Der Ferienanspruch eines Arbeitnehmers wächst im Verhältnis der geleisteten Arbeit an. Hat ein Arbeitnehmer etwa vier Wochen Ferien pro Jahr, wächst sein Ferienanspruch 1.67 Tage pro Monat an. Bei fünf Wochen Ferien wären es 2,08 Tage pro Monat. Bei 6 Wochen Ferien gar 2.5 Tage pro Monat.

Wenn nicht gearbeitet wird, soll der Anspruch auf Ferien aber nicht anwachsen. Das Arbeitsrecht geht nämlich vom Grundsatz «ohne Arbeit, keine Ferien» aus.

Dieser Grundsatz gilt aber nicht uneingeschränkt. So etwa, wenn ein Annahmeverzug (Art. 324 OR) seitens des Arbeitgebers vorliegt und dieser dafür verantwortlich ist, dass nicht gearbeitet wird. In einem solchen Fall dürfen die Ferien nicht gekürzt werden.

Sodann schränkt Art. 329b OR den vorgenannten Grundsatz ein. Auf diese Bestimmung soll nachfolgend eingegangen werden. Grundsätzlich unterscheidet Art. 329b OR nach dem Grund der Abwesenheit. Die Formulierung des Gesetzes ist an Unklarheit kaum zu überbieten.

 

Wortlaut von Art. 329b OR

Art. 329b

1 Ist der Arbeitnehmer durch sein Verschulden während eines Dienstjahres insgesamt um mehr als einen Monat an der Arbeitsleistung verhindert, so kann der Arbeitgeber die Ferien für jeden vollen Monat der Verhinderung um einen Zwölftel kürzen.1

2 Beträgt die Verhinderung insgesamt nicht mehr als einen Monat im Dienstjahr und ist sie durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Jugendurlaub, ohne Verschulden des Arbeitnehmers verursacht, so dürfen die Ferien vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden.2

3 Die Ferien dürfen vom Arbeitgeber auch nicht gekürzt werden, wenn eine Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft bis zu zwei Monaten an der Arbeitsleistung verhindert ist oder weil sie die Mutterschaftsentschädigung im Sinne des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 19523 (EOG) bezogen hat.4

4 Durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den Absätzen 2 und 3 abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer im Ganzen mindestens gleichwertig ist.

 

Verschuldete Arbeitsverhinderung

Sobald die verschuldete Arbeitsverhinderung (es ist hier nur schweres Verschulden relevant) insgesamt einen vollen Arbeitsmonat beträgt, darf der Ferienanspruch um einen Zwölftel gekürzt werden. Beträgt somit die verschuldete Abwesenheit 1,5 Monate, darf der jährliche Ferienanspruch um einen Zwölftel gekürzt werden. Beträgt die Abwesenheit zum Beispiel 4,5 Monate, so dürfte der jährliche Ferienanspruch um 4 Zwölftel gekürzt werden.

Ist ein Arbeitnehmer also nicht einen ganzen Monat von der Arbeit verhindert, darf nicht gekürzt werden. Zu den Fällen, in welchen gar keine Arbeitsverhinderung vorliegt, siehe unten.

 

Unverschuldete Arbeitsverhinderung

Ist der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden  aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Jugendurlaub von der Arbeit verhindert, so gestaltet sich die Rechtslage grosszügiger für den Arbeitnehmer (siehe den Beitrag betreffend die Ferienkürzung bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung).

Es erfolgt keine Kürzung für den ersten vollen Monat – es gilt somit eine Karenzfrist (Schonfrist) von einem Monat. Das bedeutet, ab dem 2. vollen Monat erfolgt eine Kürzung von 1/12 der Ferien pro weiteren vollen Monat der Verhinderung. Angebrochene Monate der Verhinderung werden nicht berücksichtigt.

Der erste volle Monat der Arbeitsverhinderung wird hier nicht berücksichtigt. Ist ein Arbeitnehmer somit während insgesamt 1,5 Monaten krank, dürfen die Ferien nicht gekürzt werden. Ist er 2,5 Monate krank, darf um einen Zwölftel gekürzt werden.

Es ist also auf die Gesamtdauer der Abwesenheit abzustellen (als Beispiel: 3,5 Monate). Für den zulässigen Ferienabzug sind die angebrochenen Monate nicht zu berücksichtigen (Man hätte dann drei Monate), dann ist ein Monat abzuziehen (das Resultat ist dann 2 – man dürfte hier um 2 Zwölftel kürzen).

Ist ein Arbeitnehmer zum Beispiel ein Jahr befristet angestellt und vom ersten bis zum letzten Tag krank, so dürfte sein Ferienguthaben um 11 Zwölftel gekürzt werden.

 

Schwangerschaft

Bei einer Schwangerschaft ist das Gesetz noch grosszügiger für die betroffene Arbeitnehmerin. Es erfolgt keine Kürzung für die ersten 2 vollen Monate – es gilt somit eine Karenzfrist (Schonfrist) von zwei Monaten. Das bedeutet, ab dem 3. vollen Monat erfolgt eine Kürzung von 1/12 der Ferien pro weiteren vollen Monat der Verhinderung.

Während dem Mutterschaftsurlaub dürfen die Ferien nicht gekürzt werden.

