Die Ferienkürzung bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung ist in Art. 329b OR geregelt. Dieser lautet wie folgt:

 

Wortlaut von Art. 329b OR

Art. 329b

1 Ist der Arbeitnehmer durch sein Verschulden während eines Dienstjahres insgesamt um mehr als einen Monat an der Arbeitsleistung verhindert, so kann der Arbeitgeber die Ferien für jeden vollen Monat der Verhinderung um einen Zwölftel kürzen.1

2 Beträgt die Verhinderung insgesamt nicht mehr als einen Monat im Dienstjahr und ist sie durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Jugendurlaub, ohne Verschulden des Arbeitnehmers verursacht, so dürfen die Ferien vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden.2

3 Die Ferien dürfen vom Arbeitgeber auch nicht gekürzt werden, wenn eine Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft bis zu zwei Monaten an der Arbeitsleistung verhindert ist oder weil sie die Mutterschaftsentschädigung im Sinne des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 19523 (EOG) bezogen hat.4

4 Durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den Absätzen 2 und 3 abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer im Ganzen mindestens gleichwertig ist.

 

Erläuterungen

Der Gesetzesartikel ist sehr unklar. Die herrschende Meinung interpretiert Absatz 2 (Kürzung bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung) wie folgt:

  • Eine Kürzung erfolgt erst nach zwei vollen Monaten der unverschuldeten Arbeitsverhinderung und entspricht pro vollen Monat 1/12 des Jahresferienanspruchs.
  • Es erfolgt keine Kürzung für den ersten vollen Monat – es gilt somit eine Karenzfrist (Schonfrist) von einem Monat. Das bedeutet, ab dem 2. Monat erfolgt eine Kürzung von 1/12 der Ferien pro weiteren vollen Monat der Verhinderung. Angebrochene Monate der Verhinderung werden nicht berücksichtigt.
  • Nach der Lehre sind nicht die Kalendermonate zu berücksichtigen, sondern der Arbeitsmonat (also ohne Wochenenden). Dieses entspricht einem Zwölftel der auf das Dienstjahr (oder Kalenderjahr) entfallenden Arbeitstage. Durchschnittlich handelt es sich dabei um 21,75 Arbeitstage im Monat. Sobald also die Absenz 21,75 Arbeitstage erreicht, liegt ein voller Monat im Sinne der Gesetzesbestimmung vor.
  • Die Kürzung betrifft die Ferientage, d.h. bei 4 Wochen Ferien 20 Tage pro Jahr; bei 5 Wochen Ferien, 25 Tage pro Jahr. Bei einer 5-Tage Woche beträgt die Kürzung pro Arbeitsmonat somit bei einem Vollpensum 2.08 Ferientage bei fünf Ferienwochen (1.75 Ferientage bei 4 Wochen Ferien).
  • Unklar ist die Rechtslage bei reduzierter Arbeitsfähigkeit. Bei reduzierter Arbeitsfähigkeit, z.B. bei 50% Arbeitsunfähigkeit, verlängert sich die Karenzfrist entsprechend. Die Kürzung des Ferienanspruchs erfolgt somit erst nach vier Monaten der Verhinderung. Die Kürzung erfolgt aber dann um einen vollen Zwölftel des Jahresferienanspruchs, nicht nur anteilsmässig.
  • Mit dem Beginn jedes neuen Dienstjahres gilt erneut eine Schonfrist von einem Monat, für den keine Kürzung erfolgt.

Zur Ferienkürzung siehe auch etwa den Beitrag Wann darf der Ferienanspruch gekürzt werden?

 

Weitere Beiträge zum Ferien- und Urlaubsrecht (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani