die Vorinstanz den Schadensbegriff nicht verkannt und ihrer Berechnung keine bundesrechtswidrigen Kriterien zugrunde gelegt, wenn sie die Umsatzeinbusse im Vergleich zum Durchschnitt bzw. im Vergleich zum entsprechenden Monat im Vorjahr ermittelt und die Einsparungen bei den Personalkosten berücksichtigt hat. Diese Schadensermittlung gemäss Art. 42 Abs. 2 OR ist nicht bereits bundesrechtswidrig, weil auch andere Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, um die Gewinneinbusse zu schätzen. Inwiefern die Gewinneinbusse durch Fixkosten beeinflusst werde, wie die Beklagte geltend zu machen sucht, ist nicht ersichtlich. Ebensowenig ist im angefochtenen Urteil festgehalten, dass die Umsatzeinbusse nicht durch den kollektiven Weggang der Coiffeusen, sondern durch die Schnoddrigkeit des neuen Geschäftsführers verursacht worden sei, was der Kläger einzuwenden sucht. Nach dem Gesagten ist das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden.

 

Weitere Beiträge zur Treuepflicht:

 

Autor: Nicolas Facincani

 

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