 

Berechnung der Ferienkürzung

Für die Ferienkürzungen sind nur die vollen Monate der Abwesenheit zu berücksichtigen.

Es sind nicht die konkreten Kalendermonate zu berücksichtigen, sondern der Arbeitsmonat (also ohne Wochenenden). Dieses entspricht einem Zwölftel der auf das Dienstjahr (oder Kalenderjahr) entfallenden Arbeitstage. Aus praktischen Gründen ist von einem Durchschnittsmonat auszugehen. Durchschnittlich handelt es sich dabei um 21,75 Arbeitstage im Monat (entsprechend der Berechnung der Taggelder in der ALV – Praxis). Sobald also die Absenz 21,75 Arbeitstage erreicht, liegt aus praktischen Gründen ein voller Monat im Sinne der Gesetzesbestimmung vor.

Für die Berechnung der Kürzung wird auf die Gesamtdauer aller Abwesenheiten während eines Jahres abgestellt. Auch kurze, etwa halbtägige Verhinderungen werden für diese Berechnung mitberücksichtigt. Die Kürzung ist dann zulässig, sobald unter Berücksichtigung allfälliger Schonfristen, ein voller Abwesenheitsmonat (21.75 Tage) erreicht wird.

 

Dienstjahr

Im Rahmen der Berechnung von Ferienkürzungen ist auf das Dienstjahr, und nicht auf das Kalenderjahr abzustellen. Eine andere Lösung, wie dies aus Praktikabilitätsgründen oft gemacht wird, ist nur entsprechender Grundlage im Arbeitsvertrag oder in Reglementen zulässig.

Ohne anderweitige Regelung ist also stets darauf abzustellen, wann ein Arbeitnehmer die Stelle konkret angetreten hat.

Jedes neue Dienstjahr beginnt die Schonfrist wieder von neuem zu laufen. Bei einem unvollständigen Dienstjahr kann die Schonfrist nicht proportional gekürzt werden, sondern beträgt stets einen oder zwei volle Monate (à 21.75 Tage). Dies weil das Gesetz von Monaten und nicht von Zwölfteln pro rata spricht.

 

Kürzung bei Teilzeitarbeit

Bei der Teilzeitarbeit gestaltet sich die Berechnung etwas komplizierter. Um festzustellen, wann eine allfällige Schonfrist abgelaufen ist, ist die effektive Dauer Arbeitsverhinderung zu berücksichtigen. Bei reduzierter Arbeitsfähigkeit, z.B. bei 50% Arbeitsunfähigkeit, verlängert sich die Karenzfrist entsprechend. Die Kürzung des Ferienanspruchs erfolgt somit erst nach vier Monaten der Verhinderung (der Ferienanspruch wächst parallel zur Arbeitsleistung). Die Kürzung erfolgt aber dann um einen vollen Zwölftel des Jahresferienanspruchs, nicht nur anteilsmässig.

 

Saldoklauseln

Arbeitgeber teilen ihren Mitarbeitern die Ferien oft auf den Lohnabrechnungen mit. Sofern ein Arbeitgeber, obwohl eine Kürzung der Ferien zulässig wäre, von dieser nicht Gebrauch macht und die Ferien ungekürzt auf das Folgejahr überträgt, wird davon ausgegangen, dass in einem solchen Fall ein Arbeitgeber auf die Kürzung der Ferien verzichtet hat.

 

Mehrere Verhinderungsfälle

Liegen gleichzeitig mehrere Verhinderungsfälle vor (Schwangerschaft und Krankheit), sind die Schonfristen nicht zusammenzuzählen, sondern es gilt die längere Schonfrist.

 

Relativ zwingende Bestimmung

Es ist zulässig, im Arbeitsvertrag eine andere Regelung vorzusehen. In einem solchen Fall muss diese Regelung für die Fälle der Schwangerschaft und unverschuldete Arbeitsabwesenheit für den Arbeitnehmer aber günstiger sein. So wäre es etwa zulässig, auf das Kalender-, anstatt auf das Dienstjahr, abzustellen. Ebenso könnten die Schonfristen verlängert werden. In Gesamt- und Normalarbeitsverträgen sind gleichwertige Regelungen zulässig.

Für die verschuldete Arbeitsverhinderung sind auch für den Arbeitnehmer ungünstigere Bestimmungen zulässig.

 

Proportionale Ferienkürzung

In verschiedenen Fällen, in welchen nicht gearbeitet wird und kein Fall von Art. 329b OR vorliegt, dürften die Ferien – nach dem Grundsatz «ohne Arbeit, keine Ferien» proportional gekürzt werden. So im Falle objektiven Leistungshindernissen (wie etwa Naturkatastrophen), rechtmässigem Streik und unbezahltem Urlaub, sowie im Falle, dass eine Schwangere ihre Abwesenheitsrechte gemäss Art. 35a Abs. 2 ArG wahrnimmt (in diesem Fall wird die Arbeitnehmerin von der Arbeitspflicht befreit) gelten.

Auch im Falle des Blaumachens und wilden Streiks wächst kein Ferienanspruch an (es folgt dann eine Kürzung vom ersten Tag an).

 

Weitere Beiträge zum Ferien- und Urlaubsrecht (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani